Teil 4 der Börsenblatt-Serie zur Unternehmensnachfolge

So können Sie den Unternehmenswert ermitteln

14. April 2022
Dieter Durchdewald und BerlinHorizonte

Der Transaktionsberater Dieter Durchdewald erklärt unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen in einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss und was in jeder der sechs Phasen entscheidend ist. Dieses Mal geht es um Zahlen und wie man den Unternehmenswert ermitteln kann. 

Kaufpreisvorstellung und Unternehmensbewertung

 

Viele Unternehmerinnen haben recht realistische Vorstellungen zum Wert Ihres Unternehmens. Dennoch ist eine seriöse Berechnung auf der Basis üblicher Bewertungsmethoden hilfreich, um sich zu vergewissern und in den späteren Verhandlungen sicher zu sein. Außerdem möchten die meisten Kaufinteressenten wissen, wie die Verlegerin zur Kaufpreis-Einschätzung gekommen ist - und die finanzierenden Banken des Käufers selbstverständlich auch. Lassen Sie die Bewertung unbedingt durch eine neutrale und kompetente Stelle, z.B. durch den branchenerfahrenen Steuerberater oder Transaktionsberater vornehmen.

Aber bitte bedenken Sie: Es gibt zwar die bekannten Bewertungsmethoden, nach denen der Unternehmenswert bestimmt werden kann, aber den objektiven Unternehmenswert gibt es in der Praxis nicht.

Einerseits sieht der Altverleger die Lebenszeit und die viele Arbeit, die er in sein Unternehmen eingebracht hat, weshalb er sich wünscht, dass sich diese Leistung in einem hohen Verkaufspreis widerspiegelt. Der Käufer andererseits denkt daran, das Unternehmen weiterzuentwickeln, den Verlag möglichst noch profitabler zu machen. Und ihm ist klar, dass neben der Kaufpreissumme noch weitere Investitionskosten auf ihn zukommen. Er hofft daher auf einen möglichst niedrigen Kaufpreis. Daher kommen beide nicht selten zu unterschiedlichen Wert- und Preisvorstellungen.

 

Bewertungsmethoden

Es existiert eine Vielzahl von Bewertungsmethoden. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf zwei klassische Varianten. Die erste wird als Ertragswert-, die zweite als Substanzwert-Methode bezeichnet. Beide werden wir Ihnen hier vorstellen und deren Stärken und Schwächen beschreiben.

In Kürze:

  • Das Substanzwertverfahren errechnet die Summe der mit Wiederbeschaffungspreisen bewerteten Vermögensteile und Schulden.
  • Das Ertragswertverfahren gibt die Berechnung der auf den Tag abgezinsten zukünftigen Unternehmenserfolge wieder.

Es ist durchaus üblich, beide Vorgehensweisen bei einer Wert-Ermittlung anzuwenden und daraus den Mittelwert zu bilden.

Jetzt gehen wir bei der Unternehmensbewertung ein wenig in die Tiefe. Wir möchten Sie mit unseren Ausführungen für das recht komplexe Thema sensibilisieren, Sie aber nicht unbedingt dazu anregen, die Berechnungen selbst anzustellen. Denn neben Substanz- und Ertragswert spielt auch der „Erfahrungswert“ Ihrer mit Unternehmenstransaktionen erfahrenen Begleitung eine wichtige Rolle.

 

Ertragswert–Methode

Diese Berechnung wird von folgendem Gedankenansatz gelenkt: Welchen Betrag kann ich als Käuferin mit dem Unternehmen in den kommenden Jahren als Gewinn erzielen, damit ich diese Summe für eine Rückzahlung des Kaufpreises zur Verfügung habe (Return on Investment)?
 

Die Darstellung orientiert sich am klassischen Aufbau einer Gewinn- und Verlustrechnung.

In folgenden Schritten wird eine entsprechende Tabelle erstellt:

  1. Benötigt werden die Bilanzen/Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten drei, besser fünf Jahre.
  2. Erfasst werden die erzielten Erlöse, zumindest getrennt nach klassischem Verlagsumsatz und sonstigem Umsatz. Kommen die Umsätze aus sehr unterschiedlichen Quellen, ist es meist hilfreich, diese weiter zu unterteilen.
  3. Wichtig für das tatsächliche Ergebnis ist die jährliche Veränderung des Buchbestandes. Wurde aus den verursachten Herstellkosten das Lager erweitert oder sind geringe Herstellkosten in einem Jahr Ausdruck dafür, dass aus dem Lager gut abverkauft wurde?
  4. Nun gruppiert man die Kosten zu Positionen, die für einen Verlag entscheidend sind:
    1. Herstellkosten/Materialaufwand
    2. Honoraraufwand
    3. Auslieferungs- / Vertreterkosten
    4. Werbekosten
    5. Personalaufwand
    6. Verwaltungskosten. Sind diese prozentual recht hoch, kann weiteres Differenzieren in wichtige Blöcke wie Mieten, Reisekosten oder Buchhaltungskosten sinnvoll sein.
  5. Danach fasst man alle Kosten in einer Summe zusammen
  6. Und korrigiert das Ergebnis noch um neutrale Aufwendungen und Erträge sowie die Veränderungen des Lagers und erhält
  7. das sogenannte „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“, das die Bezugsgröße für die Ertragsbewertung darstellt.

 

Beispielrechnung 1

Zu beachten:

  • Das Ergebnis ist unter Umständen anzupassen, wenn der im Unternehmen aktive Eigentümer kein regelmäßiges Gehalt bezieht, sondern sich über Gewinn-Entnahmen finanziert.
  • Steuerzahlungen werden nicht berücksichtigt, da diese je nach Gesellschaftsform und Unternehmenssitz unterschiedlich ausfallen, sie somit kein Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sind. Ferner kann der Verkäufer Steuerzahlungen, zum Beispiel durch Abschreibungen auf den Kaufpreis, anders gestalten.
  • Gibt es in einzelnen Positionen sehr große Schwankungen, z. B. bei den „Sonstigen Erlösen“ oder bei „Abschreibungen“, sollten diese erklärt und das Ergebnis eventuell angepasst werden.
  • In jedem Fall sollte Ihre Berechnung für den Kaufinteressierten anhand der Originalbilanz und der Summen- und Saldenlisten nachvollziehbar sein und keine „Fantasie-Posten“ enthalten.

Ein interessanter Nebeneffekt der Berechnung kann für Sie sein, dass Ihnen komprimiert die Seiten der Einnahmen und Ausgaben aufgezeigt werden und sie wichtige Kennzahlen erhalten. Des Weiteren geben sie einem potenziellen Käufer oder Berater, der diese Zahlen mit üblichen Branchenwerten vergleicht, Hinweise zu den Stärken und Schwächen des Unternehmens.

Darüber hinaus kann auf Wunsch ein erfahrener Berater mit Ihnen gemeinsam im Vorfeld des Verkaufs daraus gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ableiten.

 

In diese sechs Abschnitte gliedert sich die Übergabe eines Unternehmens

Beispielrechnung 2

In der Beispielrechnung 1 werden durchschnittlich circa 60 T€ pro Jahr erwirtschaftet. Da die Betrachtung des letzten Geschäftsjahres für die Bewertung wichtiger ist als die zurückliegenden, wird bei der Ertragswert-Berechnung (siehe Beispielrechnung 2) unterschiedlich gewichtet – die früheren Jahre geringer, die letzten stärker. Dadurch ergibt sich, vor allem auch aufgrund des schwachen Geschäftsjahres 2019, ein Durchschnittswert von circa 74 T€.

Dieser Wert wird anschließend mit 5 (+/- 1) multipliziert, da die Grundannahme besteht, dass der Käufer innerhalb von etwa fünf Jahren den Kaufpreis erwirtschaften können sollte.

Zu Hochzins-Zeiten wurde der errechnete Wert noch abgezinst, da der Verkäufer unmittelbar sein Geld erhält, während der Käufer den Betrag i. d. R. für einige Jahre zwischenfinanzieren muss. Diesen Schritt kann man in der momentanen Niedrigzins-Phase (noch) getrost vernachlässigen.

Somit ergibt sich für den Musterverlag eine Ertragswert-Orientierung von circa 370 T€.

 

 

Vorteile der Ertragswert-Methode:
  • Sie zeigt die Ertragskraft des Unternehmens.
  • Sie stellt klar dar, wie eine Refinanzierung des Kaufpreises möglich ist.
  • Sie berücksichtigt Besonderheiten eines Unternehmens und nivelliert einmalige Ausschläge beim Jahresergebnis.
Nachteile der Ertragswert-Methode:
  • Die Substanz, die bei einem Kauf übergeht, wird nicht berücksichtigt.
  • Sie honoriert nicht die „Aufbauleistung“ eines Verlages.
  • Kapital-Rücklagen oder Verlustvorträge in der Firma werden nicht berücksichtigt.
  • Sie stellt nur unzureichend dar, welcher Umsatz mit den Verlagsrechten in Zukunft erzielt werden kann.

Um ein vollständiges Bild des Unternehmenswerts zu erhalten, wenden wir deshalb als zweites Verfahren die Substanzwert-Methode an, die wir Ihnen im nächsten Artikel darstellen wollen.

 

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