Karriere

Problem: Frau, Anfang 30

9. Januar 2023
Veronika Weiss

Sind diskriminierungsfreie Vorstellungsgespräche nach wie vor träumerische Zukunftsvisionen? Manche Chefs jedenfalls nehmen sich auch heute noch haarsträubende und illegale Aussagen heraus. Ein Praxisbeispiel.

Kein Witz, meiner Schwester ist letztens etwas Krasses passiert. Sie saß im österreichischen Burgenland drei alten weißen Männern gegenüber und hatte ein »eigentlich sehr nettes« Vorstellungsgespräch. Branche: Landwirtschaft im weitesten Sinn. Die Herren waren – kein Wunder – angetan von ihren Qualifikationen und ihrer Art, was sie auch artikulierten. Dennoch lag ein spürbares Zögern in der Luft. Und dann kam’s: »Das einzige Problem ist, dass Sie eine Frau ­Anfang 30 sind.« 

Wow. Mit dieser Aussage bewiesen die drei »Profis«, dass sie bei der Besetzung ihrer Stelle aufgrund von Alter und Geschlecht diskriminierend vorgehen. Es schwingt mit: Frauen Anfang 30 können schwanger werden (was nebenbei bemerkt nicht mal auf alle zutrifft). Die Aussage impliziert die Annahme, dass das bei meiner Schwester der Fall ist und sie es anstrebt, sich in nicht allzu ferner Zukunft fortzupflanzen. 

Die Männer setzen außerdem voraus, dass sie für eine längere Zeitspanne in Karenz (österreichisch für Elternzeit) gehen will, für die man sich dann um Ersatz kümmern müsste – ein augenscheinlich unzumutbarer Aufwand für die Herren Geschäftsführer. Und zu guter Letzt fehlt in dieser hinterwäldlerischen Firma offenbar das Bewusstsein dafür, dass Menschen jeglichen Geschlechts in Elternzeit gehen dürfen. Was übrigens auch nach einer Adoption oder Inpflegenahme eines Kindes ganz spontan möglich ist.

Gesetze – Schall und Rauch?

Ich konnte es nicht glauben, dass diese haltlose Vermutung im Vorstellungsgespräch so deutlich zur Sprache gebracht wurde. Es handelt sich nicht mal um eine versteckte, sondern eine offene Diskriminierung, die selbstredend laut Gleichbehandlungsgesetz verboten ist (in Österreich wie in Deutschland). 

Wenn die Stellenbesetzung nicht diskriminierungsfrei erfolgt, können Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. So viel zur Theorie.
Im Praxisbeispiel waren schon etliche positive, gelöste Gesprächsminuten vergangen, vielleicht wurde auch gescherzt. Dann scheint eine solche Aussage freilich gar nicht so aus dem Rahmen zu fallen, sondern täuscht sogar eine gewisse Vertrautheit und persönliche Ebene vor. Da ist man versucht, über einen Fehltritt hinwegzusehen. Meine Schwester hat auf ihre diplomatische Art Ruhe bewahrt und das Gespräch im Guten zu Ende geführt. Bewundernswert. Immerhin war die diskriminierende Aussage nicht als Frage gestellt.

Ansprechen – unter Umständen  Die Frage ist: Möchte ich in einer Firma mit solch zweifelhaftem Spirit arbeiten? Oder lieber nicht? Wenn mein Ansinnen sich damit schlagartig erledigt, sollte ich die gute Miene absetzen und Kontra geben. Leider halten wir uns gern alle Möglichkeiten offen, wollen keine übereilte Entscheidung treffen – absolut verständlich. Aber ich fürchte, ohne Konfrontation werden es die Personaler der veralteten Schule nie lernen. Solange Konsequenzen nur auf dem Papier stattfinden, wird das Bewusstsein fehlen und weiter diskriminiert werden. Dagegen müssen wir angehen, denn das ist wirklich ein Witz. 

UNSERE KOLUMNISTIN

Veronika Weiss (37) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.