Teil 12 der Börsenblatt-Serie zur Unternehmensnachfolge

Altlasten beseitigen

16. Dezember 2022
Christina Schulte

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen lassen sich Verlage derzeit gut verkaufen: Das meint Transaktionsexperte Dieter Durchdewald. Wie das geht – und wer derzeit besonders interessiert an Übernahmen ist, verrät er im Interview. Dieser Artikel ist der letzte Teil einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, in der Durchdewald unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen erklärt hat, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss.

Der geordnete Stabwechsel ist die letzte große He­raus­forderung, die Verleger:innen in ihrem Be­rufsleben zu bewältigen haben. Wie einst die Unternehmensgründung als erster Akt am Anfang, steht die gelungene Nachfolge als letzter Akt am Ende. Erst mit der vollständigen Übergabe ist das Stück tatsächlich zu Ende und das Lebenswerk gekrönt. Wie die Übergabe auch unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedinungen gelingt, weiß Unternehmensberater ­Dieter Durchdewald.

Für viele kleinere Verlage steigt der wirtschaftliche Druck. Wie wirkt sich das auf die Kauf- und Verkaufsaktivitäten im Verlagssektor aus?
Dieter Durchdewald: Die Corona-Pandemie hat sowohl aufseiten der Verkäufer als auch der Käufer vorübergehend zur Verunsicherung geführt und Verkaufsabschlüsse ver­zögert. Trotz der momentan nicht weniger schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist das seit Mitte des vergangenen Jahres nicht mehr der Fall. Zu Notverkäufen kommt es kaum. Die Verlegerinnen und Verleger wissen sehr gut, dass ein Verkauf mit schlechten betriebswirtschaftlichen Zahlen keine gute Idee ist. 

In welche Richtung entwickeln sich die Preise, die für Verlage bei einem Verkauf aufgerufen werden können?
Ein Unternehmen ist vor allem dann wertvoll für einen Käufer, wenn es ins Portfolio passt und profitabel ist. Üblicherweise haben wir mehrere Interessenten, die den angebotenen Verlag kaufen möchten. Eventuell kann durch die derzeitige Krisensituation der Käuferkreis ein wenig kleiner werden und mittelbar auch der Verkaufspreis etwas sinken. Nicht wenige Kaufinteressenten betrachten die Krise aber auch als Chance. Von großen Branchenteilnehmern wissen wir, dass sie derzeit beträchtliche Budgets für Zukäufe bereitstellen. Manche von ihnen beauftragen unsere Unternehmensberatung sogar mit der Suche nach geeigneten Verlagen.

Dieter Durchdewald

Von großen Branchenteil­nehmern wissen wir, dass sie derzeit beträchtliche Budgets für Zukäufe bereitstellen.

Dieter Durchdewald
In diese sechs Abschnitte gliedert sich die Übergabe eines Unternehmens

Wird sich die Konzentration im Verlagsbereich aufgrund 
der aktuellen weltweiten Krise weiter beschleunigen oder werden eher Verlage ganz vom Markt verschwinden?

Das Ziel unserer Unternehmensberatung ist grundsätzlich die Vielfalt unserer Branche und damit, die kleineren Verlage möglichst als Solitäre zu erhalten. Für manche Verlage finden wir Einzelpersonen, die zumeist Branchenerfahrung mitbringen, mitunter treffen wir bei unserer Akquisition auch auf Seiten- und Quereinsteiger. Doch häufig sind es größere Verlagsunternehmen, nicht nur die bekannten großen Konzerne, sondern auch inhabergeführte, die den abzugebenden Verlag übernehmen. Ist ein Verlag »gesund«, also ist er profitabel, dann findet sich in der Regel ein Käufer. Es gibt aber auch Verlage, die über Jahre quer- oder fremdfinanziert wurden. Sie tun sich schwerer damit, einen Nachfolger zu finden. Aber auch das ist nicht unmöglich. Im vergangenen Jahr gab es übrigens fürs Hörbuch noch einen Verkäufermarkt, das heißt die Nachfrage nach Hörbuchprogrammen war größer als das Angebot. Vor allem große Unternehmen waren auf Einkaufs­tour. Dieser Trend hat sich in diesem Jahr abgeschwächt. Momentan sind neben Fachbuch- auch Kinderbuch- und Belletristik-Programme gefragt. 

Wer jetzt seinen Verlag verkaufen möchte: Was sind die 
drei wichtigsten Punkte bei der Vorbereitung?

Erstens: Man sagt, dass die beiden wichtigsten unternehmerischen Tugenden das Anfangen und Durchhalten seien. Ich würde noch eine dritte hinzufügen, nämlich das Aufhören. Vielen Verlegern fällt das Loslassen schwer. Der Abschied vom gewohnten Arbeitsalltag, die Identitätsänderung und vielleicht auch der Verlust von Status ist für niemanden einfach. Damit das Loslassen gelingt, ist eine Idee für das Danach, also eine Vorstellung von der Zeit nach dem Abschied vom bisherigen Berufsleben entscheidend. Eine Auszeit zum Nachdenken und ein Coaching können dafür unterstützend wirken.
Zweitens: Der Verleger sollte rechtzeitig, möglichst zwei, drei Jahre vor der gewünschten Übertragung seinen Ausstieg sorgfältig, am besten mittels einer Meilensteinplanung vorbereiten und über seine Nachfolge intensiv nachdenken. Er sollte überlegen, wer infrage kommt – jemand aus der Familie, aus dem Verlag oder eine externe Person, ein anderes Unternehmen. Und er sollte nicht zu lange damit warten, die infrage kommende Person in seine Pläne einzuweihen – streng vertraulich versteht sich!
Drittens: Sollte es Dinge geben, die vor der Übertragung noch zu bereinigen oder zu verbessern sind, eventuell auch, um die Attraktivität des Unternehmens für einen Käufer zu steigern, sollten diese schnell angegangen werden. Das können zum Beispiel Verbindlichkeiten sein, die sich noch reduzieren lassen oder eine Lagerbereinigung, die längst überfällig ist. Die Beseitigung von Altlasten macht einen Verkauf wesentlich einfacher. 

Welche drei Fehler sollten auf keinen Fall passieren?
Erstens: Der Verleger sollte sich von Anfang an durch einen kompetenten Transaktionsberater begleiten lassen. Sein Unternehmen selbst zu Markte zu tragen, auf eigene Faust nach einem geeigneten Nachfolger zu suchen und Verkaufsverhandlungen zu führen, ist schwierig, aufwendig und mitunter frustrierend. Der Verkaufsprozess dauert Monate, wenn nicht sogar Jahre und fordert immer wieder volle Aufmerksamkeit. Mit einem kompetenten Transaktions­berater an der Seite ist das Ziel mit weniger Aufwand meist viel schneller zu erreichen. Außerdem ist in der Regel ein höherer Kaufpreis zu erzielen. 
Zweitens: Die Verlegerin sollte die Entscheidung zum Übergabedatum unabhängig von anderen Personen oder unplanbaren Ereignissen in der Zukunft treffen. Selbstverständlich stellt sich die Sache anders dar, wenn mit der Tochter oder mit Herrn Müller bereits klare Absprachen getroffen wurden und ein konkreter Zeitplan bis zur Übertragung existiert. In diesem Fall ist es unerlässlich, eine schriftliche Vereinbarung mit detaillierten Absprachen und möglichst konkreten Übergabebedingungen mit den Beteiligten zu schließen.
Drittens: Die besten Verkaufschancen bestehen, wenn der Verleger grundsätzlich bereit ist, seinen Verlag komplett, ohne jegliche Einschränkung und Bedingung abzugeben und hinsichtlich des Nachfolgers flexibel ist. Kaum ein Käufer lässt sich auf eine Minderheitsbeteiligung oder auf ein unklares Ausstiegsdatum des Altverlegers ein. 

Wobei kann ein Transaktionsberater konkret unterstützen?
Er kann den kompletten Übergabeprozess begleiten: beim Entwickeln eines persönlichen Zukunftsszenarios für den Unternehmer unterstützen. Die Unternehmensbewertung vornehmen, um einen realistischen Angebotspreis zu definieren. Eine ansprechende Unternehmensdarstellung erstellen, die dem Kaufinteressenten erste Informationen zum Unternehmen gibt. Die potenziellen Interessenten definieren und priorisiert ansprechen. Die mitunter ­schwierigen und langwierigen Kaufverhandlungen führen. Die betriebswirtschaftlichen Daten zur Verfügung stellen. Den Letter of Intent entwerfen und nicht zuletzt: den Kaufvertrag vorbereiten.

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