Teil 8 der Unternehmensnachfolgeserie: Verkaufsverhandlungen

Wie das Cash-Debt-Free-Verfahren und "Scharnier-Modell“ helfen

17. August 2022
Redaktion Börsenblatt

Der Transaktionsberater Dieter Durchdewald erklärt unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen in einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss und was in jeder der sechs Phasen entscheidend ist. Lesen Sie hier, wie sie die Tücken bei Gesprächen über den Verkaufspreis umschiffen können - nicht nur mit Geduld und Fingerspitzengefühl, sondern auch mit Methoden, die sich in der Praxis bewährt haben.  

Sich zur Kaufpreisvorstellung frühzeitig austauschen

Während der Verhandlungsphase bedarf es von Seiten der Verkäuferin und von Seiten des Käufers viel Geduld und Fingerspitzengefühls. Dieser Zeitraum birgt zudem viel Konfliktpotential. Ein wesentliches Thema dabei ist der Kaufpreis, weshalb Sie frühzeitig darauf zu sprechen kommen sollten.  

 

Frage: Wann sprechen wir eigentlich konkret über den Kaufpreis?

Praxisbeispiel: Verlegerin und Kaufinteressent, ebenfalls Verleger, kennen sich seit Jahren von Branchentreffen. Der Kaufinteressent hat Einsicht ins Exposé genommen. Beim persönlichen Erstgespräch, es sind sogar führende Mitarbeitende beider Seiten anwesend, versichern sich alle der gegenseitigen Sympathie. Es wird über vieles gesprochen, auch über Details, aber mit keinem Wort über die im Unternehmensexposé formulierte Kaufpreiserwartung. Verkäuferin und Interessent geben sich so, als wäre dies lediglich eine Formsache, die bei der anschließenden Due-Diligence-Prüfung nur noch zu bestätigen sei. Die Verlegerin führt den Kaufinteressenten vor der Verabschiedung sogar noch durch die Verlagsräume und stellt ihn den Mitarbeitenden vor. Die gewünschten Prüfunterlagen werden übergeben und vereinbart, in vier Wochen wieder miteinander zu sprechen. Die Zeit verstreicht, die Verlegerin fragt nach, bekommt aber nur ausweichende Antworten. Mittlerweile sind zwei Monate ohne weitere Fragen und konkretes Kaufangebot vergangen. Beim wiederholten Nachfragen gibt der Kaufinteressent zu erkennen, dass die Kaufpreiserwartung weit über seiner Vorstellung liegt und es darüber hinaus grundsätzliche Bedenken im Führungskreis aufgekommen seien. – Daraufhin stellt die Verkäuferin die Gespräche verärgert ein.

 

Um von Anfang an Missverständnisse zu vermeiden und keine Zeit zu vertun, sprechen Verkäuferin und Erwerbsinteressent am besten gleich zu Beginn der Verhandlungsphase über den Kaufpreis. Dass die im Exposé genannte Summe die Verhandlungsbasis und noch nicht den endgültigen Kaufpreis darstellt, sollte auch der Verkäuferin klar sein.

 

Vom Brutto- zum Nettokaufpreis

Am Beginn der Gespräche zwischen Verkäuferin und Käufer steht üblicherweise ein Verkaufspreis im Raum, der das Ergebnis der Unternehmensbewertung nach der Ertragswerts- und Substanzwert-Methode ist und der Vorstellung der Verkäuferin und der momentanen Marktlage entspricht.

Es bietet sich an, frühzeitig über diesen vorläufigen Verkaufspreis zu sprechen und folgende Fragen zu beantworten:

  • Ist der Betrag grundsätzlich angemessen oder zu hoch für den Kaufinteressierten?
  • Welche Kaufpreisspanne ist für den Käufer akzeptabel?
  • Unter welchen Bedingungen wäre dieser Korridor für den Verkäufer akzeptabel?

Wenn ausschließlich Teile des Unternehmens - also Assets wie Warenbestände, Autorenverträge und Büroeinrichtungen zu verkaufen sind - sind diese Fragen recht einfach zu klären. Diese Positionen sind im Vorfeld meist gut und korrekt zu definieren.
Handelt es sich um einen Share-Deal, also den Verkauf des kompletten Unternehmens, werden Verbindlichkeiten, Forderungen, Kassenbestände, Gewinnrücklagen einbezogen und mitverkauft. Dann kann es deutlich schwieriger und komplexer werden, da am Tag der Unterzeichnung des Kaufvertrags beim Notar bzw. am angestrebten Übertragungsdatum, deren Wert noch gar nicht endgültig feststeht.
Um dies für beide Seiten fair zu bestimmen, bietet sich das sogenannte Cash-Debt-Free-Verfahren an.
Aber Achtung, auch dieses Verfahren wird in der Praxis unterschiedlich ausgelegt, so dass eine eindeutige Definition im Kaufvertrag oder in einer Anlage zum Kaufvertrag vorzunehmen ist!

 

Ein Beispiel für die Berechnung

  1. Die Verhandlungspartner einigen sich auf einen Bruttokaufpreis von 500.000 €.
  2. Von diesem Betrag werden die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, Banken Gesellschaftern etc., die das Unternehmen nach dem Übertragungsdatum des Verlags noch zu begleichen hat, abgezogen.
  3. Andererseits werden Forderungen, die das Unternehmen z. B. an Kunden und Gesellschafter am Stichtag hat, auf den vorläufigen Kaufpreis aufgeschlagen.
  4. Gemeinsam ist zu definieren, wie hoch die monatlich notwendige Liquidität z. B. für Miete, Personal und weitere Fixkosten ist. Ein Bedarf von zwei bis drei Monaten - man spricht vom betriebsnotwendigen Kapital - wird von der vorhandenen Liquidität (Bankguthaben und Kasse) abgezogen. Der Saldo, ob positiv oder negativ, wird entweder zum Bruttokaufpreis hinzuaddiert oder subtrahiert.
     

Das Ergebnis ist der sogenannte Nettokaufpreis, also der tatsächlich vom Käufer zu zahlende Betrag.

Ermittlung des Nettokaufpreises

Vereinbarter Brutto-Kaufpreis

                      500.000,00 €

Verbindlichkeiten per Aufstellung am Übergangstag

-62.000,00 €

Forderungen per Aufstellung am Übergangstag

35.000,00 €

Betriebsbedingte Liquidität:

 

pro Monat (22.000 €)

 

für 2,5 Monate

-55.000,00 €

Kassen- und Bankbestand

40.000,00 €

   

Nettokaufspreis

458.000,00 €

 

 

Während der Due Diligence - der Detailprüfung der Unternehmensdaten durch den Kaufinteressenten - kommen regelmäßig Dinge zu Tage, die die vorläufige Preisfestsetzung, den Nettokaufpreis, zusätzlich deutlich beeinflussen können. Das sind u. a.:

  • Altersrückstellungen in der GmbH, die entnommen bzw. ausgeglichen werden müssen
  • Stille Gesellschafter, die noch abgefunden werden müssen
  • Mögliche zukünftige Mitarbeit des Verkäufers

 

Außerdem könnten folgende Erwartungen und Wünsche bei den Verhandlungspartnern auftauchen:

  • Beschäftigungs- und Standortgarantie für Mitarbeitende seitens der Verkäuferin
  • Wunsch des Käufers oder auch der Verkäuferin, dass die Altverlegerin für eine Übergangszeit die Geschäfte weiterführt und/oder beratend zur Verfügung steht
  • Wunsch des Käufers, die Kaufsumme in mehreren Raten zu begleichen
  • Einzelne Gegenstände wie Immobilien oder Teile des Inventars sollen im Eigentum des Verkäufers bleiben

 

Diese Punkte sollten idealerweise zu einem frühen Zeitpunkt der Verhandlungen geklärt werden.

 

Frage: Wie komme ich weiter, wenn wir uns beim Kaufpreis verhaken?

In manchen Fällen sind sich Verkäuferin und Erwerbsinteressent zwar von Anfang an sympathisch und können alle Fragen zügig und fair miteinander besprechen, doch bei der Kaufpreis-Diskussion geht es nicht mehr voran, liegen die Vorstellung plötzlich weit auseinander.

An dieser Stelle scheitern dann oft die Verhandlungen oder es kommt zumindest zu unnötigen Verzögerungen. In dieser Situation kann eine neutrale Person unterstützend wirken, die vermittelt und in der verfahrenen Situation Lösungswege aufzeigt.

 

Letzte Hürden

Es ist leider kein Einzelfall, dass Verkäuferin und Käufer wochenlang über Details des Deals und die Zeit nach der Übertragung sprechen, beim Verkaufspreis aber immer noch weit auseinanderliegen. In diesem Fall ist es ratsam, eine von beiden Seiten akzeptiere Transaktionsberaterin mit der Klärung der letzten Punkte zu beauftragen.

Mögliche Kompromiss-Punkte können sein:

  • Es wird eine Ratenzahlung vereinbart, wodurch der Käufer nicht gezwungen ist, die gesamte Kaufpreis-Summe auf einmal zu begleichen, sondern Raten auch aus den kommenden Gewinnen finanzieren kann. In diesem Fall muss zwingend für die Verkäuferin eine Absicherung gestellt werden, die vertraglich festgehalten wird.
  • Der Käufer akzeptiert einen höheren Kaufpreis, weil sich die Verkäuferin bereit erklärt für eine bestimmte Zeit weiterhin operativ oder beratend tätig zu sein.
  • Ein weiterer Lösungsweg kann das sogenannte "Scharnier-Modell“ darstellen, das grob folgendermaßen funktioniert:
  1. Die Kaufpreisvorstellung der Verkäuferin bildet das „Scharnier“, ist somit die Ausgangsbasis.
  2. Die Kaufpreisvorstellung des Käufers stellt den unteren Grenzwert dar, der sofort zu zahlen ist.
  3. Die Differenz zwischen beiden Preisvorstellungen wird vom Käufer durch zukünftige Gewinne „erarbeitet“.
  4. Als Gegenleistung für diese Verzögerung, für dieses Abwarten, erhält die Verkäuferin ein „Aufgeld“.
  5. Der prozentuale Anteil ist nun so zu gestalten, dass je höher der ausgewiesene Gewinn ist, desto höher ist der Anteil des Käufers. Dadurch kann ein Anreiz zu höheren Gewinnen und ein Gegenmittel zur künstlichen Reduzierung des ausgewiesenen Gewinns entstehen.

 

Frage: Wann bekomme ich den Kaufpreis auf mein Konto überwiesen?

 

Varianten der Kaufpreiszahlung

Generell gilt, dass erst nach der notariellen Beurkundung zu den vereinbarten Terminen bezahlt wird.
Als Variante ist auch Teilzahlung möglich, womit der erste Teilbetrag z. B. bei Vertragsunterzeichnung und der zweite zum Stichtag der Übertragung fließt. Oder es wird, wie oben beschrieben, eine Ratenzahlung über einen längeren Zeitraum vereinbart. In diesem Fall ist es ist unerlässlich einen detaillierten Zahlungsplan und eine Absicherung gegen Zahlungsausfall bei Ratenzahlung in den Kaufvertrag aufzunehmen.

Dem Transaktionsberater kommt erfahrungsgemäß in Phase 5 eine entscheidende Rolle zu. Seine Aufgabe ist es, den Dialog zwischen den Verhandlungspartnern in Gang zu halten, nachgeforderte Unterlagen zu Verfügung zu stellen, direkte Kontakte von Steuerberatern und Juristen zu initiieren und zu koordinieren, ab und an als Puffer zu wirken und bei stockenden Verhandlungen gemeinsam mit den Parteien Lösungsstrategien zu entwickeln.  

Im nächsten Teil der Serie geht es darum, wie die Übertragung Schritt für Schritt am besten umgesetzt werden kann.

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