Offizielles Gründungsdatum des "Perlentaucher" ist der 15. März 2000, los ging’s jedoch schon mit der Auswertung der Buchmessebeilagen im Herbst 1999 – das Jahr, in dem Boris Becker für AOL warb ("Ich bin drin"). Google war in Deutschland noch unbekannt, man arbeitete mit Suchmaschinen wie AltaVista oder MetaGer, statt Social Media oder Smartphones gab es gefährlich pfeifende Modems. Thierry Chervel entdeckte die neuen Möglichkeiten des World Wide Web als Kulturkorrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Paris, Anja Seeliger bei der "taz", die technisch schon immer gut aufgestellt war. "Plötzlich konnte man die 'New York Times' zu Hause am Schreibtisch lesen", erinnert sich Chervel. "Der Computer hatte Bilder und nicht nur Textoberflächen. Seitdem hat es einen regelrechten Staffellauf der Medienrevolutionen gegeben." Die 50.000 Mark für die Gründung der GmbH brachten Chervel und Seeliger privat auf. Das Geschäftsprinzip: Selbst verfasste Resümees der Zeitungskritiken sollten an den Internetbuchhandel verkauft werden und so die Basis dafür schaffen, den "Perlentaucher" als Medium weiterzuentwickeln. Über Partnerschaftsprogramme kooperierte man mit Amazon und Bertelsmann. "Immerhin wurde BOL damals zweitgrößter Onlinebuchhändler in Deutschland – und hätte diese Position wohl noch heute, wenn man den Laden nach Thomas Middelhoffs Entlassung nicht dichtgemacht hätte" – davon ist Chervel überzeugt.
Selbst Bücher verkaufen wollte der "Perlentaucher" damals noch nicht – erst vor fünf Jahren gründete man mit eichendorff21 eine eigene literarische Buchhandlung im Netz. Themen- und Bestenlisten (stolz ist man vor allem auf die eigene Taschenbuch-Bestenliste) navigieren durchs Angebot. "Damit heben wir vor allem das Potenzial, das unser eigenes Publikum darstellt", sagt Seeliger. "Wir haben buchaffine Leser, darunter auch viele Journalisten, Buchhändlerinnen und Verlagsleute." Die eigene "kuratierte Qualitätsbuchhandlung" trägt rund 20 Prozent zur Finanzierung des "Perlentaucher" bei, 20 Prozent spielen rund 2.000 zahlende Abonnenten ein, 60 Prozent werden durch Werbeeinnahmen erwirtschaftet – hier sind, über die Jahre stabil, vor allem literarische Verlage wie Suhrkamp, C. H. Beck, Fischer und Hanser aktiv.