Interview mit David Mesche zur Woche der Meinungsfreiheit

"Das ist Teil unseres Auftrags"

4. April 2025
Sabine Cronau

"Dem ­verbotenen Buch eine Stimme ­geben": So heißt eine Buch­handels­aktion zur Woche der Meinungsfreiheit im Mai. David Mesche erzählt, wie er die Idee in seinen Berliner Buchboxläden umsetzt. Und welche Rolle die USA dabei spielen.

David Mesche

David Mesche betreibt in Berlin die Kiezbuchhandlung Buchbox – mit ingesamt fünf Läden. Er ist zudem Initiator der Woche der Unabhängigen Buchhandlungen (WUB), die jährlich Anfang November stattfindet.

"Dem verbotenen Buch eine Stimme geben" heißt eine neue Aktion für den Buchhandel zur Woche der Meinungs­freiheit. Wissen Sie schon, wie Sie das Thema in der Buchbox umsetzen?

David Mesche: Wir haben uns bereits ein paar Gedanken dazu gemacht und möchten in allen Buchbox-Läden gut sichtbar "Banned Books" auf Aktionstischen präsentieren. Davon gibt es ja eine ganze Menge in den verschiedenen Regionen der Welt – ob nun in politischer oder in religiöser Hinsicht. Zu den prominentesten Beispielen gehören sicher die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass auch die katholische Kirche bis in die 60er Jahre hinein einen Index mit verbotenen Büchern gepflegt hat.

In Amerika, aber beispielsweise auch in Ungarn dürfen bestimmte Bücher nicht verkauft werden oder missliebige Titel werden aus Bibliotheken entfernt. ­Beobachten Sie das mit Sorge?

David Mesche: Was in den USA passiert, ist sehr beun­ruhigend. Man dachte ja, das sei längst Geschichte! Schließlich galt Amerika immer als eine Wiege der Meinungsfreiheit. Jetzt können Bibliothekar:innen dort sogar entlassen werden, wenn sie "Banned Books" nicht aus den Regalen aussortieren. Das macht mich besorgt, und ja: auch wütend. 
 

Setzen Sie auch deshalb bei der Woche der Meinungsfreiheit ein Zeichen?

David Mesche: Im Moment geht es sicher mehr denn je darum, die Demokratie zu stärken und resilient gegen Angriffe auf Vielfalt und Meinungsfreiheit zu machen. Das Thema liegt einfach auf dem Tisch. Buchhandlungen sind Orte der kulturellen, der nachbarschaftlichen, aber auch der politischen Begegnung. In der Buchbox wollen wir den Austausch und den Diskurs fördern – sei es nun mit Veranstaltungen, unseren Büchern oder eben mit der Aktion zur Woche der Meinungsfreiheit. Für mich ist das Teil unseres Auftrags – gerade im unabhängigen Buchhandel.

Was in den USA passiert, ist sehr beunruhigend. Man dachte ja, das sei längst Geschichte. Schließlich galt Amerika ja immer als eine Wiege der Meinungsfreiheit.

David Mesche, Buchbox Berlin

Gibt es von der Kundschaft auch Kritik für politische Positionierung? Und muss man das aushalten?

David Mesche: Die gibt es durchaus – ohne hier ins Detail gehen zu wollen. Wir führen immer mal wieder Diskussionen in unseren Läden. Generell bestellen wir alles, was lieferbar ist. Aber wenn sich eine Buchbestellung zu weit von unserer demokratischen Grundhaltung entfernt, dann suchen wir auch schon mal das Gespräch mit den Kund:innen.

Wie lösen Sie den Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und der Grenze des Sagbaren auf?

David Mesche: Ich glaube, dass beides möglich ist: die Meinungsfreiheit hochzuhalten und gleichzeitig persönlich Haltung zu zeigen. Das eine schließt das andere nicht aus. Durch unser kuratiertes Sortiment haben gerade wir Independent-Buchhandlungen die Chance, diese zwei Pole miteinander zu verbinden. Es wäre super, wenn sich möglichst viele Buchhandlungen bei der Woche der Meinungsfreiheit engagieren, ob mit Aktionstischen, gestalteten Schaufenstern oder Lesungen.  Der kompakte Aktionszeitraum sorgt für Sichtbarkeit – ähnlich wie bei der Woche der unabhängigen Buchhandlungen im November. Das finde ich gut. 

Welche Titel wollen Sie im Mai auf Ihrem Büchertisch mit "Banned Books" präsentieren?

David Mesche: Zum Beispiel John Greens Debüt "Eine wie Alaska", das aus einigen amerikanischen Bibliotheken entfernt wurde, oder den Roman "19 Minuten", in dem Jodi Picoult über den Amoklauf an einer Schule schreibt. Ideen für den Büchertisch hole ich mir vor allem aus aktuellen Zeitungsartikeln. Berichte über "Banned Books" gibt es im Moment mehr als genug. Leider. 

MEHR ZUR AKTIONSWOCHE

  • Die Woche der Meinungsfreiheit (3. – 10. Mai) hat diesmal das Motto "Streiten? Unbedingt!". Programm: woche-der-meinungsfreiheit.de.
  • "Dem verbotenen Buch eine Stimme geben": So heißt eine neue, spezielle Aktion für den Buchhandel. Ob Schaufenster, Aktionstisch oder Veranstaltung: Buchhandlungen können Werken eine Bühne geben, die aus der Öffentlichkeit verbannt wurden oder werden.
  • Eine Liste mit Titeln, die in den USA aus Bibliotheken entfernt werden, findet sich unter pen.org/banned-books-list-2025, Buchtipps der IG Meinungsfreiheit zu Demokratie und Debattenkultur gibt es unter woche-der-meinungsfreiheit.de
  • Ein Dekopaket mit zwei Plakaten und 30 Lesezeichen begleitet die Aktion: "Wer liest, hat die besseren Argumente." Der Versand erfolgt automatisch an den unabhängigen Buchhandel (Nachschub per E-Mail an meinungsfreiheit@boev.de).
  • Partner der Buchhandelsaktion: Woche des Unabhängigen Buchhandels, LG Buch, Nordbuch, eBuch, Buchwert, Umbreit.
  • Auftakt: "Wi(e)der sprechen!" Mit Iris Berben, Alena Buyx, Michel Friedman, 3. Mai, 18 Uhr, Paulskirche, Frankfurt/Main (Registrierung: www.wdm-paulskirche.de)
  • Diskussionsrunde: "Bücher verbrennen, Bücher verbannen", 9. Mai, 19 Uhr, NS Dokumentationszentrum München