Börsenverein: Interview mit Miriam Gabriela Möllers

"Ich bin unerschütterlich optimistisch"

14. April 2025
Sabine Cronau

Miriam Gabriela Möllers ist seit Januar Geschäftsführerin des Landesverbands Berlin-Brandenburg. Was sagt sie zu den radikalen Sparplänen für die Berliner Kulturszene? Wovor hat sie in ihrer neuen Position Respekt und was motiviert sie? Ein Interview.

Miriam Gabriela Moellers

Miriam Gabriela Möllers kennt sich in der Berliner Kulturszene bestens aus. Nach Stationen beim Internationalen LIteraturfestival Berlin (ilb), bei der Kultusministerkonferenz und Holtzbrinck ist sie seit Januar im Börsenverein Geschäftsführerin des Landesverbands Berlin-Brandenburg – als Nachfolgerin von Johanna Hahn.

Die Buchbranche pflegt eine großartige Willkommenskultur und hat eine sehr einnehmende Community. 

Miriam Gabriela Möllers

Sind Sie nach drei Monaten schon angekommen im neuen Job?

Miriam Gabriela Möllers: Absolut, es ist fast ein bisschen wie Nach-Hause-Kommen. Was vielleicht damit zu tun hat, dass mir viele vertraute Menschen und Institutionen begegnen, mit denen ich schon während meiner Zeit beim Internationalen Literaturfestival Berlin, bei der Kultusministerkonferenz oder bei den Holtzbrinck Buchverlagen zusammengearbeitet habe. Auch all die neuen Gesichter auf Landes- und Bundesebene des Börsenvereins sind eine unschätzbare Bereicherung. 

Für mich sind diese Wochen wie im Flug vergangen. Einstieg und Übergabe waren derart herzlich, zugewandt, konstruktiv – die Buchbranche pflegt einfach eine großartige Willkommens-Kultur und hat eine sehr einnehmende Community. 

Natürlich ist es auch eine glückliche Fügung, dass ich meine Aufgabe im Jahr des 200. Geburtstags des Börsenvereins antreten darf. Den Austausch mit den Kolleg:innen und den thematischen Input beim Jubiläumskongress im Juni stelle ich mir wie einen Katalysator vor – darauf freue ich mich.

Was steht nach den ersten Wochen auf Ihrer Prioritätenliste für 2025 ganz oben?

Miriam Gabriela Möllers: Auf meiner Prioritätenliste steht so viel, dass es eigentlich schon keine Prioritätenliste mehr ist.

  • Erst einmal gilt es, das extrem umfangreiche Alltagsgeschäft in den Griff zu bekommen, das sich zwischen Gremienarbeit, Jahresabschluss, Mitgliederberatung und Sponsorenakquise bewegt. Dabei geht es auch um schnöde Dateiablage oder das Catering für die nächste Hauptversammlung.
  • Außerdem möchte ich bis Ende des Jahres möglichst viele Buchhandlungen und Verlage persönlich besuchen, auf einer Sommer- und einer Herbst-Tour. Mir ist wichtig, unseren Mitgliedern zu zeigen, dass sie sich auch künftig auf uns verlassen können. Es geht darum, zuzuhören, gemeinsam Pläne zu schmieden und nicht zuletzt, passgenaue Unterstützungsangebote zu machen. Denn kleinere unabhängige Buchhandlungen und Verlage bilden den Kern unserer Mitgliedschaft. Für sie wiegen die aktuell schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen besonders schwer.
  • Mein Blick geht gezielt auch nach Brandenburg. Ich lebe in Berlin als auch auf dem schönen "platten" Land, 20 Kilometer vor der polnischen Grenze. Viele Buchhandlungen gibt es in der eher strukturschwachen Region nicht mehr. Die Aktion "Lesen ist Leben" mit dem Brandenburger Bücherscheck war 2024 außerordentlich wichtig für den dortigen Buchhandel. Die Förderung aus dem einmaligen "Corona-Topf" fehlt nun aber.
  • Die Themen "Literaturvermittlung" und "Berufliche Bildung" begleiten mich schon mein ganzes Berufsleben. Im Landesverband möchte ich einen stärkeren Akzent auf die Leseförderung und die Unterstützung des Branchennachwuchses setzen. Mit dem "THEO", dem Berlin-Brandenburgischen Preis für Junge Literatur haben wir bereits ein großartiges Projekt und Jahr um Jahr gibt es eine tolle Buchhandelsklasse mit treuen Ausbilder:innen. Doch es ist noch Luft nach oben...

Die politische Lobbyarbeit des Börsenvereins auf (inter)nationaler Ebene und das 'Zur-Stelle-Sein' der Landesverbände in ihren Regionen sind gefragter denn je.

Gabriela Maria Möllers

Gibt es etwas, vor dem Sie in der neuen Position Respekt haben?

Miriam Gabriela Möllers: Respekt habe ich enorm viel – und zwar motivierenden Respekt. Immerhin folge ich auf Johanna Hahn, die diesen wunderbaren Job in Berlin-Brandenburg fast 35 Jahre mit unvergleichlicher Verve ausgefüllt hat. Und natürlich bin ich mir der außerordentlich schwierigen "Gemengelage" im Buchhandel mehr als bewusst. Auch in einer großen Verlagsgruppe, in der ich zuletzt tätig war, wurde dies spürbar. Käuferschwund, Leerstände, Kostendruck, wachsende Berichtspflichten, schwierige Nachfolgesuche, die Herausforderungen der Digitalisierung treiben alle Branchenbeteiligten um. 

Gleichzeitig bin ich mit einem fast unerschütterlichen Optimismus ausgestattet, gepaart mit einem großen Sinn für Realität. Natürlich, unsere Branche unterliegt einem tiefgreifenden Wandel. Die politische Lobbyarbeit des Börsenvereins auf (inter)nationaler Ebene und das "Zur-Stelle-Sein" der Landesverbände in ihren Regionen sind daher gefragter denn je. Und dabei müssen wir an Tempo und Vehemenz zulegen, keine Frage. Doch würde ich nicht an die Zukunft der Branche und ihre kreativ-mutigen Protagonisten glauben, hätte ich den Job nicht angetreten.

Berlin schrumpft im Moment seinen Kulturetat zusammen, Institutionen wie die Zentral- und Landesbibliothek schlagen Alarm. Muss auch der Landesverband um Fördergelder bangen?

Miriam Gabriela Möllers: Auch wir sind vor Sparmaßnahmen nicht gefeit, egal um welche Senats-Töpfe es geht. Tatsächlich haben wir um zwei unserer Leuchtturm-Projekte bangen müssen, für die wir nun zum Glück grünes Licht haben. Am 28. und 29. Juni wird auf dem historisch bedeutenden Bebelplatz wieder das Berliner Bücherfest, die bundesweit größte Freiluftbuchhandlung, stattfinden. Und am 9. November verleihen wir zum achten Mal den Berliner Verlagspreis. Unseren Mitgliedern diese "Schaufenster" bieten zu können, ist ein Markenzeichen unseres Landesverbands.

Durch Ihre Tätigkeit für das Internationale Literaturfestival Berlin, für Museen und Kulturämter in Berlin haben Sie einen guten Überblick: Wie ernst ist die Lage für die Berliner Kulturszene?

Miriam Gabriela Möllers: Definitiv zu ernst. Zu ungewiss. Darauf zu setzen, dass die Kulturszene trotz Beschneidungen lebendig bleibt, dass sie durch das Engagement von Wirtschaftsunternehmen gestützt wird und sich die öffentliche Hand aus der Förderung zurückziehen kann, halte ich für ausgesprochen schwierig. 

Das Verständnis, dass das Buch, das Lesen, die Literatur unabdingbar sind für eine starke Demokratie, ist für mich existenziell. Und der Umgang mit diesem Verständnis eine Frage der Haltung. Und die muss man auch in Zeiten klammer Kassen haben. Das Buch ist Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftsgut gleichermaßen und muss als solches gewertschätzt werden. 

Über die strukturelle Verlagsförderung wurde auf Bundesebene viel gesprochen – sie ist unbedingt erforderlich, auch um die Vielfalt der hiesigen Verlagsszene zu erhalten. Und stellen Sie sich die Berliner Kieze mal ohne die engagierten Buchhandlungen und Literaturveranstalter vor, die mit ihren Lesungen und Leseförderaktivitäten maßgeblich zur kulturellen Bildung in Berlin beitragen: Nicht auszudenken! Ganz zu schweigen von den großartigen Autor:innen, die Berlin literarisch prägen. 

Es scheint: Wir müssen noch mehr auf die Pauke hauen und zeigen, dass genau diese Akteure ungemein "sexy" sind für die Stadt Berlin. Es gehört zur "DNA" des Landesverbands Berlin-Brandenburg, den Schnabel aufzumachen. Und das werden wir auch künftig tun, mit vereinten Kräften.