Teil 11 der Börsenblatt-Serie zur Unternehmensnachfolge

So regeln Sie eine familieninterne Nachfolge am besten

17. November 2022
Dieter Durchdewald und BerlinHorizonte

Der Transaktionsberater Dieter Durchdewald erklärt unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen in einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss und was in jeder der sechs Phasen entscheidend ist. Dieses Mal erfahren Sie, welche Fallstricke bei einer familieninternen Unternehmensnachfolge lauern.

Nachfolge vorbereiten

Eine familieninterne Unternehmensnachfolge kann unterschiedlich gestaltet sein. In kleineren Verlagen tritt oft die Tochter oder der Sohn in die Fußstapfen des Inhabers oder der Inhaberin und führt den Verlag als Einzelunternehmen oder GmbH fort. Bei größeren Unternehmen der Branche ist es mitunter auch jemand aus dem erweiterten Familienkreis, der als geschäftsführender Gesellschafter die Leitung übernimmt. Oder der Familienspross fungiert zukünftig lediglich als Gesellschafter der GmbH und an seiner Stelle lenkt ein angestellter Geschäftsführer das Unternehmen.
 

Ob großes oder kleines Verlagsunternehmen - eine familieninterne Weitergabe stellt die beteiligen Personen aufgrund der persönlichen Nähe und der Familienkonstellationen vor besondere Herausforderungen und birgt viel Konfliktpotential.

Selbstverständlich ist es eine großartige Sache, wenn das Unternehmen in der Familie bleibt, in vielen Fällen gelingt das auch. Aber es gibt eben auch zahlreiche Negativbeispiele, anhand derer Fallstricke zu erkennen sind.

 

 

Praxisbeispiel

Der Senior hat aus seiner Sicht alles dafür getan, das Familienunternehmen bei erreichtem Rentenalter an seine Tochter übergeben zu können. Sie hat auf seinen Rat hin eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht, anschließend ein passendes Studium absolviert und arbeitet seit geraumer Zeit im Verlag eines befreundeten Verlegerkollegen, um Erfahrung zu sammeln. An Silvester eröffnet er ihr seinen Wunsch, dass sie in absehbarer Zeit seine Nachfolgerin im Unternehmen werden soll. Als sie ihm daraufhin mitteilt, dass sie mit ihrem Partner beabsichtigt im kommenden Jahr auf unbestimmte Zeit nach Kanada zu gehen und dort vielleicht eine Familie zu gründen, bricht eine Welt für ihn zusammen.

Frühzeitiger Austausch ist entscheidend

Damit der Generationswechsel im Familienunternehmen gelingt, braucht es vor allem viel Offenheit und Klarheit in der Kommunikation. Sowohl Seniorverleger als auch seine erwachsenen Kinder tun gut daran, ihre Vorstellungen über die persönliche Zukunft frühzeitig auszutauschen. Alle sollten gegebenenfalls offen und ehrlich über die Option der Unternehmensnachfolge miteinander sprechen und mit Ängsten und Zweifeln, die normal und selbstverständlich sind, nicht hinter den Berg halten.

Der Seniorverleger entwickelt idealerweise mit Anfang 60 für sich ein langfristiges Rückzugsszenario und falls ein Familienmitglied dabei eine Rolle spielt, reden beide frühzeitig miteinander. Außerdem überlegt er, ob die oder der Erwählte die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für die Führung des Verlags mitbringt und ob das Unternehmen überhaupt Aussicht hat, auf lange Sicht am Markt zu bestehen.

Die folgenden Fragen können die Entscheidung unterstützen

  • Ist das Verlagsunternehmen zukunftsfähig und trägt das Geschäftsmodell voraussichtlich auch noch in 10 oder 20 Jahren?
  • Ist die finanzielle Ausstattung gut, verfügt der Verlag über ausreichend Eigenkapital, um auch eine Durststrecke überstehen zu können?
  • Sind die geeigneten Mitarbeitenden an Bord und Schüsselpositionen optimal besetzt?
  • Wäre das Leitungsteam willens die Juniorchefin zu unterstützen?
  • Bin ich als Verleger bereit loszulassen, mich nach meinem offiziellen Abschied wirklich nicht mehr - falls von der Nachfolgerin gewünscht - einzumischen?
  • Wie und zu welchem Zeitpunkt soll die Stabübergabe erfolgen? Decken sich meine Vorstellungen dazu mit denen der designierten Nachfolgerin?
  • Bin ich finanziell nach dem Ausscheiden gut abgesichert, oder benötige ich eine „Rente“ vom Unternehmen zur Alterssicherung?
  • Was ist bis zur Übertragung von mir noch zu tun, um der Nachfolgerin den Einstieg zu erleichtern? Ist z.B. das Unternehmen bereits ökologisch nachhaltig aufgestellt?
  • Falls es weitere Kinder gibt: Müssen diese auf dem Wege der Gleichbehandlung abgefunden werden?

Auch wenn Sie ihren Verlag der Nachfolgerin kostenlos überlassen, also schenken möchten, prüfen Sie bitte unbedingt die familiären und auch juristischen Folgen!

Regeln für eine steuerfreie Übergabe an die nächste Generation

So sind insbesondere bei der Übertragung von Personen- und Handelsgesellschaften die Rechtsform des Unternehmens und ihre in den Gesellschaftsverträgen niedergeschriebenen Nachfolgeklauseln zu beachten. Bei der Übertragung von Einzelunternehmen, die durch einen privatschriftlichen Vertrag erfolgt, greifen, sofern keine Immobilien im Einzelunternehmen vorhanden sind, die Regelungen im Handelsgesetzbuch.

Auch sollten die steuerrechtlichen Folgen vor einer Schenkung geprüft werden, denn grundsätzlich fällt eine Schenkungssteuer an. Vermögenswerte in Höhe von 500.000 € an Ehegatten und 400.000 € an Kinder können schenkungssteuerfrei übertragen werden. Zudem können alle zehn Jahre die Freibeträge bei Schenkungen im Familienkreis genutzt werden.

Auch kann ein Unternehmen steuerfrei an die nächste Generation weitergegeben werden, wenn produktives Betriebsvermögen übertragen und bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Dabei kommt es auf die Anzahl der Arbeitnehmer, die Lohnsummen und die Dauer der Fortführung des Unternehmens nach Übertragung an.

Praxisbeispiel

Auch der zweite Sohn des Verlegerehepaars arbeitet nach Abschluss seines Studiums mittlerweile im Unternehmen. Der Publikumsverlag befindet sich in einem schwierigen Marktumfeld und die Umsätze und Erträge sind von Jahr zu Jahr rückläufig. Die Familienangehörigen arbeiten allesamt auf Mindestlohn-Niveau und die Seniorverleger haben keine Altersabsicherung. Die beiden Söhne treten sehenden Auges als Gesellschafter und Geschäftsführer in die hoch verschuldete Verlags GmbH ein.

 

Die Entscheidung will gut überlegt sein

An diesem Negativbeispiel zeigt sich die Verwobenheit von Familie und Unternehmen besonders deutlich. Sich den Eltern verpflichtet zu fühlen ist ehrenwert, aber die Grenze ist spätestens dann erreicht, wenn die Zukunft der Kinder auf dem Spiel steht. In Abwandlung des allbekannten weisen Spruchs der Dakota-Indianer könnte man raten: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reiten würdest, steig erst gar nicht auf!

Die designierte Nachfolgerin sollte genau überlegen, ob sie tatsächlich ihre Zukunft und Existenz auf den elterlichen Betrieb aufbauen möchte, ob dies mit ihrer persönlichen Lebensplanung übereinstimmt, ob sie gut dafür ausgebildet ist und ob das Unternehmen überhaupt zukunftsfähig ist.

Vor dem Einstieg ins Unternehmen und vor allem vor der Übernahme der Gesamtverantwortung ist es ratsam, eine persönliche Stärken- Schwächenanalyse vorzunehmen.

Die folgenden Fragen können dabei unterstützen

  • Möchte ich den Verlag weiterführen, weil dies mein tiefer Wunsch ist oder füge ich mich den Vorstellungen und Erwartungen meiner Eltern?
  • Entspricht die Führung eines Unternehmens tatsächlich meiner Lebensplanung - auch noch in 10 Jahren?
  • Ist mein soziales Umfeld stabil und trägt auch mein Partner die Entscheidung mit?
  • Bin ich gut vorbereitet auf die Aufgabe, entsprechend qualifiziert, und habe ich ausreichend betriebswirtschaftliches Wissen und Marktkenntnis?
  • Bin ich bereit, die große Verantwortung (auch für Mitarbeitende!) und eine hohe Arbeitsbelastung physisch und psychisch über lange Zeit zu tragen?
  • Bin ich kommunikationsstark, kann ich Mitarbeitende führen und bin ich stark beim Verhandeln?
  • Welche Kenntnisse sollte ich vor dem endgültigen Einstieg noch erwerben?

 

Zukunftsfähigkeit prüfen

Das Unternehmen vor der Übernahme auf Herz und Nieren zu prüfen, ist verantwortungsvolles Handeln. Jeder externe Käufer des Verlags würde den Unternehmenswert kennen und eine Due Diligence Prüfung vornehmen wollen.

Diese Fragen können für die potenzielle Nachfolgerin am Anfang der Prüfung stehen:

  • Ist das Geschäftsmodell zukunftsfähig im sich rasch verändernden Marktumfeld, ist es wirtschaftlich nachhaltig und wie könnte es positiv weiterentwickelt werden?
  • Wie hat sich der Umsatz in den letzten Jahren entwickelt, wie die Ertragskraft?
  • Verfügt der Verlag über ausreichend Eigenkapital und bleibt es nach Ausscheiden des Seniors im Unternehmen?
  • Ist der Verlag groß genug, um auch in Zukunft unabhängig existieren zu können?
  • Sind die verlegten Produkte attraktiv, im Digitalzeitalter begehrt, und sprechen sie auch ein jüngeres Publikum an?
  • Besteht noch Wachstumspotential, lassen sich Marktanteile hinzugewinnen?
  • Sind die Mitarbeitenden Innovationen gegenüber aufgeschlossen, sind sie bereit die Veränderung mitzutragen, mich zu unterstützen?
  • Zu welchem Kaufpreis übernehme ich das Unternehmen? Kann ich die Kaufpreis-Summe in überschaubarer Zeit erwirtschaften oder die Firmenrente für den Seniorverleger auf unbestimmte Zeit tragen?

Wenn die designierte Nachfolgerin bereits im Unternehmen arbeitet und einen guten Einblick in die betriebswirtschaftliche Situation und die internen Abläufe hat, ist das von großem Vorteil. Und dennoch sollte sie mit einem fachkundigen Branchen- und Transaktionsberater eine Risikoanalyse des Unternehmens vornehmen und das Unternehmen bewerten. Das wird in jedem Fall wichtig, wenn die Neuverlegerin einen Kredit zum Kauf des Unternehmens oder später einen Betriebsmittelkredit bei der Bank aufnehmen möchte. Außerdem kann die Wertfeststellung zum Übertragungsstichtag im Erbfall erforderlich werden.

Nach Durchführung der Unternehmens- und Risikoanalyse hat die zukünftige Verlegerin eine breite Basis an Informationen zum Unternehmen und kann ihre Entscheidung – für oder wider – sicher treffen.

 

Einen Plan entwickeln

Wenn sich die Familienangehörige für den Einstieg als Unternehmerin und damit für die Fortführung des elterlichen Verlags entschieden hat, ist eine sorgfältige Planung, die sie idealerweise gemeinsam mit Ihrem Transaktionsberater vornimmt, dringend zu empfehlen. Ein Masterplan mit Meilensteinen zeigt die gewünschten Entwicklungsschritte der nächsten Jahre auf. Beginnen kann die Planung beispielsweise mit der Festlegung eines Einarbeitungs- und Übergangszeitraums bis zum endgültigen Ausscheiden des Seniorverlegers. Ein entsprechendes Vorgehen gewährleistet zudem, dass die Neuverlegerin im Tagesgeschäft die definierte Richtung und das Ziel für das Unternehmen nicht aus den Augen verliert.

Viel Erfolg und gutes Gelingen!

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