Ich musste, und vor allem durfte, Thedel alsbald in Göttingen besuchen. Als ich in der Roten Straße ankam, war das Havanna Moon, ein studentisches Edelrestaurant, nicht zu übersehen. Im Treppenhaus vernahm ich den leichten Geruch der Küche, und dann stand ich in einer Bürolandschaft, die schon den Charme der Co-Working-Spaces der End-90er in Friedrichshain ausstrahlen sollte. Hier war es nicht nur erkennbar kreativ, sondern im Vergleich zu unserem Gespräch in Franken verfügte man schon über erste Erfahrungen mit Speisekarten, Fahrplänen, Vorlesungsverzeichnissen und einem Kneipenführer.
Und wen wundert’s – es gab erste Ideen zu Büchern aus dem universitären Umfeld.
Unsere Diskurse wurden enger und häufiger, und ich lernte viel, was ich in meine Welt übertragen konnte. Und eines Tages kamen wir auf die Idee, etwas Gemeinsames zu machen. Wir gründeten sozusagen als Zuschussverlag die Bartonsche Verlagsbuchhandlung, ein großer Name für ein kleines Pflänzchen, dessen Erwähnung hier nur eine Rolle spielt, da es den > Beginn unserer unternehmerischen Zusammenarbeit markiert. Dort publizierten wir munter Firmengeschichten, Familiengeschichten, Autobiografien und Ähnliches. Die kleinen wirtschaftlichen Erfolge waren eine Freude, und wir freuten uns über jede Mark, die wir verdienten. Von besonderer Wichtigkeit waren der Diskurs über Themen, Bücher, Zusammenarbeit, den wir gemeinsam, insbesondere auch zu Themen aus unseren »eigentlichen« Welten, führen konnten.
Die klare Analyse, das Fehlen der Schnörkel der Eitelkeit, die Empathie, die großartige Menschlichkeit und soziale Kompetenz, die manchmal nervenden »inquisitorischen« Fragen, das beherzte Handeln und die ungeheure Zuverlässigkeit sowie die geerdete intellektuelle Brillanz sind für mich die wichtigen Charakterisierungen und die Basis unserer Freundschaft, sicherlich aber auch die Basis dafür, dass Thedel auch in dem damals schon sehr besetzten akademischen Verlagsumfeld reüssieren konnte. Verbindungen zu ihm verdienen den Namen und sind immer belastbar. Mit Ruth Klügers »weiter leben« startete er ebenso fulminant in die Belletristik.
Klar also, dass wir 1996 Velbrück als Versandbuchhandlung gründeten und 1999, nach dem Ende seines Engagements bei Suhrkamp, den Verlag Velbrück Wissenschaft aus der Taufe hoben.