Gemäß der Bedingung, die er sich für seine Rede setzt – »kritisch werden und doch glaubwürdig ausdrücken, daß du nicht glaubst, etwas besser zu wissen« –, nimmt er dabei Stellung zu dem Vorwurf, er würde Auschwitz verharmlosen. Seine Antwort ist aus der Debatte über die Bewältigung unserer Vergangenheit nicht mehr wegzudenken.
»Das fällt mir ein, weil ich jetzt wieder vor Kühnheit zittere, wenn ich sage: Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets. Aber in welchen Verdacht gerät man, wenn man sagt, die Deutschen seien jetzt ein ganz normales Volk, eine ganz gewöhnliche Gesellschaft?«
Jahrelang verteidigt Martin Walser diesen erzählerischen Trick, mit dem er die Zuhörenden auffordert, über Auschwitz zu sprechen, ohne es als Moralkeule zu verwenden – und verwahrt sich dagegen, seine Aussagen allein auf die beiden Worte »Morakeule Auschwitz« zu reduzieren. Viele geben ihm damals falschverstehend Recht (»Endlich sagt das jemand mal!«), andere, wie Ignatz Bubis, beschuldigen ihn der »geistigen Brandstiftung«.
Der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden nimmt diesen Vorwurf kurz darauf in einem Gespräch zurück, Walser jedoch will in die ausgestreckte Hand nicht einschlagen, was er nach dem Tod von Ignatz Bubis bitter bereut.