Krisenmix bleibt nicht folgenlos

So hat der Buchhandel das Jahr 2022 abgeschlossen

5. Januar 2023
Christina Schulte

Kein Lockdown, doch dafür Krieg, Inflation und steigende Kosten: 2022 war wieder ein schwieriges Jahr. Die Kaufzurückhaltung schlägt auf Umsätze, Absätze und Preise durch. Zahlen aus dem Branchen-Monitor Buch.

Schwieriger Balanceakt: Absatz und Umsatz in der Waage zu halten

Ein komplettes Jahr, in dem die Buchhandlungen überall in Deutschland durchweg geöffnet hatten: Wie schön das doch war, auch wenn man sich nach den Corona- und Lockdown-Zeiten 2020 und 2021 erst wieder daran gewöhnen musste. Entsprechend »wild« sind in manchen Monaten 2022 die Umsatzvergleiche zu den Vorjahresmonaten ausgefallen, zudem wirken sich die großen Ausschläge auf die Jahresbilanz aus. Und die fällt folgendermaßen aus: Alle Absatzwege zusammen verzeichnen 2022 ein Umsatzminus von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das geht aus der Jahresendabrechnung des Branchen-Monitors Buch von Media Control hervor. 

Der Sortimentsbuchhandel landete dagegen mit einem Plus von 4,8 Prozent im grünen Bereich. Zur Erinnerung: 2021 waren die Buchhandlungen in den meisten Bundesländern bis zum 8. März geschlossen, in manchen Regionen sogar bis Ende April, sodass es für die Buchhändler:innen vor Ort einigen Nachholbedarf gab.
 

Es verdient große Anerkennung, dass sich Verlage und Buchhandlungen trotz dieser Entwicklungen resilient gezeigt haben.

Karin Schmidt-Friderichs

Wirtschaftlich stark gefordert

»2022 war für den Buchmarkt ein herausforderndes Jahr«, resümiert Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs. Die Corona-Pandemie hätten Buchhandlungen und Verlage mit großem Einsatz, Innovationsgeist und Kundennähe gemeistert. Jetzt stehe die Branche durch Beschaffungsengpässe, steigende Produktions- und Energiekosten sowie ein historisches Konsumtief vor neuen Hürden. »Die allgemeine Inflation führt dazu, dass auch Buchkunden und -kundinnen jeden Euro zweimal umdrehen. Zudem fehlt die Frequenz in den Innenstädten. Es verdient große Anerkennung, dass sich Verlage und Buchhandlungen trotz dieser Entwicklungen resilient gezeigt haben und ihr Engagement für das Buch und die kulturelle Vielfalt unvermindert fortsetzen«, betont die Vorsteherin. »So gehen wir auch das neue Jahr mit seinen Herausforderungen tatkräftig und selbstbewusst an«. 

Zurück zur Jahresbilanz: Bei der Auswertung aller Vertriebswege zeigt sich, dass die Bilanz etwas schlechter ausgefallen wäre, wenn sich die Durchschnittspreise pro verkauftem Buch nicht leicht erhöht hätten. Im Schnitt berappten die Kunden durchschnittlich 14,37 Euro für einen Titel, das sind 0,9 Prozent mehr als 2021. Die abverkauften Mengen hingegen reduzierten sich um drei Prozent. Bei den Editionsformen sicherten sich die Taschenbücher mit einem Umsatzplus 3,5 Prozent den größten Zuwachs. Hard- und Softcover büßten hingegen 3,6 Prozent der Umsätze ein. 

Die Betrachtung nach Warengruppen zeigt ein dynamisches Wachstum von 13,4 Prozent bei den Reisebüchern (auf schwacher Basis), gefolgt von belletristischen Titeln mit einem Umsatzanstieg von 4,3 Prozent. Alle anderen Warengruppen konnten nicht an ihre Vorjahreswerte anknüpfen.

Interessant zu sehen: Von Mai bis November 2022 gab es sieben Monate in Folge mit einer negativen Umsatzentwicklung. Zwischen Januar und April konnten Umsatzsteigerungen nur erreicht werden, wenn außergewöhnliche Effekte zu verzeichnen waren, wie etwa die Verschiebung des Ostergeschäfts oder ein beziehungsweise zwei zusätzliche Verkaufstage.

Im Sortimentsbuchhandel kam das erwähnte Umsatzplus von 4,8 Prozent durch folgende Preis-Absatz-Kombination zustande: Die Preise verharrten mit 14,28 Euro auf Vorjahres­niveau, die abgesetzten Mengen kletterten um 4,8 Prozent nach oben. Auch in den Buchhandlungen stieg die Nachfrage nach Taschenbüchern, die ein sattes Umsatzplus von 9,6 Prozent erreichten. Hard- und Softcover gewannen 3,2 Prozent hinzu. 

Bei den Warengruppen leuchten gleich vier grüne Vor­zeichen auf, wobei die Reisebücher mit plus 17,4 Prozent am bes­ten abschnitten. Auch für die Belletristik lief es gut (plus 9,9 Prozent), Kinder- und Jugendbücher legten um 4,9 Prozent zu, Ratgeber um 3,2 Prozent. Weniger zufriedenstellend, mit minus 5,7 Prozent, haben sich die Sachbücher entwickelt.

Lücke zur Vor-Corona-Zeit

Um eine bessere Vergleichsbasis zu haben und die pandemiebedingten Schwankungen auszuschalten, ist im Branchen-Monitor Buch auch ein ausführlicher Vergleich zum Jahr 2019 erhoben worden. Demnach waren alle Vertriebswege zusammen im Jahr 2022 noch 1,3 Prozent von ihren vorpandemischen Einnahmen 2019 entfernt. Zu verdanken ist diese relativ geringe Differenz vor allem dem starken Onlinebuchhandel (hier fließt auch der Internetumsatz des stationären Sortiments mit ein), der in den vergangenen drei Jahre ordentlich hinzugewinnen konnte. Eine messbare Aufwärtsbewegung gibt es bei den im Schnitt bezahlten Bücherpreisen, die sich im Dreijahresvergleich von 13,59 Euro auf 14,37 Euro erhöht haben (plus 5,7 Prozent). Die Menge der verkauften Bücher dagegen hat um 6,6 Prozent abgenommen.

Bezogen auf 2019 können nur die Hard- und Softcover eine positive Umsatzentwicklung vorweisen (plus 1,3 Prozent). Einen regelrechten Einbruch von 46,2 Prozent erlebten die physischen Hörbücher; Taschenbücher verloren 3,3 Prozent. Gestärkt aus der Pandemie hervor gehen belletristische Bücher mit einem stolzen Zuwachs von 8,6 Prozent, auch Kinder- und Jugendbücher konnten profitieren – das zeigt das Plus von 5,8 Prozent.

Im Sortimentsbuchhandel fällt der Vergleich mit dem Jahr 2019 wesentlich ernüchternder aus: Dort klafft eine ­Lücke von 7,3 Prozent. Die Editionsformen haben durchweg mit roten Vorzeichen zu kämpfen, etwa Hard- und Softcover (minus 5,3 Prozent) und Taschenbücher (minus 9,6 Prozent). 

Bei den Warengruppen ist auch in dieser Betrachtung die Belletristik besonders erfolgreich. Sie hat sich ein Plus von 3,7 Prozent erarbeitet. Alle anderen Warengruppen sind vom Umsatzlevel vorpandemischer Zeiten entfernt; bei Sachbüchern beispielsweise beläuft sich das Minus auf 15 Prozent, bei Reisetiteln auf 20,9 Prozent. Kinder- und Jugendbücher kommen vergleichsweise glimpflich davon – mit einem Umsatzrückgang von 3,9 Prozent gegenüber 2019.

Eine erfreuliche Tendenz zeigt sich bei den Bücherpreisen, die das Niveau von 2019 um 6,1 Prozent übertreffen (14,28 versus 13,46 Euro). Kein Vergnügen bereitet dagegen die Analyse der Absatzentwicklung, die einen Rückgang von 12,6 Prozent aufweist.

Versöhnlicher Dezember

Das Weihnachtsgeschäft, das 2022 genauso viele Verkaufstage umfasste wie im Vorjahr, hat allen Absatzwegen zusammen wenig Veränderungen beschert. Im Vergleich zum Vorjahr bewegte sich der Umsatz minimal nach oben (um 0,1 Prozent). Bei den Schenkenden waren im Vergleich zum Vorjahresmonat Reisebücher besonders beliebt (plus 6,4 Prozent beim Umsatz), gefolgt von der Belletristik (plus 4,9 Prozent) und den Kinder- und Jugendbüchern (plus 2,1 Prozent).

Beim Rückblick auf den Dezember 2019 zeigt sich ein Umsatzminus von 0,6 Prozent. Das Weihnachtsgeschäft bewegte sich also in einem ähnlichen Umsatzkorridor wie damals. Federn lassen muss die Branche im Mehrjahresvergleich allerdings beim Absatz: Er bleibt mit einem Minus von 8,1 Prozent deutlich hinter der Weihnachts­saison 2019 zurück.

Ein schönes Dezember-Plus im gerade abgelaufenen Jahr erzielten die Buchhandlungen vor Ort. Sie toppten ihre Vorjahresumsätze im Weihnachtsmonat um 5,6 Prozent. Bemerkenswert ist die um 3,7 Prozent höhere Absatzmenge verbunden mit einem Preisanstieg von 1,8 Prozent.
Weniger erfreulich stellt sich die Dreijahresbetrachtung im Sortiment dar: Die Umsatzdifferenz zum Dezember 2019 beläuft sich auf fünf Prozent. Auch hier schlägt die rückläufige Absatzmenge besonders ins Kontor – mit einem Minus von 12,1 Prozent. Der Durchschnittspreis für ein verkauftes Buch zog dagegen um 8,1 Prozent an, sonst wäre die Bilanz noch schlechter ausgefallen.

Wird 2023 ein gutes, ein durchwachsenes oder ein schwieriges Jahr? Prognosen sind in der derzeitigen Situa­tion schwierig. Nur eines lässt sich jetzt schon sagen: Für die Statistik wird es auf jeden Fall einfacher, denn dann können wieder zwei Jahre mit durchweg offenen Läden miteinander ver­glichen werden.