Die Messe naht. Und die Angst.
Markus Klose fürchtet sich vor einer ganz bestimmten Sache auf der Buchmesse. Und da ist er sicher nicht der Einzige ...
Markus Klose fürchtet sich vor einer ganz bestimmten Sache auf der Buchmesse. Und da ist er sicher nicht der Einzige ...
Nicht die Angst, dass das neue Messe-Outfit, vor drei Monaten gekauft, nicht mehr passt. Auch nicht die Angst, dass die Taschenkontrollen im Eingangsbereich wieder so wenig gründlich wie in der Vergangenheit sind. Auch nicht die Angst vor Cosplayer- und New-Adult-Staus. Nein, ich meine die Angst, einer Person zu begegnen, die sich ganz offensichtlich an dich erinnern kann, dich mit deinem Namen begrüßt, während du nur eine Ahnung hast, dass du dieser Person tatsächlich irgendwann irgendwo einmal begegnet sein könntest.
Aber wo, wie, in welchem Kontext, wann? Der Name ist dir unbekannt, nicht einmal weißt du jetzt, ob man sich förmlich per Handschlag, freundlich unverbindlich, mit sanften Oberarmreibungen, mit »Give me Five!« oder, auch denkbar, in seliger Umarmung luftküssend freudvoll ein »Wie schön, dich zu sehen« in die Luft hauchend, begrüßt. Freund oder Feindin, Nachbarin oder Partygesellschaft, Ex-Kollegin oder Bild aus dem Börsenblatt? Dein Gedächtnis lässt dich im Stich, dieses elende löchrige Sieb funktioniert wieder einmal so gar nicht, das Hirntraining mit der Handy-App half offensichtlich nicht. Doch der Small Talk startet, damit macht die Angst der Hoffnung Platz, aus den raren Hinweisen abzulesen, wer XY ungelöst denn sein könnte. Fragen möchtest du nicht, das könnte unhöflich wirken, du hoffst also auf Erkenntnis im Gespräch.
Wirst du geduzt oder gesiezt, tauchen Ortschaften auf, werden andere erwähnt, die ihr beide kennt, hörst du Jahreszahlen, die Orientierung geben können, werden berufliche Kontexte erwähnt, die dir die Zuordnung möglich machen? Aber es lauern dort auch die Gefahren: Ein »Weißt du noch?« könnte eine Falle werden. Ein »Ach, das ist so typisch für Sie!« könnte zur Reaktion zwingen, die aber auf unsicherem Gelände stattfindet. Deine kommunikative Passivität, der Sorge geschuldet, sich zu verraten, könnte als Desinteresse interpretiert werden.
Dramatischer noch wird es, wenn eine dritte Person dazukommt, dich, euch kennt und das Gespräch breiter und damit noch unwägbarer gestaltet. Es kann auch gut gehen, nun kannst du eventuell endlich Zusammenhänge herstellen. Ein Name wäre gut! Denn wenn du erst mal den Namen weißt, wird sich der Rest schon in deinem Hirn zusammenfinden, da bist du dir sicher. Aber dann: Der Name sagt dir nichts. Im Gegenteil, du warst dir beinahe schon ganz sicher, dass der Name mit P wie Paule oder H wie Henriette beginnt, das hast du doch genau gespürt! Aber nun ist’s Jenny oder Manni, passt also nicht zu deinem Suchalgorithmus. Und dieser Name ist dir noch nie untergekommen, oder?
Gibt es eine Chance zum charmanten Ausstieg? Hilft eine Ohnmacht? Gibt es den berühmten Anschlusstermin, der nun als Fluchtgrund taugt? Läuft jemand anders vorbei, den du (ausnahmsweise) erkennst, zu dem du eilen kannst, dich mit einem »Sorry!« über die Schulter verabschiedend? Oder … hattest du zu Recht Angst und wirst jeden Moment entlarvt? Ach, es wird schon werden. Schöne Messe!