Es geht nicht um die Empörung einer Gruppe von Aktivisten auf Social Media, sondern um die Kritik der Betroffenen. Es gibt auch keine Zensur, weil nichts verboten wurde, sondern nur Rücksicht genommen. Es steht auch keine Bücherverbrennung vor der Tür, weil das aus einer Diktatur hervorgegangen ist und es gerade um das Gegenteil geht - um Vielfalt, darum, allen zuzuhören und alle verstehen zu wollen.
Und dann heißt es oft, dass die Kritik ja "nur" von einer Minderheit kommt. Aber ist es nicht ein Fortschritt, dass wir auf Minderheiten hören, Rücksicht nehmen? Wachsen wir denn nicht genau so als Gesellschaft?
Und dann heißt es, kulturelle Aneignung sei doch etwas Schönes, wir essen z.B. ja auch gerne "Pizza". In der Zeit, in der man so einen schiefen Vergleich in die Kommentarspalten tippen kann, hätte man den Begriff auch einfach bei Wikipedia suchen können: "Im engeren Sinn wird als 'kulturelle Aneignung' angesehen, wenn Träger einer 'dominanteren Kultur' Kulturelemente einer 'Minderheitskultur' übernehmen und sie ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext stellen.' Geschichten aus anderen Ländern sind also nicht alle automatisch kulturelle Aneignung und die Pizza auch nicht – Glück gehabt.
Ravensburger hat nach einer falschen Entscheidung die richtige getroffen (auch wenn der Grund für das Zurückziehen natürlich nicht die "negativen Rückmeldungen" sein sollten, sondern der Inhalt des Buchs). Warum sollte man einen verletzenden Inhalt publizieren, um eine Diskussion zu ermöglichen, die es ja offensichtlich auch gerade ohne das Buch gibt?
Dass Karl May ein Kind seiner Zeit war, ist keine Entschuldigung, wenn diese Zeit eine ist, in der es egal war, wie sich Menschen außerhalb des eigenen Dunstkreises fühlen, eine Zeit, in der man das noch nicht einmal mitbekommen hat.
bei mir bleibt ein sehr ungutes Gefühl zurück, beim Lesen Ihres Kommentars. Weitgehend ist das ja alles klar, verständlich, diskutierbar. Es wird aber in einem Ton vorgetragen, den man sanfte Nötigung nennen könnte. Das hatte ich alles schon in den Siebzigern. Es war damals so unangenehm wie heute. Und, ehrlich, mir ist der neue Film und der alte Winnetou egal, habe ich nie gelesen. Aber die derzeitige Diskussion verleitet mich dazu, Karl May zu verteidigen.
Das zentrale Problem, weshalb so viele Menschen bei diesem Thema, bei Gender-Fragen, bei Klima-Diskussionen so gereizt reagieren scheint mir eben doch ein diktatorischer Grundzug zu sein. Man nannte das mal Sozialtechnologie. Die geplante Veränderung der Gesellschaft. Ein Form der Manipulation, die eben das Gegenteil von Demokratie, von Meinungsfreiheit oder Freiheit überhaupt ist. Eine Minderheit hat sich das ZIel gesetzt, die Gesellschaft und ihr Verhalten zu ändern, gegen deren Willen. Mit der Begründung, dass die Mehrheit eben zum richtigen Verhalten gezwungen werden muss.
Wir hatten das in der Geschichte mehrfach, es waren immer dunkle Zeiten. Ich habe zum Glück nur die Phase miterlebt, in der Terroristen und etwas später Anti-Atom-Aktivisten meinten, dass die Gesellschaft auch gegen ihren Willen und mit Gewalt gezwungen werden muss, wenn sie vom Verstehen her eben noch nicht so weit ist. Und das scheint mir heute wieder der Fall zu sein. Da geht es dann doch um die Offene Gesellschaft und ihre Feinde und die Vergleiche mit anderen Diktaturen sind nicht nur reflexhaft, sie sind leider auch nicht ganz falsch.
Der Dialog ist viel leichter, wenn man dem anderen die Freiheit zur Entscheidung lässt.
vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihre Überlegungen!
Es ging mir gar nicht darum, anderen meine bzw. eine andere Meinung aufzuzwingen, sondern nur nachvollziehbar zu machen, warum man auch der Meinung sein kann, dass Ravensburger da eine richtige Entscheidung getroffen hat. Ich gebe Ihnen Recht, dass es mir manchmal nicht gelungen ist, herauszustellen, dass mein Kommentar sehr subjektiv und nicht allgemeingültig ist. Es klingt manchmal so, als würde ich bei einzelnen Punkten keine Diskussion zulassen. Er ist auch nicht lösungsorientiert genug und zeigt nicht, wie man es vielleicht besser machen könnte (z.B. die tatsächlichen Geschichten der Natives erzählen). Mein Text war eine direkte Reaktion auf die große Empörungswelle, in der die Mehrheit der Meinung war, man hätte das Buch veröffentlichen müssen und es gäbe mit dem Buch auch keine Probleme.
Ich nehme es nicht so wahr, dass die Kritik an dem Buch diktatorische Grundzüge hat. Aber ich habe diese Zeiten nicht miterlebt und den Beitrag deshalb anders geschrieben und Sie haben eine ebensolche Phase miterlebt und den Beitrag deshalb natürlich anders gelesen und die gesamte Diskussion anders verfolgt.
Demokratie ist immer auch eine Bildungsfrage. Um zu wissen, was man wirklich will, muss man sich mit einem Thema auseinandergesetzt haben. Wenn man die Klimakrisen-Diskussion als Beispiel nimmt, werden da radikale Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise von großen Teilen der Bevölkerung nicht „gewollt“, weil sie eben unmittelbar die eigene Lebensqualität verschlechtern würden. Wenn man aber den Wirkzusammenhang besser erklären und vermitteln würde, würde es vielleicht für einige Maßnahmen eine größere Zustimmung geben. Entscheidungen sind also nie nur gut oder schlecht. Und um wirklich zu einer Willensbildung zu kommen, müsste man sich mit allen Facetten auseinandersetzen oder sich dem zumindest annähern. Um wirklich wissen zu können, was man will, braucht man Entscheidungsgrundlagen und gerade geht es mir und auch vielen anderen darum, diese zu schaffen und auf die Erfahrungen der Natives aufmerksam zu machen. Und natürlich ist es in der aktuellen Debatte viel zu kurz gedacht (und in meinem Artikel auch) zu sagen, dass die Informationen ja da sind und man sich z.B. mit Erfahrungsberichten der Natives auseinandersetzen kann, denn es gibt dabei, finde ich, eine Hol- und eine Bringschuld. Wo könnte man Erfahrungsberichte besser platzieren, wo mehr über die Geschichte informieren? Und ich bin überzeugt, dass das der Weg ist und keine Militanz.
„Manipulation“ suggeriert dann, dass man etwas Schlechtes für die Gegenseite im Sinn hat, aber das ist ja gar nicht der Fall. Es geht um eine offene Diskussion, wie sie ja hier gerade stattfindet.
Und natürlich kann man am Ende der Diskussion sagen, dass man findet, das Buch hätte veröffentlicht werden sollen, obwohl es Stereotype fördert und im Zweifel Native Americans verletzt. Ich esse auch Käse und weiß, dass das den Tieren und der Umwelt nicht guttut. In einer Demokratie hat man eben glücklicherweise viele Freiheiten. Und so darf man natürlich auch das N-Wort benutzen und man darf auch ein Buch mit rassistischen Inhalten veröffentlichen, man sollte sich aber der eigenen Verantwortung bewusst sein und Kritik aushalten, denn auch das fällt unter die Meinungsfreiheit.
Und zur Demokratie gehört auch die Gleichheit und Freiheit aller Bürger und wenn dann eine Minderheit nicht gehört und deren Erfahrungen nicht ernst genommen werden, ist das auch nicht demokratisch.
Es ist immer die Frage, wie man den Debatten begegnet und, wie man sich dabei verhält und da liest sich mein Text zu sehr als Angriff. Ich bin auch gerade noch dabei, einen guten, einen richtigen Umgang damit zu finden.
Sie schreiben: "Ich habe zum Glück nur die Phase miterlebt, in der Terroristen und etwas später Anti-Atom-Aktivisten meinten, dass die Gesellschaft auch gegen ihren Willen und mit Gewalt gezwungen werden muss, wenn sie vom Verstehen her eben noch nicht so weit ist."
Damals gab es noch einen funktionierenden Rechtsstaat, der nicht auf dem linken Auge blind war. Aber auch die Politik lehnte jegliche Art von Extremismus ab.
Heute sind die Zeiten leider anders.
- Es werden Extremisten mit Steuergeldern finanziert, siehe z.B. das Buch "Staats-Antifa".
- Es werden Meinungs- und Pressefreiheit aktiv mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz seitens des Staates bekämpft.
- Es werden schleichend Straftatbestände, wie "Delegitimierung des Staates" eingeführt, die mich persönlich an das Strafrecht der "DDR" erinnern.
- Es werden freie Medien, u.a. Reitschuster, Achgut und Tichys Einblick, die Bank- und Paypalkonten, die Youtube-, Twitter, und Facebookkanäle gesperrt.
- Es werden Buchhandlungen angegriffen.
- Es werden sogenannte rechte Verlage diffamiert und auf Buchmessen angegriffen und ausgegrenzt.
- Es wird die wissenschaftliche Diskussion (z.B. bei Themen wie: "ist der Klimawandel menschgemacht", "Schäden der Coronamaßnahmen und Impfung größer als die Infizierung mit dem Virus", "es gibt biologisch nur zwei Geschlechter") seitens des Staates und von Extremisten verhindert und unterdrückt mit den fiesesten Mitteln
- Nicht woke Politiker überfallen, körperlich verletzt, ihr Hab und Gut abgefackelt
All die Dinge geschahen schon einmal und die beiden Autoren Erika und Golo Mann gaben davon Zeugnis ("Wenn Lichter ausgehen" und "Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland").
Aber auch "DDR"-Bürgerrechtler, u.a. Vera Lengsfeld, Angelika Barbe und Sigmar Faust erkennen, daß sie ähnlich wie in der "DDR" für Freiheiten kämpfen müssen und ähnliche negative Erlebnisse (Diffamierung, Ausgrenzung und Festnahmen) haben.
Ich beobachte, daß eher die Menschen aus dem Westen, insbesondere die sogenannten intelligenten, aufgeklärten Personen sich der Problematik nicht bewußt sind, bzw. sein wollen. So wird darüber sich ausgetauscht, ob es nicht doch richtig wäre, die ein oder andere Freiheit einzuschränken, die Diffamierung einer Person deren Meinung man nicht teil nicht, hinzunehmen, statt die Freiheit zu verteitigen. Ganz nach dem Motto: Der Zweck (die Verhinderung der anderen Meinung), heiligt die Mittel (Diffamierung, Ausgrenzung usw.)
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte." Martin Niemöller
Wer protestiert, wenn der Ulmer Verlag diffamiert, ausgrenzt und mit Kontokündigungen, Youtube-, Twitter, und Facebooksperren palttgemacht werden soll?
in keiner der angesprochenen Fragen gibt es eine einfache und eindeutig richtige oder falsche Entscheidung. Jede Entscheidung sollte respektiert werden. Ein Autor schreibt oder schreibt nicht, ein Verlag veröffentlicht oder nicht, ein Händler bietet an oder nicht und ein Leser kauft und liest oder nicht. Das alles sind individuelle Entscheidungen, für die es Gründe gibt. Wenn man Einfluss auszuüben versucht, damit eine dieser Entscheidungen nicht stattfindet, dann fängt das Problem an. Aufklärung, Überzeugung, Erziehung, Überredung, Manipulation, Zwang, die Methode und die dahinter liegenden Motive sind heikel.
Wir lernen alle, dass verschiedene Formen von Gewalt, staatlicher oder gesellschaftlicher, auf Minderheiten gravierende Auswirkungen hat, und dass die Aufmerksamkeit dafür in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Das erfordert ein Umdenken und Umlernen, ein Prozess, der bei den einen früher ankommt, bei manchen auch schneller geht. Aber wenn wir wollen, dass möglichst viele lernen, dann nur, indem wir allen dazu die Freiheit geben. Sobald das Lernen erzwungen wird, können wir davon ausgehen, dass es nicht den gleichen Wert hat.
Deshalb müssen wir auch akzeptieren, wenn viele da noch anderer Meinung sind. Und das sollten wir auch deshalb respektieren, weil wir selbst vielleicht einen Schritt wieder zurück gehen müssen, weil wir uns geirrt haben. Dafür ist Diskussion und Streit wichtig.
Und deshalb müssen Sie sich auch nie entschuldigen vielleicht zu hart, respektlos etc. diskutiert zu haben. Es geht um die Argumente, nicht die Emotionen. Da sollte jeder groß genug sein, um das eine vom anderen trennen zu können.
Ich habe wie gesagt nie Winnetou gelesen. Aber ich war begeisterter Leser von Harka und das hat mich für die Kultur der Indianer begeistert. Ich habe danach zahlreiche Jugendbücher über die Kultur gelesen, gelernt verschiedene Stämme zu unterscheiden und auch von Dee Brown Begrabt mein Herz. ... gelesen. Es gibt keinen direkten Weg von Winnetou zum Rassismus, es kann auch genau umgekehrt gehen. Irgendwie müssen wir mit einem Thema in Kontakt geraten. Danach ist es unsere Aufgabe, in der Auseinandersetzung damit zur angemessenen Bewertung zu kommen.
Es gibt auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft noch tausend wichtige Fragen. Deshalb sollte das primäre Ziel sein, möglichst vielen Freude an der Diskussion um diese Fragen zu vermitteln und nicht, sie ihnen zu verleiden.
Herzliche Grüße und vielen Dank für die Diskussion!
Matthias Ulmer
Das sich Herr Schäfer (wie angekündigt), tatsächlich als diskussionsbereit gezeigt hat, hätte ich nicht erwartet und ich danke ihm dafür.
Die Befürworter des „Ravensburger Bücher-Einstampfens“ hingegen, klingen für mich wie eine kaputte Schallplatte, die den immer wieder den gleichen Text abspielt. Die Auseinandersetzung mit den Gegen-Argumente findet dadurch nicht statt.
Mich erstaunt, dass „diese Sache mit Ravensburger“ in der aktuellen Printausgabe des Börsenblatts mit keinem Wort Erwähnung findet. Ist das Thema ist also schon wieder erledigt und hat keine weitere Relevanz mehr für die Branche? Medienkritiker könnten mutmaßen, dass die Chefredaktion das Thema „runterkochen“ und einen guten Anzeigenkunden nicht verprellen möchte. Fragt sich nur, ob für Buchverlage die Strategie „Augen zu und durch“ auch für zukünftige Shitstorms geeignet ist.
Wie in den letzten Jahren, wird auch in diesem Oktober das Getöse um die rechten Verlage wieder losgehen. Mittlerweile kann man die Uhr danach stellen. Das Argument der Messegesellschaft, dass Verlage nicht aus moralischen sondern nur aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen abweisen zu können, wird von den „Aktivisten“ weiterhin ignoriert werden. Auch dort herrscht die Auffassung, man stehe ja auf der „richtigen“ Seite, deshalb dürfe man....
Tja, es ist sehr ermüdend, aber die Branche wird diese neuzeitlichen Anfechtungen in ihrer manchmal etwas ärgerlichen, aber irgendwie auch charmanten Verschnarchtheit überstehen.
PS: Nachdem zwei druckfrische Bücher und ein Puzzle (ca. 30-40 Paletten) eingestampft wurden, dürfte es nun einem Backlist-Titel an den Kragen gehen. https://www.oetinger.de/buch/die-olchis-im-land-der-indianer/9783789109485
PPS: Unter „Häufig kommentierte Artikel“ steht auf dem 1. Platz ein Beitrag „Fachkräftemangel“ vom 3. August (2 Kommentare). Das sind eben die wirklichen Probleme der Branche!