Keine Angst vor Satzautomation
Automatisierter Buchsatz beschleunigt Prozesse, senkt Kosten und kann in der Herstellung als Preview-Funktion genutzt werden. Spezialisierte Dienstleister stellen ein vielfältiges Angebot bereit. Sechs Beispiele.
Automatisierter Buchsatz beschleunigt Prozesse, senkt Kosten und kann in der Herstellung als Preview-Funktion genutzt werden. Spezialisierte Dienstleister stellen ein vielfältiges Angebot bereit. Sechs Beispiele.
Automatischen Buchsatz gibt es schon seit rund 20 Jahren. Inzwischen haben sich aber dank neuer Lösungen und Standards die Prozesse vereinfacht und beschleunigt. Die Kostenersparnis ist für viele Verlage enorm und bringt die Titelkalkulation, die durch sinkende Auflagen unter Druck gerät, wieder in ein Gleichgewicht.
Das 1973 gegründete Unternehmen ist heute zu rund 50 Prozent in der Medienproduktion tätig. Der zweite Geschäftsbereich ist die Entwicklung von Publishing-Software sowie die Beratung und Begleitung von Verlagen auf dem Weg durch die digitale Transformation, vor allem mit der Auswahl und Implementierung von Media-Asset-Management- und Produktionssystemen. »Wir sind in weiten Teilen der Buchbranche unterwegs und arbeiten für Publikumsverlage, Fachverlage, aber zum Beispiel auch für Ratgeber- und Schulbuchverlage«, sagt Geschäftsführer Tobias Ott. »Wir decken den Bereich der XML-gestützten Satzproduktion vom vollautomatischen Satz über unsere Softwarelösung ›parsX‹ bis hin zu sehr layoutlastigen Werken ab.«
Einen technologischen Schub in der Satzautomation könnte der vom World Wide Web Consortium (W3C) definierte offene Standard PrintCSS auslösen, meint Ott. Mit ihm lassen sich PDFs vollautomatisch generieren – bis hinunter in Auflage eins. Gerade in Verlagen, die »online first« produzieren, kann so künftig ohne Reibungsverlust eine Printversion erstellt werden. PrintCSS kann auch während der Herstellung für Preview-Versionen genutzt werden: um zu sehen, welches Layout sich am besten für einen Text eignet oder zur Umfangsabschätzung.
Wir decken den Bereich der XML-gestützten Satzproduktion vom vollautomatischen Satz über unsere Softwarelösung ›parsX‹ bis hin zu sehr layout-lastigen Werken ab.
Tobias Ott, Pagina
Auf wissenschaftliche Zeitschriften, Fachbücher, Loseblattwerke und Belletristik ist der Satzdienstleister 3w+p Typesetting Automation Experts aus Rimpar bei Würzburg spezialisiert, der aus der 1905 gegründeten Konrad Triltsch Verlags- und Druckereigesellschaft hervorgegangen ist und später als eigene GmbH ausgegründet wurde.
3w+p arbeitet mit der selbst entwickelten Satzautomations-Software »Interactive Media Automator«, die auch bei den Verlagskunden selbst zum Einsatz kommen kann. Die Mitarbeiter*innen nutzen die Software in diesem Fall über die Cloud und können in wenigen Schritten ein Buch setzen:
Das Unternehmen in Leipzig-Plagwitz – man spricht es übrigens »L-E-Tech« aus – bietet seine Satzdienste neben Wissenschafts- und Fachverlagen auch Publikumsverlagen an. Martin Kraetke, Lead Content Engineer bei le-tex, sieht vor allem beim Fachbuch einen steigenden Bedarf: »So hat beispielsweise der transcript Verlag inzwischen 150 Titel über unseren Satzautomaten produzieren lassen.« Mit sinkenden Auflagen und zunehmender Print-on-Demand-Produktion werde das Thema Satzautomation immer wichtiger.
Le-tex hat einen eigenen Satz-Renderer gebaut, der auf einer Open-Source-Technologie basiert. Mit ihm lässt sich aus einer in XML umgewandelten Ursprungsdatei, die mit Formatierungsanweisungen in LaTeX versehen wird, ein PDF generieren. Die Open-Source-Technologie ermöglicht es le-tex, in die Programmierung selbst einzugreifen. So ist man inzwischen in der Lage, auch komplexere Texte mit Bildern, Formeln und URLs automatisch zu setzen. »Wir haben beispielsweise eine Funktion entwickelt, die erkennt, wo man eine extrem lange Webadresse am besten umbricht«, sagt Kraetke.
Der in der Branche beachtete offene Standard PrintCSS sei zwar einfacher zu handhaben, so Kraetke, in die meisten PrintCSS-Renderer lasse sich jedoch nicht so tief eingreifen.
Wir haben eine Funktion entwickelt, die erkennt, wo man eine extrem lange Webadresse am besten umbricht.
Martin Kraetke, le-tex
Der Druck- und Satzdienstleister aus Köln bietet unter anderem Satzautomationslösungen für die Erstellung von Verlagsvorschauen und für die Produktion von Buchreihen und Kalendern an. »Wir haben ein Vorschau-Tool gebaut, mit dem wir aus beliebigen Produktplanungssystemen eines Verlags eine Vorschau erstellen können, bei der alle Textkorrekturen vollautomatisch in InDesign eingepflegt werden«, erläutert PPP-Geschäftsführer Johannes Puff. »Dazu haben wir eine Schnittstelle eingerichtet, über die die Verlagsdaten im XML- oder CSV-Format eingelesen, konvertiert und anschließend in InDesign importiert werden.« Die Texte und Bilder sind in der Layout-Software fest miteinander verknüpft, sodass sich durch Textkorrekturen die Beziehungen zwischen den Elementen nicht verändern. »Der Korrekturzyklus ist auf diese Weise sehr geschmeidig geworden.«
PPP stellt auch Buchreihen wie die Reihe 111 Orte aus dem Emons Verlag auf der Basis einer Datenbank her. Hier sind die Text- und Grafikelemente bei jedem Titel nach dem gleichen Muster miteinander korreliert, sodass man Titel innerhalb weniger Minuten setzen oder aktualisieren kann. Auch Bücher mit komplizierter Layoutstruktur wie den »Varta-Führer« kann PPP heute innerhalb von zwei Stunden setzen. Früher hätte man rund vier Wochen dazu gebraucht.
Wir haben ein Vorschau-Tool gebaut, mit dem wir aus dem Produktplanungssystem eines Verlags automatisch eine Vorschau erstellen können.
Johannes Puff, PPP Pre Print Partner
Der Krefelder Dienstleister bietet Satzautomation-Services überwiegend über die in das Microsoft-365-Ökosystem eingebettete Power-App »RRP 365« an, die für jeden Kunden individuell konfiguriert wird.
In »RRP 365« können die Kunden den für sie eingerichteten Satzautomaten aufrufen. Auf der Basis von InDesign Server, APP (3B2) oder Print CSS wird dann vollautomatisch ein PDF generiert – vom Einzeldokument bis zur gesamten Publikation. Der Vorteil dieses maschinellen Prozesses: Word-Dateien können auch noch im Anschluss von Redaktion oder Autor bearbeitet werden; die Satzautomation kann anschließend ohne Aufwand erneut ausgeführt werden – was gegenüber dem herkömmlichen Satz Zeit- und Kostenersparnis bedeutet. Kunden sind vor allem Fachverlage aus dem RWS- und STM-Segment, die Fachbücher, Zeitschriften und Loseblattwerke produzieren. XML-Daten für digitale Produkte können ebenfalls automatisch generiert werden.
Als Inhouse-Projekt der Ullstein Buchverlage hat Michaela Philipzen, bis Ende 2020 Chief Technology Officer (CTO) des Verlags, im Jahr 2017 das Projekt »Pepyrus« für den automatisierten Buchsatz ins Leben gerufen. Nils Tiemann, seit 2017 Hersteller bei Ullstein und seit Anfang des Jahres Nachfolger von Philipzen als Herstellungsleiter der Ullstein Buchverlage, setzt das Projekt fort und kann eine erste Zwischenbilanz ziehen: »Nachdem es bereits Anfang 2018 erste physische Produkte gab, sind wir damit in Serie gegangen und haben inzwischen 400 Printprodukte sowie rund 600 E-Book-Titel über ›Pepyrus‹ gesetzt«.
Die Konvertierungsmechanismen bei »Pepyrus« sind eine Eigenentwicklung mit einer Oberfläche, die unter anderem an die Verlagssoftware von Pondus angebunden ist. Der Konverter, der vorstrukturierte Textdateien mithilfe des offenen Standards PrintCSS in ein PDF verwandelt, stammt vom Softwareanbieter Prince. Mit ihm lassen sich sowohl strukturierte Word-Dateien als auch HTML-Texte konvertieren. Bisher wird die Technologie vor allem beim Satz von Taschenbüchern verwendet.
Das Projekt »Pepyrus« verändert inzwischen über die Herstellung hinaus die Prozesse im gesamten Verlagshaus. So werden zwischen dem Lektorat und der Herstellung zunehmend Mitarbeiter*innen gebraucht, die Manuskripte strukturieren, copy-editieren und zugleich Korrekturen einfügen. Dazu wird eine im Verlag erstellte Formatvorlage benutzt, die beispielsweise Hierarchie-Ebenen und semantische Elemente markiert.
Zurzeit arbeitet Tiemann mit seinen Kolleg*innen an der zweiten Entwicklungstufe von »Pepyrus«: »Wir haben den Prozess für den Titelsatz vervollkommnet und stehen vor der Einführung einer zweiten Schriftart, die mehr Varianz in der Typografie erlaubt und damit einen höheren Grad an Individualisierung ermöglicht.«
PrintCSS: vom W3C definierter offener Satzstandard für die Konvertierung von XML- und HTML-Dateien in PDFs
Roundtripping: Korrektureingaben, die während des Satzprozesses in InDesign vorgenommen werden, werden automatisch wieder nach XML zurückgespielt.