Aus fürs Großraumbüro
Das Flair eines Großraumbüros, wie man es aus Filmen kennt, existiert nicht. Menschen arbeiten einfach nicht gerne wie die Hühner auf der Stange.
Das Flair eines Großraumbüros, wie man es aus Filmen kennt, existiert nicht. Menschen arbeiten einfach nicht gerne wie die Hühner auf der Stange.
Worin besteht eigentlich die Daseinsberechtigung von Großraumbüros? Unbestritten ist, dass sie Platz und damit Kosten sparen. Aber wenn man sich die Arbeitskultur ansieht und die Bedingungen, unter denen täglich gute Leistungen erbracht werden sollen? Ist der große Vorteil dann die Möglichkeit zum Austausch? Dafür gibt es doch Pausenzonen und die Kaffeeküche, für weniger Spontanes sogar Meetingräume. Gut, im Großraumbüro kann man allen Kolleg:innen gezielt etwas zurufen, ohne den Weg ins nächste Büro auf sich nehmen zu müssen – das muss aber auch kein Vorteil sein.
War es das jetzt schon mit der Daseinsberechtigung? Gegenseitige Motivation, weil alle vor sich hintippen? Möglich, lassen wir gelten. Gemeinschaftsgefühl? Na ja. Eine Studie der Harvard Business School besagt, dass nach einem Umzug ins Großraumbüro die Mitarbeitenden ihre Kontakte reduzierten. Der Wunsch nach Ruhe und Konzentration wurde größer, der nach Austausch verschwand im Hintergrund.
Man ist dem Durchgangsverkehr ausgesetzt, muss die Gespräche rundherum so gut es geht ausblenden – eine würdelose Situation. Ja, mal kann es spannend sein, zu hören, was die anderen so treiben. Aber damit, dass rundherum permanent fremde Thematiken verhandelt werden, kann unser Gehirn nicht gut umgehen. Konzentrierte Arbeit ist so nicht gut möglich, und es kommen die viel gepriesenen Noise-Cancelling-Kopfhörer ins Spiel – oder einfach »Pink Noise« auf Youtube.
Nach Corona sind die meisten Großraumbüros halb leer. Zwischen lauter verwaisten Arbeitsplätzen zu werkeln ist auch keine Freude, und überhaupt stehen die Zeichen der Zeit mittlerweile anders: Hybride Arbeitsplätze – verkleinerbar, vergrößerbar, abbaubar, höhenverstellbar, isolierbar – sind das neue Must-have. Die Arbeit soll die Arbeitsumgebung bestimmen, und die Bedingungen können jeden Tag wechseln. Man nimmt im modern eingerichteten flexiblen Workspace seine Kiste mit den Arbeitsutensilien und sucht sich den Platz mit den besten Vibes für die heutigen Tätigkeiten. Das fördert Kreativität und lässt einen aus den gewohnten und eingefahrenen Mustern ausbrechen: Wenn Ideenfindung angesagt ist, setzt man sich im Großraumbüro aka »open space« neben andere, von denen auch Input kommen kann und die sich vielleicht auch etwas Kommunikation wünschen.
»Acitvity« ist hierzu das Stichwort, im Gegensatz zu Produktivität, meine ich, denn die findet danach woanders statt: in Ruheräumen. Der moderne Workspace bietet hierfür kleinere Büros für zwei oder drei Personen, außerdem telefonzellenartige Kabinen, die schallgeschützt sind und bestmögliche Isolation für Einzelne garantieren. Die Vorstellung, da zu sitzen, löst doch gleich ein Wohlgefühl aus, oder? Ist es nicht in unserer lärmgeschwängerten Umgebung, mit all den stetig fließenden Reizen und dem Nachrichtenansturm immens wichtig, sich einen Rückzugsort zu schaffen? Wir sollten unsere Sinne wieder schonen und schulen, klar und fokussiert denken, achtsam sein, in uns etwas finden, aus uns heraus etwas leisten und schaffen.
Veronika Weiss (38) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) in Hamburg arbeitete sie dort als Lektorin. Seit 2021 ist sie frei als Texterin und Lektorin tätig. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.