Die Einträge von Valerie Vogler beginnen nüchtern und sachlich im Ton, die Idee zum Journal stammt von den vier Aurora-Mitgliedern, alles Männer, die ihr als nordische Version der Dalton Brüder erscheinen. Aber ist alles so makellos? Warum wurde gerade sie eingeladen, fragt sie sich wiederholt? Sie muss merkwürdige Bedingungen erfüllen, etwa ihr Handy abgeben, darf das Haus nicht verlassen. Und sie erhält vom Kollektiv Lektionen zur Kunst, nach denen sie Aurora verstehen werde, so die Verheißung. Dafür darf sie bei der Schaffung des neuen Werks, "eine Leinwand, die alle Grenzen sprengt", sehr konkret, wie sich herausstellt, teilhaben. Mit einer tragischen Konsequenz. Schwab lässt seine Figuren einen Diskurs über das Selbstverständnis eines Künstlers und der Rolle des Werks führen. Dieses "steht immer an erster Stelle", heißt es im "Polarmanifest" der Gruppe. Was folgt daraus? Zentral war für Valerie bis zu Aurora immer Edvard Munchs "Schrei", ein symbolhaftes Motiv, das sich in ihrer Seele festgesetzt hat.
Die Werkstatt der Künstler hat sieben Räume, das siebte Zimmer ist Tabu. Das weckt Valeries Neugier, sie setzt alle ihre Mittel ein, um hineinzukommen. Ein weiteres Rätsel des Kollektivs. Der zunächst "rauschhafte Kunsttrip" wird immer existenzbedrohender für Valerie, die eine Last aus der Vergangenheit mit sich schleppt. Eine frühere (Alkohol)Sucht deutet sie an.
Ein zunehmend abstruser werdendes Geschehen nimmt Fahrt auf, aus der Sicht von Valerie geschildert, von Schwab stilistisch stark und nuanciert entwickelt. Aber ist alles zu Glauben? Schwab, 1988 in Berlin geboren, in Kärnten aufgewachsen und jetzt in Wien lebend, spielt gekonnt mit den Wahrnehmungen seiner Leser:innen – bis zur erschreckenden Auflösung auf den letzten Seiten seines aufrüttelnden Debüts.
Constantin Schwab: "Das Journal der Valerie Vogler", Droschl, Februar, 128 S., 20 Euro, 978-3-99059-099-7