Interviews zum Jahreswechsel (8): Maria Meibohm

"Eine Beratungsfirma begleitet uns als Familienunternehmen"

15. Dezember 2022
Sabine Cronau

Seit Anfang 2022 teilt sich Maria Meibohm ein Büro mit ihrem Vater Joachim Wrensch, Geschäfsführer der Buchhandlung Graff in Braunschweig. Vorher hat sie bei Oetinger Veranstaltungen organisiert. Wie waren ihre ersten Monate im Sortiment? Und gibt es einen Zeitplan für die Graff-Nachfolge? Antworten zum Jahreswechsel.

Der Zeitpunkt war für mich genau richtig.

Vom Veranstaltungsgeschäft bei Oetinger in Hamburg zurück nach Braunschweig in die Buchhandlung Graff: Ihr wichtigstes Learning aus den vergangenen zwölf Monaten?
Für mich stand schon sehr früh fest, dass es irgendwann wieder nach Braunschweig zu den Wurzeln zurück gehen wird. Der Zeitpunkt kam nun für mich genau richtig, mit zwei kleinen Kindern halbtags ins Familienunternehmen einzusteigen. Ich arbeite sehr gerne mit meinem Vater zusammen und den Step, aus der Großstadt aufs Dorf zu ziehen (wo ich mit meinem Mann lebe), habe ich keinen Tag bereut.

Das große Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekommen wir dank eines tollen Supportsystems gut hin. Ich bin abends häufig auf Veranstaltungen unterwegs, habe Sport oder Chorprobe. Mein Mann und ich gleichen frühzeitig unsere Kalender ab und ermöglichen jedem seinen Freiraum, räumen uns aber auch gezielt "Familienzeit" ein. Mein Learning: Organisation ist das halbe Leben 😊  

Was macht Ihnen am meisten Spaß im Laden?
Am meisten freue ich mich über den täglichen Kontakt mit den Kundinnen und Kunden und ganz besonders unseren Mitarbeiter*innen. Ich arbeite sehr gerne mit Menschen zusammen und setze Projekte und Ideen um.

Manchmal stehe ich in der Kinderbuchabteilung und empfehle Pappbilderbücher vom Oetinger Verlag und denke gerne an die schöne Zeit zurück. Und ehrlich gesagt freue ich mich immer total, jeden Morgen in den Laden zu kommen und den Duft der Bücher einzuatmen. Das mag romantisch klingen, aber es erfüllt mich mit viel Freude und Stolz.

Die Arbeitsbelastung im Weihnachtsgeschäft ist hoch, einige Krankheitsausfälle kamen dazu - aber wir sind gut aufgestellt.

Maria Meibohm

Wie erleben Sie das aktuelle Weihnachtsgeschäft? Klingelt die Kasse oder ist die Stimmung gedämpft?
Unser Weihnachtsgeschäft hat bereits Mitte November begonnen und wir haben viele Aushilfen an den Kassen und dem Geschenkeeinpacktisch eingestellt. Die Arbeitsbelastung ist hoch, einige Krankheitsausfälle kamen dazu, aber wir sind gut aufgestellt.

Die Bücherregale sind voll und die Nachfrage nach Lesestoff für einen selber oder zum Verschenken ist groß. Traditionell bauen wir im Erdgeschoss unsere „Weihnachtswelt“ auf und präsentieren dort diverse Adventskalenderbücher, Christbaumschmuck, Postkarten, Weihnachtsdeko und seit Neustem auch Socken. Diese sind sehr gefragt; mit vielen lustigen Motiven.

Wann werden Sie die Nachfolge Ihres Vater Joachim Wrensch antreten (mehr dazu hier)? Gibt es schon einen Zeitplan?
Es gibt einen Zeitplan. Mein Vater wird bis zu seinem 65. Lebensjahr 2024 als Geschäftsführer der Buchhandlung tätig sein. Wir sind aber bereits jetzt in einem Transformationsprozess. Ich habe einen kleinen Schreibtisch bei ihm im Büro bezogen und bekomme dadurch viele Themen unmittelbar mit.

Mein Cousin Frederick ist seit 2019 in der Geschäftsleitung. Mit ihm werde ich in Zukunft die Buchhandlung führen. Wir arbeiten seit drei Monaten mit einer Beratungsfirma aus Braunschweig zusammen, die uns als Familienunternehmen begleitet und uns hilft wichtige Themen wie der Zielsetzung, Zusammenarbeit, Aufgabenverteilung, Vereinbarkeit und Kommunikation zu strukturieren. Das sind intensive Gespräche, die uns optimal auf die Transformation vorbereiten!

Haben Sie Respekt vor der Aufgabe – vielleicht sogar mehr durch die Erfahrungen der letzten Monate?
Mein jetziger Job als Projektmanagerin ist sehr abwechslungsreich: Mal stehe ich für Social Media vor der Kamera, führe Gespräche mit Kooperationspartnern aus der Stadt, mal moderiere ich Veranstaltungen oder kümmere mich um Regalbrett-Beschriftungen.

Mir gefällt der Einblick in das operative Geschäft sehr gut, jedoch bin ich durch den wöchentlichen Jour Fix mit der Geschäftsleitung auch nah an den „großen“ Themen dran; Website Relaunch, Umsatzstatistiken, Personalthemen oder auch ein neuer Teppich für‘s gesamte Haus.

Der Mix gefällt mir sehr gut, aber natürlich habe ich großen Respekt vor der zukünftigen Position als Geschäftsführerin. Wir haben tolle Mitarbeiter*innen und eine lange Tradition auf die wir zurückblicken können. Ich freue mich sehr drauf, diese in Zukunft noch stärker mitzugestalten können.

Mir persönlich liegen Veranstaltungen mit einem deutlichen Mehrwert sehr am Herzen. Wir hatten neulich eine tolle Buchvorstellung mit der Berliner Unternehmerin Verena Pausder bei uns in der Wirtschaftsbuchabteilung. Das Feedback der Kundinnen und Kunden war überwältigend und das hat mir verdeutlicht, dass wir auch ein Veranstaltungsort für Sach- und Wirtschaftsthemen, für junge Unternehmer*innen der Region sein können. Dieses Potenzial möchte ich weiter ausbauen und spannende Persönlichkeiten mit Buchbezug nach Braunschweig holen.

Unsere Buchhandlung soll auch ein Ort der Entschleunigung ein - und ein Schutzraum vor den vielen Krisenthemen, die uns bewegen.

Maria Meibohm

Was tun Sie, damit 2023 für die Buchhandlung Graff, aber auch für Sie persönlich ein Erfolg wird?
Die Buchhandlung soll ein Aufenthaltsort für jeden und jede sein. Auch ein Ort zur Entschleunigung und zum Schutz vor den vielen Krisenthemen, die uns bewegen. Letztlich bietet der Buchmarkt für jeden einzelnen Kunden wunderbare Bücher. Manche müssen erst gefunden werden, aber dafür stehen unsere Mitarbeiter*innen jeden Tag mit Rat und Tat zur Seite.

Unser Online-Geschäft läuft super, das möchten wir noch weiter ausbauen. Unsere Website bekommt 2023 einen neuen Look und das Backend wird neu programmiert - so wollen wir auch online unser Haus noch besser präsentieren, zum Stöbern einladen und unseren Service für jeden zugänglich machen.

In unserer New Adult-Abteilung würde ich gerne eine Social Media-Fotowand gestalten.

Maria Meibohm

Wenn Sie die Finanzierungsfrage mal ganz ausblenden: Was würden Sie bei Graff gern auf die Beine stellen?
Ich würde gerne noch mehr Leseecken schaffen, eine Fotowand für Social Media in unserer New Adult-Abteilung gestalten, die Kinderbuchabteilung mit einem Piratenschiff aus Holz ausstatten und das Café mit neuen Möbeln ein Stück weit modernisieren. Ich habe selber einige Jahre bei Dussmann das KulturKaufhaus gearbeitet und finde deren Ladenkonzept sehr inspirierend.