Deutscher Jugendliteraturpreis 2023

Deutscher Jugendliteraturpreis: Die Gewinner stehen fest!

20. Oktober 2023
Stefan Hauck

Eine schlagfertige Ministerin, große Begeisterung für die nominierten Titel im bis fast auf den letzten Platz besetzten Saal, eindrückliche Bilder: Am Freitagabend wurden auf der Frankfurter Buchmesse von Lisa Paus die Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises bekanntgegeben. Der Sonderpreis für das "Gesamtwerk als Autor" ging an Alois Prinz.

Die Autorin Kathrin Köller, Michaela Binder und Illustratorin Imela Schautz (von links) werden bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreis mit der Momo-Trophäe ausgezeichnet. Sie erhalten den Preis für das beste Sachbuch für „Quergestreift. Alles über LGBTIQA+“.

"Unser Bildungsgebäude steht in Flammen"

"In die 'Gud Stubb', wie die Hessen sagen, gehören Gäste aus dem In- und Ausland", gab Ralf Schweikart, Vorsitzender des Arbeitskreises für Jugendliteratur, den Ton vor, und an Buchmessedirektor Juergen Boos gewandt: "Sie sehen, bei uns sind sogar die rechten Ränge besetzt, aber nicht von Rechten.. Wer lesen kann, der wählt sowas nicht." Kritisch setzte sich Schweikart mit den Bildungsausgaben auseinander. Was sich in punkto Leseförderung in den vergangenen Jahren getan hat, fasste Schweikart in ein Bild zusammen: "Unser Bildungsgebäude steht in Flammen. Wir stehen davor und wir wünschen, dass endlich der Löschzug kommt und das Feuer löscht. Statt des Löschzugs fahren aber 16 Kleinwagen vor, und Menschen unterschiedlicher Kompetenz steigen aus und versuchen erst einmal, die Lage zu beurteilen. Und einer sagt, wenn der Wind so steht, geht das Feuer ja vielleicht von selbst aus, und ein anderer, solange das Lehrerzimmer noch nicht brennt, machen wir noch nichts, und das Feuer brennt weiter. Es brennt auch weiter, wenn man einfach nur Buchgeschenke reinwirft", fand Schweikart deutliche Worte und erwähnte Hamburg und den dort hohen Stellenwert des Lesens, wo es im Unterricht jeden Tag 25 Minuten Lesezeit gibt.

"Wir brauchen bildungswirksame Konzepte und zwar nicht irgendwann - sondern jetzt!", forderte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins. "Sie alle hier im Saal ermöglichen es durch Ihre ganz unterschiedliche Arbeit, dass Kinder Freude beim Lesen erleben", zollte Schmidt-Friderichs dem Engagement der Buchhändler:innen, Verlagsmitarbeiter:innen, Bibliothekar:innen etc. Respekt.

"Der Deutsche Jugendliteraturpreis ist eine Institution, ihn gibt es seit 67 Jahren", so Lisa Paus, Bundesministerin für Familie. Sie hatte im Archiv des Ministeriums gegraben. Dort fand sie das Buch "Das Rad in der Schule", in dem Kinder es schaffen, dass wieder Störche im Dorf nisten. "Dass Kinder die Welt verwandeln können, das zieht sich wie ein roter Faden durch die Nominierungen des Preises. Und das gilt es zu unterstützen."

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeichnet die Illustratorin und Autorin Tanja Esch aus. Die Autorin erhält den Preis für das beste Kinderbuch: „Boris, Babette und lauter Skelette“.

Die Siegerinnen der Kritikerjury

In der Sparte Bilderbuch hat die Kritikerjury den Preis Benjamin Gottwald für "Spinne spielt Klavier" (Carlsen) zuerkannt. "Ich hab ganz viele Leute gefragt 'Ich mach da so ein Buch über Geräusche ... guck mal, hast Du was gehört...?", sagte Gottwald. "Das Buch ist Vielfalt par excellence, ein Wachmacher, ein Buch für alle, das jeden aktiviert", so die Vorsitzende der Kritikerjury.

In der Sparte Kinderbuch gewann "Boris, Babette und lauter Skelette" (Kibitz) von Tanja Esch, eine gelungene Kindercomickunst. "Ich mochte früher das Urmel so gerne, das hatte auch einen kleinen Sprachfehler", erinnerte Esch. "Gerade bei Kindern, die keine Lust haben, lange Texte zu lesen, da helfen Comics, da motivieren und unterstützen die Bilder", meinte Esch. "Babette ist einfach ein herrliches Wesen, da weiß man gar nicht so genau, was sie ist."

In der Sparte Jugendbuch ging die Momo an Chantal-Fleur Sandjon für "Die Sonne so strahlend so Schwarz" (Thienemann). "In dem Buch über eine der ersten Schwarzen Aktivistinnen tanzen die Buchstaben übers Papier", hob Moderatorin Vivian Perkovic hervor. "Für mich ist Sprache mit Bildern verknüpft", erklärte Sandjon und erzählte über die enge Zusammenarbeit mit der Herstellung,  "Was ist gerade das drängstende?", fragte Paus direkt - "Was gerade ansteht: Immer wieder Raum zu machen für Begegnungen - dadurch können ganz viele Ängste und Vorurteile genommen werden", so Sandjon.

"Warum länger hinauszögern", meinte Ministerin Lisa Paus, "ich öffne jetzt einfach den Umschlag  ..." und nannte als Gewinnerin in der Sparte Sachbuch "Queergestreift. Alles über LGBTIQA+" (Hanser) von Kathrin Köller und Irmela Schautz. "Ein Augenöffner, den wir uns alle wünschen", so Juryvorsitzende Iris Kruse. "Warum braucht es das  Buch?", fragte Paus. "Es ist höchste Zeit, dass sich auch die Mehrheitsgesellschaft damit auseinandersetzt", meinte Köller. "Es ist gar nicht so einfach, Klischees illustratorisch aufzubrechen", erklärte Illustratorin Irmela Schautz. "Ihr müsst nicht alles verstehen, nicht von allem Ahnung haben, aber ein gewisses Maß an Respekt ist notwendig", so Köller an die Jugendlichen im Saal.

Der Siegertitel der Jugendjury

Wie gewohnt stellten Vertreter der Jugendjury die von ihnen nominierten sechs Titel in beeindruckenden gespielten Szenen vor und arbeiteten die Charakteristiken der Bücher heraus. Die sechs Leseclubs votierten mehrheitlich für Liz Kesslers "Als die Welt uns gehörte" (Fischer KJB) als Siegertitel. "Incredible", so der Kommentar von Liz Kessler, der in einem Video eingespielt wurde. Übersetzerin Eva Riekert erläuterte, wie sie sich in die Personen hineinversetzt, um für die Übersetzung den jeweils eigenen Ton zu finden.

Sonderpreis Junge Talente

Den Sonderpreis "Junge Talente" hat die Jury Annika Büsing zuerkannt für "Nordstadt". "Eine sozial prekäre Situation, aber das Menschliche siegt, das hat es uns leicht gemacht bei der Entscheidung", meinte Vorsitzende Birgit Schollmeyer, bekannt als Braunschweiger Buchhändlerin und durch ihren Podcast "Birgit packt aus". 

"Durch Ihre Biografien lernen Leser Persönlichkeiten kennen", lobte Schollmeyer den Gewinner des Gesamtwerks, Alois Prinz.. "Jugendliche können durch Ihre Werke erfahren, dass sie nicht allein dastehen, sie können Lebensgeschichten anderer entdecken und Orientierung erfahren. Sie haben sich immer für Menschen entschieden, die keine geraden Lebensläufe haben." Schollmeyer ging auf Prinz' Bandbreite ein, von Hannah Ahrendt bis Franz von Assisi, von Ulrike Meinhof bis Hermann Hesse. Prinz gestand, ihn interessiere besonders die Einheit von Denken und Handeln; die Personen seien keineswegs immer Vorbilder, denn man könne auch aus negativem Verhalten etwas lernen. Ganz besonders dankte Prinz Frank Griesheimer, seinem Lektor, der ihn seit dem ersten Buch begleitet.