Es geht nicht um die Empörung einer Gruppe von Aktivisten auf Social Media, sondern um die Kritik der Betroffenen. Es gibt auch keine Zensur, weil nichts verboten wurde, sondern nur Rücksicht genommen. Es steht auch keine Bücherverbrennung vor der Tür, weil das aus einer Diktatur hervorgegangen ist und es gerade um das Gegenteil geht - um Vielfalt, darum, allen zuzuhören und alle verstehen zu wollen.
Und dann heißt es oft, dass die Kritik ja "nur" von einer Minderheit kommt. Aber ist es nicht ein Fortschritt, dass wir auf Minderheiten hören, Rücksicht nehmen? Wachsen wir denn nicht genau so als Gesellschaft?
Und dann heißt es, kulturelle Aneignung sei doch etwas Schönes, wir essen z.B. ja auch gerne "Pizza". In der Zeit, in der man so einen schiefen Vergleich in die Kommentarspalten tippen kann, hätte man den Begriff auch einfach bei Wikipedia suchen können: "Im engeren Sinn wird als 'kulturelle Aneignung' angesehen, wenn Träger einer 'dominanteren Kultur' Kulturelemente einer 'Minderheitskultur' übernehmen und sie ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext stellen.' Geschichten aus anderen Ländern sind also nicht alle automatisch kulturelle Aneignung und die Pizza auch nicht – Glück gehabt.
Ravensburger hat nach einer falschen Entscheidung die richtige getroffen (auch wenn der Grund für das Zurückziehen natürlich nicht die "negativen Rückmeldungen" sein sollten, sondern der Inhalt des Buchs). Warum sollte man einen verletzenden Inhalt publizieren, um eine Diskussion zu ermöglichen, die es ja offensichtlich auch gerade ohne das Buch gibt?
Dass Karl May ein Kind seiner Zeit war, ist keine Entschuldigung, wenn diese Zeit eine ist, in der es egal war, wie sich Menschen außerhalb des eigenen Dunstkreises fühlen, eine Zeit, in der man das noch nicht einmal mitbekommen hat.
vielen Dank für diesen exzellenten Artikel, dem ich eine möglichst breite Leserschaft auch ausserhalb des Börsenblatts wünsche.
Die Bücherverbrennung der Nazis kam nicht aus dem Nichts, sondern zuvor fand (so wie derzeit) ein Cancel-Culture statt.
Wie es mal war und wie es kommen wird und zum Teil schon ist, berichtet Golo Mann in seinen „Erinnerungen und Gedanken“. Die Cancel-Culture der Weimarer Republik endete am 30. Januar 1933. Aus dem Radau einer Minderheit wurde Staatsterroismus.
Unter Zensur wird im allgemein auch verstanden, wenn die Verbreitung unerwünschter Inhalte von Extremisten unterdrückt und verhindert wird.
Das trifft hier zu und ist somit ein Angriff auf die Menschenrechte, wie die Rede‑, Forschungs- und Publikationsfreiheit.
Wenn man Cancel-Culture und Zensur verharmlost (weil es die richtigen Inhalte sind die unterdrückt werden) zeigt man auch, daß Menschenrechte nicht für alle Menschen zu gelten haben.
Mark Twain schrieb einst: "Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen – vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir."
Es ist auch kein Angriff auf die Menschenrechte, weil es kein Recht auf Veröffentlichung von Verlagen gibt. Verlage entscheiden jeden Tag zahlreiche Bücher nicht zu veröffentlichen und so hat man sich hier entschieden, einen Titel zurückzuziehen.
Ob es die richtigen Inhalte sind, die unterdrückt werden, kann man ja diskutieren und das passiert ja gerade auch sehr lebhaft. Ich glaube, dass es richtig war und habe gleichzeitig schon schlaue Argumente von Menschen gehört, die es nicht richtig fanden.
Indianer in diesem Fall jedenfalls nicht, siehe Indianer sprechen Klartext nach Winnetou-Verbot: https://www.youtube.com/watch?v=BqJ_kFct7_Q&t=97s
Die Buchbranche, an erster Stelle der Börsenverein mit der IG Meinungsfreiheit, muß endlich entschieden die Menschenrechte in unserem Land verteidigen und Opfer von Cancel Culture zur Seite stehen, auch wenn man nicht die selbe Meinung des Opfers der Extremisten hat.
"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." (unbekannt)
- weil es ähnliche Mechanismus sind (extremistische Minderheiten wollen unerwünschte Inhalte verbieten)
- weil die Nazis nicht aus dem Nichts kamen - die Vornazizeit war auch geprägt von Cancel Culture
Der Verweis hilft die Frage zu beantworten: Sind wir in einer vordiktatorischen Zeit, bzw. wohin führt uns Cancel Culture?
Ob Bild oder nicht Bild, wichtig ist in dem Fall der Inhalt: Indianer kommen zu Wort. Wichtig ist immer der Inhalt, nicht die Verpackung.
Als nächstes gehen Sie doch einfach mal inhaltlich auf den ausführlichen Artikel ein, unter dem Sie so fleißig kommentieren und lassen die Allgemeinplätze weg.
Man vergleicht die Jugend-Erlebninisse von Golo Mann mit dem heutigen Geschehen, liest die Geschichten "Wenn die Lichter ausgehen" von Erika Mann, befragt Bürgerrechtler aus der "DDR".
"Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir." (Bärbel Bohley)
Auch ein Blick ins Buch "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" hilft meine Befürchtungen nachzuvollziehen.
Sich inhaltlich dazu zu äußern, ob es richtig oder falsch war, das Buch vom Markt zu nehmen, ist grundsätzlich falsch. Wenn man dies tut, ist man vor den Feinden von Freiheiten, die uns mal wichtig waren, eingeknickt und unterstützt sie sogar.
Grundsätzlich sollte gelten: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
“When we identify where our privilege intersects with somebody else's oppression, we'll find our opportunities to make real change.”
― Ijeoma Oluo, So You Want to Talk About Race (Seal Press)
Edition bi:libri unterstützt Ravensburgers schwierige und mutige Entscheidung.