Interviews zum Jahreswechsel (12): Lars Claßen

"Jetzt müssen wir abliefern"

21. Dezember 2022
Charline Vorherr

2022 gründete Lars Claßen, früher Programmleiter der Internationalen Literatur bei dtv, gemeinsam mit Florian Keck den Kjona Verlag. Im Frühjahr erscheint das erste Programm. Was kann die Branche von dem Verlag erwarten, der in allen Geschäftsbereichen auf Nachhaltigkeit setzt? Das erklärt Lars Claßen in unserem Interview zum Jahreswechsel.

Herr Claßen, im September 2022 haben Sie – gemeinsam mit Florian Keck – die Verlagsgründung von Kjona angekündigt. Bis zum Sommer 2021 waren Sie Programmleiter für Internationale Literatur bei dtv. Wie hat sich Ihre Arbeit mit der Selbstständigkeit verändert?
Eigentlich hat sich alles verändert. Ausschließlich das tun zu können, was man für richtig hält, wie man es für richtig hält, fühlt sich sehr gut an.

Was kann die Branche von Kjona erwarten?
Während 70.000 Novitäten pro Jahr das Kulturgut Buch zum Wegwerfprodukt schrumpfen, steht Kjona für die Konzentration aufs Wesentliche. Für uns ist ein gutes Buch der Unterschied zwischen dem Menschen, der ich vor der Lektüre war, und dem, der ich danach geworden bin. Ein gutes Buch hat die Kraft, seine Leser:innen zu verändern. Davon werden wir jedes Jahr acht bis zehn im Angebot haben, und zwar fair und klimagerecht produziert.  

70.000 Novitäten pro Jahr schrumpfen das Buch zum Wegwerfprodukt

Lars Claßen

Kjona setzt auf Nachhaltigkeit in allen Geschäftsbereichen. Wie setzen Sie dies – insbesondere mit Hinblick auf Energie- und Papierkrise um?
Ich glaube, wir setzen vielleicht einfach andere Prioritäten. Es gibt doch heutzutage für fast jeden Geschäftsbereich nachhaltige Anbieter:innen und Dienstleistungen und die sind nicht immer teurer. Warum Geräte nicht einfach refurbished kaufen, nur um ein ganz einfaches Beispiel zu bringen. Außerdem war Papier doch bislang eigentlich immer eher zu billig, nur mussten das halt andere auffangen. Unsere Infrastruktur verursacht keine hohen Gemeinkosten, wir verzichten komplett auf Bezahlwerbung und setzen stattdessen konsequent auf Inhalt. Was wir dadurch einsparen, ist einiges. Und was wir gewinnen, auch, nämlich die Möglichkeit, unser gesamtes Programm cradle-to-cradle zu produzieren, mit Materialien, die rückstandsfrei recyclebar sind. Und wir können all unsere Autor:innen gleichberechtigt hoch an ihren Buchverkäufen beteiligen.

Wir freuen uns sehr über die Offenheit und das Wohlwollen, mit denen der Buchhandel uns begegnet.

Lars Claßen

Ihr erstes Programm erscheint im Frühjahr. Was tun Sie, damit 2023 ein Erfolg wird? Welche Vorkehrungen treffen Sie?
Zunächst müssen wir erstmal das einlösen, was wir versprechen. Dass Kjona ein Programm mit Charakter ist: klein, aber fein. Exklusiv, aber nicht elitär. Anspruchsvoll, aber nicht abgehoben. Wir freuen uns sehr über die Offenheit und das Wohlwollen, mit denen der Buchhandel uns begegnet. Jetzt müssen wir abliefern.

Daneben erarbeiten wir unter anderem eigene analoge und digitale Veranstaltungsformate, die über die passive Lesung hinausgehen und das Buch als Impulsgeber für gesellschaftlichen Wandel wiederbeleben möchten. Bücher können doch so viel mehr als berieseln, da möchten wir uns gerne vielfältig ausprobieren. 

Und zum Schluss: Welche Themen werden 2023 relevant für die Branche?
Verbraucher:innenumfragen zufolge sieht der Großteil der Bevölkerung Klimaschutz als wichtig an. Tatsächlich dient der transparente Einblick in die Produktionsweise immer mehr Menschen beim Einkauf als Entscheidungshilfe. Trotzdem werden diese Bedürfnisse auf dem Buchmarkt in den Segmenten Belletristik und Sachbuch bislang nicht befriedigt – dabei ließe sich dadurch Gutes tun und gleichzeitig eine Marktlücke schließen. Eben das ist Teil unseres Plans für Kjona.

Bücher können doch so viel mehr als berieseln, da möchten wir uns gerne vielfältig ausprobieren

Lars Claßen