Debüts des Monats - Februar 2022

Wut und Einsamkeit

25. Februar 2022
von Stefan Hauck

Wie sich eine permanente Überforderung durchs Leben zieht, Gefühle immer nur verdrängt und dann eruptiv ausbrechen, hält Mattia Insolia in "Die Hungrigen" schonungslos fest.

Wie sich eine permanente Überforderung durch mehrere Leben zieht und in die nächste Generation weitergegeben wird, wie Gefühle immer nur verdrängt und dann eruptiv ausbrechen, sucht Mattia Insolia festzuhalten. Hauptfiguren seines Debütromans sind zwei Brüder, der 19-jährige Antonio und der 22-jährige Paolo, die allein im Haus ihrer Eltern leben. Ihre Mutter ist vor dem gewalttätigen Vater geflohen, den dann mit etwas Nachhilfe das Zeitliche gesegnet hat, die Jungen wurschteln sich durchs Leben, der Jüngere ohne Ambitionen und Job, der Ältere malocht auf einer Baustelle. Paolo fühlt die Verantwortung für den Jüngeren, verdient das Geld für beide, erwartet aber mit einer patriarchalen Selbstverständlichkeit dessen Unterordnung. Seine Unbeherrschtheit, seine cholerischen Wutausbrüche machen vor nichts Halt, nehmen immer zerstörerischere, die Existenz anderer missachtende Auswüchse an, seine ebenso haltlosen, wenn auch finanziell weitaus besser gestellten Freunde werden von seinem Machismo mit ins Destruktive gezogen.

 

Dem jüngeren Antonio fällt das Aufbegehren gegen Paolos Dominanz schwer, er hat Träume, scheut die Realität, schafft es, sich mit einem Mädchen anzufreunden, bleibt aber fragil. Die letztlich selbstzerstörerischen Kräfte seines Bruders vermag er zu erkennen, kann ihnen aber nichts entgegensetzen. Nach und nach enthüllt Insolia in kurzen verunsichernden Sätzen eine versteckte Liebe und die Tragik hinter den Lebensläufen eines trostlosen süditalienischen Vororts, wo kaum einer die vorgegebenen sozialen Verhältnisse überwinden kann; das zur Müllkippe mutierende Haus der Brüder wird zur Metapher. Insolia ist der Chronist eines Verfalls und der ständigen Frage, wie unumkehrbar Zustände eigentlich sind.

Mattia Insolia: "Die Hungrigen", Ü: Martin Hallmannsecker, Karl Rauch Verlag, 208 S., 22 Euro

Januar

Selene Mariani
Ellis
Wallstein20,00 EuroISBN 9783835351523
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Laura Cwiertnia
Auf der Straße heißen wir anders
Klett-Cotta22,00 EuroISBN 9783608981988
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Februar

Mattia Insolia
Die Hungrigen
Karl Rauch Verlag GmbH & Co. KG22,00 EuroISBN 9783792002698
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Constantin Schwab
Das Journal der Valerie Vogler
Droschl, M20,00 EuroISBN 9783990590997
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