Unaufdringlich beeindrucken
Selbstmarketing ist ein Balanceakt zwischen Prokrastination, Smalltalk und Angeberei. Kompetenz zeigt, wer dosiert über das Was spricht.
Selbstmarketing ist ein Balanceakt zwischen Prokrastination, Smalltalk und Angeberei. Kompetenz zeigt, wer dosiert über das Was spricht.
Selbstmarketing ist das Gebot der Stunde. Das gilt für Angestellte in Verlagen oder Buchhandlungen (für Inhaberinnen sowieso) und genauso für Selbstständige. Aktuell dreht sich alles um Sichtbarmachung der eigenen Leistung, überall sprechen und schreiben Menschen darüber, was sie tun, Podcasts sprießen aus der Erde, die Berufsplattform LinkedIn erlebt ein neues Hoch.
Vielleicht ist das nur eine Phase …, aber grundsätzlich lässt sich schon sagen: Ganz ohne Selbstmarketing geht es nicht. Damit das Individuum nicht untergeht, ergreift es Eigeninitiative. Aber fest steht auch: Dieses dauernde Auf-uns-Einprasseln von Erfolgsgeschichten, sei es online oder in der Kaffeeküche, kann ganz schön nerven. Wie also geht man es am besten an, dieses »Tu Gutes und sprich darüber«? Wie oft und in welchen Situationen ist es angemessen? Wie findet man die beste Dosis und wird nicht zur Dauerwerbesendung?
Manche übertreiben es tatsächlich. Vielleicht haben Sie auch diese eine Kollegin, die einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringt, verschiedensten Leuten zu erzählen, was sie Großartiges geleistet hat und unter welch unvorstellbarem Druck. Oder – noch schlimmer – ein Kollege läuft stundenlang herum und berichtet ausführlich, dass er akut überlastet ist. So kann es ja nicht klappen mit dem übermäßigen Workload; die Rechnung geht nicht auf. Eher im Gegenteil: Überlastung minus Quatschen ist gleich abgearbeitete To-do-Liste.
Aber natürlich ist der Moment einfach da und die Gelegenheit günstig, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die eigenen Projekte jetzt gerade sind. Darüber zu reden, bewahrt ganz nebenbei auch davor, den riesigen Arbeitsberg tatsächlich anzugehen und sich den Aufgaben zu stellen. Genauso sinnvoll ist es, auf LinkedIn herumzuscrollen und Beiträge zu liken – der virtuelle Austausch in der Büroküche. Wenn dadurch allerdings zu viel Zeit flöten geht, tun wir uns damit keinen Gefallen. Selbstmarketing ist ein Balanceakt zwischen Prokrastination, Smalltalk und Angeberei.
Sollten wir doch lieber Bescheidenheit walten und Taten sprechen lassen? Hoffen, dass jemand unsere Leistungen und Talente entdeckt? Die Idee ist edel, Zurückhaltung immer vornehm – aber davon haben Sie nichts; Ihre Arbeit bleibt unsichtbar, Sie enden passiv im sogenannten Froschköniginnen-Syndrom. Denn wenn der Laden läuft und keine Probleme auftauchen, schaut niemand genauer hin und sieht, was Sie leisten. Alle haben ihre Baustellen, die beackert werden müssen und volle Aufmerksamkeit brauchen. Wenn Sie nicht darüber sprechen, machen Sie es den Vorgesetzten und dem Umfeld ganz leicht, diese zu ignorieren.
So funktioniert es also auch nicht. Es ist wirklich ein kleines Dilemma. Da gilt es, einen Mittelweg zu finden. Der kann so aussehen, glaube ich: Immer dann, wenn es thematisch passt und sich aus dem Gespräch heraus ergibt, können Sie die eigenen Anliegen und Erfolge zur Sprache bringen. Wenn Sie nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern sich an der Sache entlanghangeln und immer den großen Zusammenhang und Nutzen kommunizieren, wird es auch für die Zuhörenden nie eindimensional. Wer dosiert über das Was spricht, kann Kompetenz zeigen, Veränderung bewirken und auf unaufdringliche Art Eindruck machen.
Veronika Weiss (37) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.