Karriere

Persönlich weiterkommen

9. Dezember 2022
Veronika Weiss

Warum nehmen so wenige ihr Recht auf Bildungsurlaub in Anspruch? Hier kommt die dringende Empfehlung, alle Bedenken in den Wind zu schlagen und ins Bildungsabenteuer aufzubrechen. 

Heute grüße ich Sie aus Gran Canaria. Vor mir befindet sich ein großer hellblauer Pool, umgeben von Palmen, die Temperatur im Schatten beträgt 27 Grad. Ich nutze die Mittagspause – aber pssst … denn wir lernen Stressbewältigung mit Yoga, Meditation und Ayurveda. Arbeiten ist eigentlich nicht angesagt. Andererseits stärkt dieser Text meine Re­silienz, denn damit mache ich mir bewusst, wie wichtig der innere Ausgleich ist. Davon gibt es hier viel, gerade weil das Programm recht dicht ist: Wir starten mit anderthalb Stunden dynamischem Yoga in den Tag, danach gibt es ein gemeinsames gesundes (und leckeres!) Frühstück, gefolgt von einem intensiven Theorieblock. Nachmittags meditieren wir beim Yin Yoga und hängen ab mit Aerial Yoga. Es ist mein erster Bildungsurlaub; ich »traue« mich endlich, einer Empfehlung nachzukommen, und möchte Ihnen das auch ans Herz legen.

Außer in Bayern und Sachsen haben Angestellte ein Recht auf Bildungsurlaub. Haben Sie Ihres schon einmal genutzt? Nein? Haben Sie Angst, auf irgendeiner Abschussliste ganz oben zu landen? Wenn Sie dafür sonst keinen Grund liefern, müssen Sie sich nicht sorgen. Haben Sie das Gefühl, sich damit etwas herauszunehmen, was Ihnen nicht zusteht? Unsere Gesetze sagen etwas anderes. Wollen Sie Ihrem Team nicht in den Rücken fallen? Sollen die anderen doch selbst mal Bildungs­urlaub machen, dann vertreten Sie umgekehrt natürlich gern.

Bildungsimpulse bringen frischen Wind

Noch ein Argument spricht dafür: Allzu oft werden Arbeitnehmern, die sich weiterentwickeln wollen, Steine in den Weg gelegt. Ein Seminar besuchen? Sich neue Fähigkeiten aneignen? Resilienztraining, Excelkurs, eine neue Sprache? Das wird manchmal gar nicht gern gesehen, und gerade in Krisenzeiten wird jeder Cent dreimal umgedreht. Wir sollen ganz für unseren Arbeitgeber da sein, pausenlos arbeiten und weder nach links noch nach rechts blicken. Dabei ist es rückschrittlich, immer nur im eigenen Saft zu schmoren. Neue Bildungsimpulse bringen frischen Wind und stellen eine Art der Wertschätzung dar. Nun – wenn die nicht von außen kommt, dann sorgen Sie eben selbst dafür. Kümmern Sie sich um Ihr Weiterkommen und Wohlbefinden, nehmen Sie mit, was in diesen wenig üppigen Zeiten geht. Das Angebot ist riesig. Wäre gelacht, wenn sich da nichts fände, was Sie gern lernen möchten.

Aber lohnt er sich denn, der Bildungsurlaub? In meinem Fall haben alle ihre unterschiedlichen Stressmomente mitgebracht – vom Banker bis zu den Besamungsspezialistinnen aus Nordfriesland. Für bessere Resilienz lernen wir, wie körperliche Betätigung mit mentaler Belastung zusammenhängt, was eine Umkehrhaltung für die Konzentration tut, wie man gesund und stressfrei lebt und Krankheiten vorbeugt. Fazit: lehrreich, spannend, entspannend. Ich werde einen guten Teil des Gelernten in meinen Alltag integrieren, damit möglichst gesund bleiben, konzentriert und produktiv, aber mir auch für Selbstfürsorge genug Zeit nehmen. 

Übrigens war mein Vorgesetzter ganz angetan, als ich mein Vorhaben ankündigte. Er sagte, seine Frau hätte inhaltlich ganz Ähnliches gemacht und würde davon seit vielen Jahren enorm profitieren. So geht’s eben auch: mit viel Verständnis und Gönnenkönnen.

UNSERE KOLUMNISTIN

Veronika Weiss (37) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.