Vorschau Frankfurter Buchmesse

Von Markt bis Meinung

8. Oktober 2024
von Petra Gass

Bei der Reflexion über aktuelle Krisen und Debatten spielen Bücher eine eigene Rolle. Die Frankfurter Buchmesse wird zur Bühne der Meinungen – aber auch zur Romance-Fanmeile.

Schnappschuss bei der letztjährigen Buchmesse. Die Themen bleiben:  KI klug einsetzen, Kund:innen zu Fans machen, interessante Bücher verlegen

Schnappschuss bei der letztjährigen Buchmesse. Die Themen bleiben: KI klug einsetzen, Kund:innen zu Fans machen, interessante Bücher verlegen

"Die Buchmesse behandelt, literarisch gespiegelt, die großen Debatten der Welt. Für Vielfalt ist gesorgt, die Reibung kommt dann schon von allein." Das sagte Buchmessedirektor Juergen Boos bei der Vorschau­pressekonferenz zur Frankfurter Buchmesse gut drei Wochen vor Eröffnung. "Read. Reflect. Relate." ist das Messemotto, das für Offenheit und Besonnenheit wirbt. Der Claim "FBM24 is Read!ng" nimmt Bezug auf das Buch und seine medialen Nachbarschaften, für welche die Buchmesse neue oder ver­größerte Business-Areale einrichtet: Comics, Games, Filme zu literarischen Stoffen (oder umgekehrt). Wo erprobte Medien auf neue ­Ideen treffen, wird es besonders spannend, zum Beispiel im Audio­bereich: Nach dem Prinzip einer ­Silent Disco leuchten Kopfhörer in der Farbe des entsprechenden Themenkanals. Für Aufmerksamkeit wird auch eine Aktion auf dem Pauls­platz sorgen: Ein Escape-­Room lädt dazu ein, Goethes Italienreise nachzuspielen. 

Jürgen Boos

Für Vielfalt ist gesorgt, die Reibung kommt dann schon von allein.

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse

Frankfurt Calling

Die zähen Nachwirkungen der Pandemie scheinen nun endgültig Geschichte zu sein. In diesem Jahr sind wieder mehr Aussteller aus den USA, der arabischen Welt und aus Asien dabei. Boos zeigte sich zufrieden mit der Zahl der teilnehmenden Aussteller, die sich mit etwa 4.000 ungefähr auf Vorjahres­niveau bewege. Allerdings stellen kaum Verlage aus Israel und aus den angrenzenden Krisenregionen aus; es werden jedoch Podiumsgäste aus diesen Ländern zu Veranstaltungen erwartet  – etwa bei der Reihe Frankfurt Calling – Perspectives on Culture and Politics. Hier geht es, natürlich, um die neuralgischen Punkte der Gesellschaft: Demokratie, Menschenrechte, die Zukunft mit künstlicher Intelligenz. Partner in der Programmplanung sind die Vereinten Nationen, Amnesty International, Memorial, Pen Berlin, Correctiv und weitere. Die Messe wird zeigen, welche Streit­themen sonst noch aus der Kiste springen – auf jeden Fall werden die Messepodien ein zuverlässiger Indikator für ­gesellschaftliche Veränderungsprozesse sein. 

Die Ukraine, leidgeprüfte Literaturkultur, präsentiert sich wieder an einem Gemeinschaftsstand. Zusätzlich gibt es eine Kunstbuch­ausstellung mit Produktionen aus Charkiw – ein besonderes Zeichen angesichts der Tatsache, dass in der Stadt, deren Druckkapazitäten ­viele europäische Verlage genutzt haben, inzwischen drei Betriebe durch den russischen Angriffskrieg zerstört wurden. 

Neue Programme, neue Bühne

  • Yuval Noah Harari und Kohei Saito diskutieren: "Hilft auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft nur noch ein Systemsturz?" (16. Oktober, 19.30 Uhr, Saal Harmonie, Reihe Frankfurt Calling)
  • "What Asia Reads: A Deep Dive into Trends" (16. Oktober, 12 Uhr) – ein Thema auf der Asia Stage in Halle 5.1
  • Um "Best practices for the film adaption business" (18. Oktober, 10 Uhr) geht es in der ARTS+ Business Lounge (Halle 4.1) – und um Networking-­Events

Gäste aus der Politik

Der Ehrengast Italien lädt in seinem Pavillon auf eine Piazza ein, zwei Bühnen bieten Programm. Der Wirbel um die ­Liste der eingeladenen Schriftsteller:innen hat sich gelegt, die regierungskritischen Autoren Roberto Saviano und Antonio Scurati kommen nach Frankfurt zu Veranstaltungen ihres Verlags, der Buchmesse und des Pen Berlin. Zur Buchmesse-­Eröffnung reist der italienische Kulturminister Alessandro Giuli an, seine deutsche Amtskollegin Claudia Roth wird ebenfalls zur ­Eröffnung sprechen, außerdem ein Grußwort bei einer KI-Diskussion halten und den Deutschen Verlagspreis verleihen. 

Tickets und Wartemanagement

Freude machen die Vorverkaufszahlen für Tickets: Boos zufolge liegen sie derzeit um 30 bis 40 Prozent über dem Vorjahresniveau. Da die Tickets für die Publikumstage am Wochenende erstmals limitiert und nur online erhältlich sind, haben sich vermutlich viele Privatbesucher:innen schon frühzeitig damit eingedeckt. Ein großer Zustrom junger Leser:innen wird wieder erwartet: Die New Adult Area in Halle 1.2 bietet mit 8.000 Quadratmetern reichlich Platz für Romantasy in allen Spielarten. 

Dass es in Halle 3.0 dennoch voll wird, steht außer Frage – deshalb wurde auch dort die Besucher:innenführung angepasst. Das Wort "Wartemanagement" hat enorm an Bedeutung gewonnen – etwa in Halle 1.1, wo eine Wartezone für die New-Adult-Fans eingerichtet wird, und auf der Agora, wo sich die Fans um die "Meet the author"-Bereiche schlängeln. 

Das Fachprogramm widmet sich auf teilweise neuen Bühnen (Asia Stage, Halle 5.1, New Adult, Halle 1.2) einem breiten Themenspek­trum, angeführt von der Frage nach dem Umgang mit KI. Das große Thema Nachhaltigkeit setzt die Buchmesse auch praktisch um: Es gibt Wasserspender auf der Agora und wiederverwendbare Flaschen. Und die größte Neuerung: Es gibt deutlich weniger Teppich in den Hallenfluren. Also besser leise Schuhe anziehen …