Nachwuchssprecher des Börsenvereins

"Der Nachwuchs wird rarer und selbstbewusster"

27. April 2023
Sabine Cronau

Die Forderungen der Brancheneinsteiger:innen können nicht mehr einfach ignoriert werden: Das meinen Tobias Groß und Florian Noichl, die beiden Nachwuchs­sprecher des Börsenvereins. Hier berichten sie von den aktuellen Themen auf ihrer Agenda. Und davon, was ihr Ehrenamt ihren Arbeitgebern, Thalia und Libri, bringt.  

In ihrem Amt lernen sie auch, Verantwortung für die Anliegen anderer zu übernehmen: Tobias Groß (Thalia, links) und Florian Noichl (Libri) sind gewählte Nachwuchssprecher seit Juli 2022 – hier mit Laura Herth, Referentin für Berufsbildung im Börsenverein.

Welches Thema beschäftigt Sie als Nachwuchssprecher im Moment ganz besonders?

Tobias Groß: Uns beschäftigt vor allem das Verhältnis zwischen Nachwuchskräften und Arbeitgeber:innen. Schon seit dem Nachwuchsparlament im Juli 2022 haben wir das Gefühl, dass sich gerade zwei Fronten bilden, die sich konträr gegenüberstehen. Auf der einen Seite der immer selbstbewusster auftretende, sich nach Anerkennung sehnende und rarer werdende Nachwuchs, der mittlerweile Forderungen aufstellt, die nicht mehr ignoriert werden können. Auf der anderen Seite die Arbeitgeber:innen, die verständlicherweise so weitermachen möchten wie bisher. Ein »Weiter so« ist jedoch nicht mehr möglich, da die kommenden Generationen mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert sind: Klimakrise, Krieg, Wohnraummangel – bei solchen Aussichten scheint der Wunsch nach mehr Work-Life-Balance nicht mehr utopisch. 
Florian Noichl: Wir sind jedoch der Überzeugung, dass wir nur gemeinsam und zusammen die Branche nach vorn bringen können und beide Seiten zu Kompromissen bereit sein müssen. Weiterhin wollen wir die Sichtbarkeit des Nachwuchsparlaments, der Nachwuchs-AG und des Mentoring­programms weiter erhöhen und infolgedessen auch daran arbeiten, dass die Buchbranche als attraktiv und zukunftsfähig für potenzielle Nachwuchskräfte wahrgenommen wird. #diezukunftistbuch ist deswegen das perfekte Motto für Nachwuchs­parlament und Nachwuchsarbeit des Börsenvereins. 
 

Was lernen Sie in diesem Ehrenamt – was Sie sonst in Ihrem Beruf vielleicht nicht lernen würden?

Tobias Groß: Durch die Teilnahme an zahlreichen Podiumsdiskussionen, Veranstaltungen der Landesverbände und den Fachausschusssitzungen, unserer Arbeit im Berufsbildungsausschuss und dem permanenten Austausch mit dem Branchennachwuchs erhalten wir Einblicke und Erfahrungen, welche wir in unserem normalen Beruf niemals hätten sammeln können. 
Florian Noichl: Wir übernehmen Verantwortung für die Anliegen anderer, haben gelernt zu vermitteln und diplomatisch zu agieren, da das Zusammenbringen auseinandergehender Interessen oftmals eine Herausforderung ist. Auch sind die Kontakte, die wir knüpfen, von großer Wichtigkeit für uns, schließlich ist Networking das A und O in unserer Branche. 

Wie unterstützen Ihre Arbeitgeber den ehrenamtlichen Einsatz?

Florian Noichl: Ich habe das Glück, Gleitzeit arbeiten zu können, was mir eine Menge Flexibilität beschert. Nach Absprache kann ich problemlos Termine wahrnehmen, ohne dafür Urlaubstage zu opfern.
Tobias Groß: Ich werde für meine Termine als Nachwuchssprecher von Thalia freigestellt, muss dementsprechend nicht meine freien Wochentage für die Ein­sätze verwenden. Auch kann ich während der Arbeitszeit an digitalen Meetings mit Unternehmensakteur:innen teilnehmen. Vieles spielt sich jedoch nach der Arbeitszeit ab, sodass mein Arbeitgeber nicht direkt betroffen ist, wie etwa unser regelmäßiger Austausch mit der Bildungsreferentin des Börsenvereins, Laura Herth, die digitalen Treffen der Nachwuchs AG oder meine Mitarbeit im Nachwuchsblog. 
 

Mussten Sie um diese Freiheiten kämpfen oder war das für Thalia und Libri eine Selbstverständlichkeit?

Florian Noichl: Libri schätzt und unterstützt meine Tätigkeiten im Rahmen der Nachwuchsarbeit. So war es von Beginn an selbstverständlich, dass ich mich auch weiter ohne Abstriche engagieren kann.
Tobias Groß: Dadurch, dass ich die erste Person bei Thalia bin, die das Amt des Nachwuchssprechers ausübt, war die Situation zu Beginn nicht eindeutig geklärt. Es gab halt noch kein Best-­Practice-Beispiel. Mittlerweile ist jedoch alles geregelt, wofür ich der Unternehmensführung sehr dankbar bin. Nachwuchssprecher zu sein – das ist eine ehrenamtliche und von Thalia sehr geschätzte Arbeit, welche mitunter ganz schön anstrengend sein kann, jedoch auch sehr sinnstiftend ist. Und die ich mit großer Freude ausübe. 
 

Profitiert Ihr Arbeitgeber vom ehrenamtlichen Einsatz – etwa weil Sie Kontakte zu vielen anderen Nachwuchskräften in der Branche haben?

Florian Noichl: Davon bin ich überzeugt. Dank unseres großartigen Netzwerks stehen eine Menge Ansprechpartner:in­nen unter anderem aus Buchhandel und Verlagswesen zur Verfügung, welche ich jederzeit konsultieren kann. Zudem kann ich als erster Sprecher aus dem Zwischenbuchhandel auch die Barsortimente besser in den Fokus rücken.
Tobias Groß: Ich bin regelmäßig im Austausch mit Nachwuchskräften von Thalia. So kann ich deren Meinungen und Probleme (natürlich anonymisiert) an die Personalverantwortlichen und die Geschäftsführung weitergeben, sodass diese sichtbar werden und im Idealfall Veränderungen zum Positiven entstehen. Für alle. Auch hoffe ich, dass durch meinen Einsatz die Nachwuchsarbeit des Börsenvereins im Unternehmen noch sichtbarer und der Thalia-Nachwuchs ermutigt wird, sich ehrenamtlich zu engagieren – und der Einsatz gewürdigt wird. Dazu zählt auch eine Freistellung für das Nachwuchsparlament, die künftig problemlos möglich sein sollte. 

Das Nachwuchsparlament hat früher beklagt, dass es nur ein zahnloser Tiger sei und auch auf der Hauptversammlung immer nur den Schlusspunkt setze. Hat sich da im Börsenverein in den vergangenen Jahren etwas verändert?

Florian Noichl: Nach unseren durchweg positiven Erlebnissen der vergangenen Monate haben wir die Erfahrung gemacht, dass das Nachwuchsparlament definitiv kein zahnloser Tiger ist. Im Gegenteil. Wir glauben, dass die Meinung des Nachwuchses in der Branche noch nie so sehr beachtet und geschätzt wurde wie heute. 
Tobias Groß: Die Tatsache, dass unser Report auf der letzten Hauptversammlung des Börsenvereins bereits an vierter Stelle der Tagesordnung stand und wir die Ergebnisse des Nachwuchsparlaments 2022 direkt bei einer Sitzung des Vorstands präsentieren durften, spricht sehr dafür. Die Probleme, Sichtweisen und auch positiven Eindrücke der Parlamentsversammlung erreichen die Branchengrößen also direkt. Eine Partizipation am Nachwuchsparlament hat somit zur Folge, dass die Stimmen der Teilnehmenden von »ganz oben« gehört und auch weitergetragen werden.

JETZT BEWERBEN FÜRS NACHWUCHSPARLAMENT!

Wer sich ebenfalls für die Interessen des Branchennachwuchses starkmachen will, der kann sich noch bis zum 7. Mai einen Platz im Nachwuchsparlament sichern. 75 Plätze sind 
zu vergeben.
Das Parlament tagt am 16. und 17. Juli auf dem mediacampus frankfurt. In diesem Jahr dreht sich das Programm um das Thema Fachkräfte-Empowerment. Darüber hinaus stellt die Nachwuchs AG ihre aktuellen Projekte vor, etwa die Neu­gründung der Taskforce Diversität sowie das Gütesiegel für Ausbildun­gen. In seiner offiziellen Sitzung erarbeitet das Nachwuchs­parlament Empfehlungen an die Branche. 
Bewerben können sich Auszubildende aus Verlagen, Buchhandel und Zwischenbuch­handel, Volontär:innen, Studierende buchnaher Studiengänge und Berufseinsteiger:innen – und zwar mit einem kurzen Essay zum Thema Fachkräfte-Empowerment: Welche Lösungs­ansätze sind für den aktuellen Fachkräfte­mangel denkbar und wie können sie nachhaltig umgesetzt werden? Alle Informationen zur Bewerbung gibt es unter www.boersenverein.de/nachwuchsparlament.
Parallel haben alle, die am Nachwuchsparlament teilnehmen möchten, auch die Möglichkeit, sich für das diesjährige Mentoringprogramm zu bewerben, das den Austausch zwischen jungen und erfahrenen Branchen­akteur:innen fördert. Über den Zeitraum eines Jahres begleitet je ein Branchenprofi eine Nachwuchskraft. Mentor:innen und Mentees treffen sich während des Nachwuchsparlaments oder digital. Interessierte senden einfach zusätzlich zur Bewerbung für das Nachwuchs­parlament ein kurzes Motivationsschreiben. Details: www.boersenverein.de/mentoringprogramm