Unternehmensnachfolge in Verlagen (Teil 2 der Serie mit BerlinHorizonte)

Loslassen und Entscheidung treffen

17. Februar 2022
Dieter Durchdewald und BerlinHorizonte

Der Transaktionsberater Dieter Durchdewald erklärt unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen in einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss und was in jeder der sechs Phasen entscheidend ist. Lesen Sie hier den spannenden Fahrplan für eine gelungene Übergabe. 

Die Leuchtkraft macht den Unterschied

Wenn es um unsere eigene Zukunft geht, haben wir oft Wünsche und Vorstellungen, die vage sind, sich manchmal sogar widersprechen. Oder die spaßig gesagt, aber ernst gemeint sind, z.B.: "Ich weiß genau, was ich nicht möchte". Die geäußerten Ideen für die Zeit danach – also die Zeit, die der Unternehmensübergabe folgt - sind daher oft unspezifisch und noch nicht klar. Das wird spätestens dann zum Problem, wenn es darum geht, konkrete Schritte hin zum Verkauf des eigenen Verlags zu unternehmen. Nur wenn das Bild für die Zeit danach genügend Leuchtkraft hat, es lebendig und bunt vor Augen steht, es bereits Sehnsuchtspotential birgt, ist der erste entscheidende Schritt zum Loslassen getan. 

 

Diese Fragen können helfen

Die eigene Zukunftsvision kann man am besten und schnellsten mit einem Coaching entwickeln. Wir arbeiten mit unseren Klient:innen an ihrem DANACH mit unterschiedlichen Kreativitätsmethoden, beispielsweise mit der Walt-Disney-Strategie oder der Zukunftsprojektion.

Falls Sie Ihr vorläufiges Traumbild, Ihre Wunschvorstellung bereits vor Augen haben, überprüfen Sie es bitte auf Realitätstauglichkeit. Fragen, die bei der Klärung helfen können:

  • Ist meine Wunschvorstellung tatsächlich auf die Dauer für mich umsetzbar?
  • Wird sie mich genügend ausfüllen oder wird mir etwas fehlen?
  • Ist sie mit den Vorstellungen mir naher und wichtiger Menschen vereinbar?
  • Reichen meine finanziellen Ressourcen dafür aus?
  • Bin ich schon ein wenig ungeduldig, sie endlich umsetzen zu können?
  • Was kann ich noch tun, um meinem Wunschziel näher zu kommen?

Der Übergang vom Unternehmer zum Privatier bringt eine merkliche Identitätsänderung mit sich. Eine neue Identität für sich zu finden und aufzubauen, stellt i. d. R. eine Herausforderung dar. Über Jahrzehnte waren Sie die wichtigste Person im Unternehmen, standen Sie als Verlegerin im Licht der Öffentlichkeit. Und plötzlich gibt es diese Aufmerksamkeit nicht mehr, fehlen die fixen Termine für Branchenevents, die Ihr Jahr strukturiert haben. Berechtigterweise fällt vielen der Verlust von Status und fixen Terminen schwer. Zögern Sie bitte nicht zu lange, bereiten Sie sich frühzeitig auf diese Veränderung vor. Nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken, sprechen Sie mit Freunden und vielleicht auch mit einem Coach.

In diese sechs Abschnitte gliedert sich die Übergabe eines Unternehmens

Bewusstsein für den richtigen Zeitpunkt entwickeln

Praxisbeispiel: Die Verlegerin eines Fachverlags stirbt mit Anfang 70 völlig unerwartet. Ihre beiden erwachsenen Töchter, Mitte, Ende 20, haben studiert und sind seit Jahren willens ins Unternehmen einzusteigen, werden von der Verlegerin aber immer wieder „auf später“ vertröstet. Die ältere Tochter hat daraufhin bereits eine andere Berufslaufbahn eingeschlagen. Die jüngere arbeitet aushilfsweise im Lektorat mit, wird aber von allem Unternehmerischen ferngehalten. Die autokratische Verlegerin nimmt ihr Detailwissen zur Führung des Unternehmens mit ins Grab. Beide Töchter versuchen neben aller Trauer sich einen Ein- und Überblick zu verschaffen und das Unternehmen auf Kurs zu halten. Letztendlich gelingt ihnen das nicht und das traditionsreiche Familienunternehmen muss not-verkauft werden.

Leider ist dieses Beispiel kein Einzelfall in unserer Branche. Besonders bitter für alle Beteiligten, wenn geeignete Nachfolger bereits zur Verfügung stehen. Treffen Sie deshalb rechtzeitig eine Entscheidung zum Übergabetermin. Dafür kann die Beantwortung folgender Frage hilfreich sein:

  • Wann möchte ich das Unternehmen übergeben?

 

Mit der Übergabe nicht sofort weg

Bedenken Sie bitte, dass Sie als Alt-Verleger:in in den allermeisten Fällen vom Nachfolger gebeten sind, für eine gewisse Übergangszeit weiter operativ oder zumindest beratend zur Verfügung zu stehen. Es ist nicht selten der Fall, dass nach Kaufvertragsunterzeichnung einige Monate, manchmal sogar Jahre vergehen, bis Sie endgültig vom Unternehmen Abschied nehmen können. Übrigens, Finanz­investoren steigen häufig nur dann ein, wenn die Unternehmerin noch mehrere Jahre verantwortlich an Bord bleibt.

Treffen Sie Ihre Entscheidung zum Übergabedatum am besten unabhängig von anderen Personen oder unplanbaren Ereignissen in der Zukunft. "Wenn meine Tochter vielleicht in fünf Jahren ins Unternehmen einsteigt" oder "Wenn vielleicht Herr Müller in drei Jahren den Verlag gerne übernehmen würde" macht Sie abhängig von anderen. Selbstverständlich stellt sich die Sache anders dar, wenn Sie mit Ihrer Tochter oder Herrn Müller bereits klare Absprachen getroffen haben und ein konkreter Zeitplan existiert. In diesem Fall ist es unerlässlich, eine schriftliche Vereinbarung mit einem konkreten Zeitplan und möglichst konkreten Übergabebedingungen mit den Beteiligten zu schließen.

 

Längere Übergangsphase einplanen

Zwei Jahre vor Ihrem gewünschten Ausstiegsdatum mit der Planung zu beginnen, ist knapp. Der Verkaufsprozess zieht sich, wie oben bereits erwähnt, i. d. R. mehr als ein Jahr hin. Leiten Sie deshalb mindestens drei Jahre vor Ihrem gewünschten Abschied den Nachfolge­prozess ein. Der Zeitraum sollte noch länger sein, falls die betriebswirt­schaft­liche Situation des Unternehmens vor einer Übergabe erst noch zu verbessern ist. Denn nur ein „gesundes“ Unternehmen kann einen hohen Kaufpreis erzielen!

  • Wann beginne ich mit der Planung?

 

Veränderungsziele erarbeiten

Nehmen Sie, wenn das Enddatum für den endgültigen Ausstieg vorläufig feststeht, eine Meilenstein-Planung für die Zeit bis zu Ihrem endgültigen Ausscheiden vor. Damit geben Sie sich einen Weg vor und verlieren die Zielerreichung nicht aus dem Blick.

Ganz egal, wie Sie zu Ihrem Ausstiegsplan kommen; wichtig ist, dass er detailliert und möglichst lückenlos ist. Wir erarbeiten mit unseren Klient:innen ihr Zukunftsszenario häufig mittels einer Zukunftsprojektion, die als Ergebnis, stark vereinfacht, eine Meilensteinplanung, wie im folgenden Beispiel sein kann.

Beispiel für eine Meilensteinplanung

Wann?

Was?

Januar

Im Urlaub konkrete Gedanken zur Unternehmensnachfolge machen: Will ich aufhören, wann will ich aufhören, wer kommt als Nachfolger*in Frage, was mache ich anschließend?

Februar

Mit Partner*in oder Freund*innen über die Unternehmensnachfolge und meine Verkaufsabsicht sprechen

Februar

Mir Gedanken zur finanziellen Situation (nach einem Verkauf) machen

März

Endgültige Entscheidung für oder gegen Ausstieg/Verkauf treffen

Danach/März

Meinen Steuerberater einbeziehen und mich von ihm über die steuerlichen Aspekte eines Unternehmensverkaufs informieren lassen. Was passiert mit GmbH, Firmenrente, Firmenwagen etc.?

März/April

Informationsgespräch mit Transaktionsberatern führen, einen auswählen und eine Vereinbarung über die Begleitung schließen

April

Vertraulich mit Kollegin sprechen, ob sie eventuell übernehmen möchte und ggf. Termin setzen

April/Mai

Mit Berater Wunsch-Terminplan und komplettes Procedere besprechen: Bewertung, Exposé, möglicher Verkaufspreis, Ansprache möglicher Kaufinteressenten etc.

April/Mai

Informationen für ein Exposé und betriebswirtschaftliche Unterlagen zusammen-stellen

Juni

Jahresabschluss fürs Vorjahr sollte erstellt sein (damit Interessenten aktuelle betriebswirtschaftliche Zahlen bekommen)

Juni

Mir überlegen, ob im Unternehmen alles „aufgeräumt“ ist, ich eventuell noch etwas verändern muss, ehe ein Kaufinteressent draufschaut. Eventuell Kredit vorzeitig tilgen. Termin mit Steuerberater

Juni/Juli

Die Akquisephase beginnt, wenn das Exposé erstellt und, gestützt durch die betriebswirtschaftliche Bewertung, ein Verkaufspreis festgelegt ist. Es werden jetzt konkret mögliche Interessenten priorisiert angesprochen. Eventuell erscheint eine Anzeige in mehreren Medien.

3. Q.

Zeit für Gespräche mit Kaufinteressenten einplanen. Mit vielen möglichen Nachfragen von Seiten des Beraters und der Verkaufsinteressenten rechnen.

3. Q.

Phase der Due-Diligence-Prüfung beginnt. Hinzuziehen von externen Beratern (Unternehmensberater, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer)

4. Q.

Zeit für Verkaufsverhandlungen einplanen

4. Q. bzw. später

Letter of Intent (LoI), Verkaufsvertrag, Notartermin

 

 

Praxisbeispiel: Ein 58jähriger Verleger, der über zwei Jahrzehnte einen Publikumsverlag aufgebaut hat, kommt mit dem Wunsch zu seinem Transaktionsberater, sein Unternehmen bis zu seinem 60. Geburtstag zu übergeben. Der Unternehmer hat keine Kinder oder Angehörigen, die in den Verlag einsteigen möchten. Die interne Weitergabe an eine Mitarbeitende (Management-Buyout) hat er bereits geprüft, sie kommt allerdings nicht in Betracht. Er möchte seinen Verlag deshalb durch den Transaktionsberater mehreren Kaufinteressenten anbieten lassen. Da das Unternehmen umsatzstark und profitabel ist, stehen die Chancen grundsätzlich gut. Bereits bei der Meilensteinplanung zum Verkaufsprozess merkt der Verleger, dass der Zeithorizont nicht allzu weit und das eigene Geburtstagsgeschenk zum 60. ambitioniert ist.

Der Zeitrahmen für die Unternehmensübergabe im obigen Beispiel war äußerst eng bemessen. Der Verkauf wurde trotz der oft langwierigen Entscheidungsprozesse in großen Unternehmen an einen Branchenkonzern nach knapp zwei Jahren dennoch realisiert und der Verleger konnte bei seinem runden Geburtstag die Neuigkeit verkünden. – Manchmal braucht es auch ein Quäntchen Glück!

 

In der folgenden Phase 2 Nachfolge-/Beteiligungsform wird es um die Vorbereitung der Unternehmensübergabe gehen.
Dazu mehr im dritten Teil der Serie, der am 17. März auf Börsenblatt online erscheint. 

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