Bei der Fishbowldiskussion über Verödung der Innenstädte debattierten die Teilnehmer:innen über die Veränderungen in Kaufverhalten und Kundenfrequenz. „Seit die Maskenpflicht gefallen ist, ist gefühlt wieder mehr los, die Umsätze sind wieder besser geworden, das Abholfach ist voll“, konstatierte Tobias Groß. Jetzt seien wieder mehr Veranstaltungen notwendig, um die Kunden verstärkt durch Events neugierig zu machen. Viele Buchhandlungen hätten zwar den 2019er Umsatz erreicht, aber mit weitaus mehr Einsatz; der buchhändlerische Mittelstand sei entspannter als die Großen in den Großstädten, weil sie vom Homeoffice profitieren, da gebe es Verlagerungen, so die Beobachtungen von Betriebsberaterin Stephanie Lange und: „Mit den Viellesern schaffen wir bessere Umsätze.“ Beim Einkaufsverhalten erlebe sie große Veränderung: „Das Produkt steht nicht mehr im Mittelpunkt. Mehr und mehr geht es um das Erlebnis vor Ort, das Gespräch über das Buch, die Inszenierung im Laden – das ist das Entscheidende. Wir müssen die Trigger draußen setzen, mit einer Rezension im Internet, auf Social-Media-Kanälen.“
Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, differenzierte zwischen zielgerichtetem Einkauf und Impuls-Einkauf: „Online-Kauf ist Zielkauf, im Laden stöbert man und kann wunderbar Neues entdecken – nur hier finden die Impulskäufe statt.“ Online sei für viele der bequemste Weg des Einkaufs: „Wenn Convenience so wichtig ist, müssen wir dafür sorgen, dass sie überwunden wird, dass die Sehnsucht nach dem Produkt Buch so groß wird, dass es die Kund:innen in die Buchhandlung treibt."
Nach den Erfahrungen von Jana Vorderwülbecke vom Kosmos Verlag sei inzwischen wieder mehr los, vor allem in den Stadtvierteln, „aber die Kund:innen geben sich verhalten und überlegen gerade mehr: Kauf‘ ich mir ein Hardcover für 25 Euro oder spare ich erstmal?“. Zwar würden in den Buchhandlungen die Bons größer, aber es kämen insgesamt weniger Kunden „– das ist langfristig eine eher schwierige Perspektive. Deshalb müssen wir die Innenstädte attraktiver machen, dass die Menschen auch wieder dort wohnen wollen.“ Wer wolle denn bei 35 Grad in eine aufgeheizte Innenstadt, gerade als älterer Mensch sei das dort kaum auszuhalten: „Die Innenstädte müssen grüner werden, es muss Spaß machen dort zu sein!“ Dem schloss sich Kraus vom Cleff an: „Es ist ja verrückt, wenn wir vor den Toren der Stadt immer neue Flächen versiegeln und in den Innenstädten passiert nicht. Wir müssen die vorhandenen Flächen besser nutzen und neu beleben.“
In der Diskussion kam auch der Kostendruck durch tägliche Belieferung zur Sprache. Groß vermutete, dass viele Kunden das gar nicht erwarteten, nicht täglich in der Innenstadt seien und entsprechend auch nicht so viele enttäuscht seien, und : „Was wir viel stärker vermitteln müssen, ist, dass jeder Bestellvorgang natürlich auch Kosten verursacht.“ Man müsse auch nicht jegliche nur erdenkliche Serviceleistung erbringen, sondern nur die, die zur eigenen Marke passen, mahnte Lange. „Und wir müssen sie kommunizieren. Es gibt überall die Übernachtbestellung, aber die meisten kennen sie gar nicht.“ Die zuvor angesprochene Bequemlichkeit bekomme man nur durch Erlebnis überwunden. Eine Stimme aus dem Publikum erinnerte daran, dass zur Attraktivität einer Buchhandlung auch die Barrierefreiheit gehöre; es gebe noch genug Läden, „die mit Tischen so vollgestellt sind, dass man mit Kinderwagen oder Rollstuhl nicht hineinkann. Diese Läden meidet man dann von vorneherein, sie werden als unbequem eingestuft.“
Kraus vom Cleff erinnerte an die jährliche Welttag des Buches-Aktion: „Sie ist für Buchhandlungen lohnenswert, auch wenn sie Arbeit macht. Aber wir haben 25 oder 30 Kinder, die in Kontakt zum Buchhandel kommen, die den Buchladen kennenlernen. Das ist eine Investition in die Zukunft, denn das werden die Kunden von Morgen sein.“