Interviews zum Jahreswechsel (3): Lutz Heimhalt, Buchhandlung Heimhalt

"Unser Engagement für die Ukraine hält an"

7. Dezember 2022
Charline Vorherr

Lutz Heimhalt und seine Frau Natalia Banakh waren mitunter die ersten, die nach Ausbruch des Kriegs ukrainische Bücher nach Deutschland gebracht und an ukrainische Geflüchtete verteilt haben. Wie hat sich das Engagement in ihrer Buchhandlung verändert und wie viele Bücher haben sie inzwischen verschenkt? Das erklärt Heimhalt im Interview.

Lutz Heimhalt und Natalia Banakh

Herr Heimhalt, im Frühjahr, wenige Wochen nach dem Ausbruch des Krieges, haben Sie Ihre Buchhandlung als ein „ukrainisches Kultur- und Kontaktzentrum“ bezeichnet. Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Was hat sich in Ihrer Buchhandlung seitdem getan? Hält Ihr Engagement an?
Lutz Heimhalt: Ja, natürlich hält unser Engagement an - es wird sogar immer mehr. Die ursprüngliche Idee war es, ukrainische Bücher für ukrainische Flüchtlinge zu besorgen. Auch das hat sich weiterentwickelt. Mittlerweile nimmt der junge Mann, der uns die Bücher aus der Ukraine bringt, einen Sprinter voller Hilfsgüter zurück an die Front. In erster Linie Verbandskästen, warme Kleidung, Kerzenreste, Rollstühle., Tourniquets, um Blutungen zu stillen, Militärwesten, Ferngläser - das hat sich alles im Laden gestapelt.

Hier in der Buchhandlung reisen inzwischen Ukrainerinnen aus umliegenden Kleinstädten und anderen Städten zu uns nach Hamburg an. Manchmal nur um ein kleines Schwätzchen zu halten oder eben Bücher abzuholen, die wir ihnen schenken. 

Seit dem Börsenblatt-Artikel, in dem Sie darauf hingewiesen haben, dass ukrainische Kinder unbedingt Bücher brauchen, sind zahlreiche Kinderbücher ins Ukrainische übersetzt worden. Was sagen Sie zu diesem Erfolg?
Ich hätte nicht gedacht, dass es so große Kreise zieht. Alles startete zu Beginn des Krieges mit "Träum schön, Siggi Sternenschläfer" von Martin Ferfers, der sein Bilderbuch auf Ukrainisch übersetzen ließ. Als die Bücher in Polen aus der Druckerei kamen, wurden sie direkt hierher gebracht. Wir haben die Bücher dann an Mütter mit Kindern verteilt und einige weitere Hundert Exemplare an andere Buchhandlungen zum Selbstkostenpreis geliefert und Libri hat das Buch auf Deutsch und Englisch eingelistet. 

Wie viele ukrainische Bücher haben Sie ungefähr seit Ihrem Aufruf verschenkt?
Einige tausend Stück. Es hat sich rasch herumgesprochen, dass wir ukrainische Bücher verschenken. Auch Buchhandlungen, Vereine, Schulen und öffentliche Büchereien in Hamburg haben wir versorgt, weil wir die ersten in Deutschland waren, die liefern konnten. 

Der Transport ist eben sehr schwierig gewesen und das wichtige daran war, bei ukrainischen Buchhandlungen einzukaufen, denen es gerade wirklich nicht gut geht. 

Was kann die Buchbranche und insbesondere der Buchhandel jetzt noch für die Ukraine tun?
Die Ukrainer sind ein Lesevolk. Dort gibt es an jeder Ecke kleine Buchhandlungen, auch weil es keine richtig großen Buchhandelsketten und kein Amazon dort gibt. Das ist noch eine ganz andere Struktur als bei uns, die es zu unterstützen gilt. Buchhandlungen sollten versuchen, ein paar ukrainische Bücher zu ergattern und auszulegen. Die Ukraine freuen sich sehr. Wir helfen gerne dabei und machen fleißig weiter. 

Ansonsten muss jeder den richtigen Weg für sich selbst finden, wie er hilft. Solche Aktionen entwickeln sich dann weiter wie bei uns und hängt z.B. auch davon ab, ob viele Ukrainer in der Nähe sind. 

 

Natalia Banakh mit Andreij, der mit einem Sprinter ukrainische Bücher nach Deutschland holt und Hilfsgüter wie Militärwesten und Verbandskästen zurückbringt.