Hotlist-Jury fordert strukturelle Verlagsförderung

"Verhindert das Sterben der unabhängigen Verlage"

15. Oktober 2024
Redaktion Börsenblatt

"Die meisten unabhängigen Verlage in Deutschland müssen um ihre Existenz fürchten", schreibt die Hotlist-Jury in einem Aufruf. Die Gefahr für die Vielfalt der Buchkultur werde von Politik und Gesellschaft jedoch nicht genügend ernst genommen. Aus diesem Anlass wendet sich die Jury des Hotlistwettbewerbs mit einem Appell an die Öffentlichkeit. 

Ausschnitt aus dem Instagram-Post der Hotlist. 

"Mit großer Sorge sehen wir, die Jury der Hotlist 2024, die aktuellen Entwicklungen in der Welt der unabhängigen Verlage", beginnt der Appell. Immer mehr dieser Verlagshäuser stünden vor dem wirtschaftlichen Aus, wie jüngst etwa die medialen Hilferufe von Verlagen wie der Edition Nautilus, des Korbinian und des Hirnkost Verlags verdeutlichten. "Viele Verlage kürzen aus finanziellen Gründen still ihre Programme, setzen sie aus oder stellen die Verlagstätigkeit ganz ein." 

Sie weisen in ihrem Appell auf die BKM-Studie von 2021 zu staatlichen Fördermaßnahmen des deutschen Verlagswesens hin, die insbesondere kleine und unabhängige Verlage in ihrer Existenz gefährdet sieht. Empfohlen wurde als Gegenmaßnahme eine strukturelle Verlagsförderung. 

"In der Schweiz und in Österreich existiert eine solche Unterstützung seit vielen Jahren, in Deutschland wurde sie bislang noch immer nicht umgesetzt. Und das, obwohl hier jeder vierte Verlag die aktuelle wirtschaftliche Lage seines Unternehmens als schlecht bewertet." Dabei bezieht sich die Hotlist-Jury auf eine Umfrage des Netzwerks "Schöne Bücher" unter 100 kleinen Verlagen.  

"Im September 2024 wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, wonach besonders die unabhängigen Häuser durch die Folgen von Corona und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine einen signifikanten Umsatzrückgang zu verzeichnen hatten. Die gestiegenen Papierpreise, die Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation und die Krise des Einzelhandels in den Innenstädten schlagen bei den Indie-Verlagen viel stärker zu Buche als bei den großen Häusern."

Sicher seien Verlage Wirtschaftsunternehmen, die sich am Markt behaupten müssen. "Aber ebenso leisten sie einen besonderen Beitrag zu einer demokratischen und pluralistischen Meinungsbildung. Durch ihre spezifischen Themen, ästhetischen Ansätze und ihren Mut, auch weniger verkäuflichen Stimmen ein Gehör zu verschaffen, bilden sie ein wichtiges Korrektiv zu den kommerzieller ausgerichteten Konzernverlagen. Marginalisierte Gruppen, unpopuläre Meinungen und avantgardistische Sprechweisen erhalten in den Büchern aus unabhängigen Verlagen Raum. Verschwinden die Indies, verstummen auch diese Stimmen."

Marginalisierte Gruppen, unpopuläre Meinungen und avantgardistische Sprechweisen erhalten in den Büchern aus unabhängigen Verlagen Raum. Verschwinden die Indies, verstummen auch diese Stimmen.

Vielfalt und Engagement unabhängigen Verlegens würden auch die über 200 Einreichungen für die diesjährige Hotlist verdeutlichen. Das zeige sich auch, weil die Hotlist ein genreoffener Preis ist, für den auch Übersetzungen eingereicht werden dürfen. 

"Gerade die unabhängigen Verlage setzen sich verstärkt für Übersetzungen aus den sogenannten kleinen Sprachen ein und ermöglichen uns damit einen literarischen Zugang zu einer Welt, die uns sonst verschlossen bliebe. Unter dem Stichwort 'Bibliodiversität' wird sich seit Jahren dafür eingesetzt, dass wir eben nicht nur Romane aus den USA lesen können, sondern auch Lyrik aus dem Kosovo oder Comics aus Simbabwe", heißt es in dem Appell weiter. 

Wir – die Jury der Hotlist 2024 – fordern mit großer Dringlichkeit, eine staatliche strukturelle Förderung unabhängiger Verlage so schnell wie möglich einzuführen.

"Unabhängige Verlage sind kein verzichtbarer Schmuck am Rand des Buchmarktes. Sie sind notwendige Orte der Kritik und der Wissensproduktion. In einer Zeit, in der demokratiefeindliches Gedankengut immer tiefer in die Gesellschaft einsickert, braucht es Bücher aus unabhängigen Verlagen als Gegengewicht. Denn hier findet das statt, wovor populistische Ideolog:innen am meisten Angst haben: Meinungs- und Formenvielfalt. Deswegen benötigen unabhängige Verlage besondere Unterstützung, ähnlich der Theater und Museen in Deutschland. Wir – die Jury der Hotlist 2024 – fordern mit großer Dringlichkeit, eine staatliche strukturelle Förderung unabhängiger Verlage so schnell wie möglich einzuführen."

Unterzeichnet wurde der Appell von der Hotlist-Jury: 

Bozena Badura (Literaturwissenschaftlerin, Moderatorin und Crossmedia-Literaturkritikerin,  Das Debüt @dasdebuet und literaturwelten.com), Moers
Ludwig Lohmann (Literaturvermittler und Podcaster bei blauschwarzberlin.de), Berlin
Andreas Pätzold (Buchhandlung Kapitel 10), Zürich
Simona Pfister (Autorin, freie Journalistin für die FAS und Kolumnistin für Das Magazin), Zürich
Tino Schlench (freier Kritiker und Blogger literaturpalast.at), Wien

Als erste Mitunterzeichnende schlossen sich außerdem an:

  • Die Mitglieder des Kuratorium des Vereins der Hotlist: Ruth Eising, re-book, Bonn | Dagmar Fretter, bis 2023 Kunststiftung NRW, Hamm am Rhein | Judith Heckel, Hamburg | Reinhold Joppich, ehem. Kiepenheuer & Witsch, Köln | Julia Knapp, Orell Füssli, Zürich | Katarina Rafailović,  @kata_____lovic, Bremen | Manuela Reichart, u. a. DLR Kultur, WDR, RBB, Berlin | Anya Schutzbach, Literaturhaus Wyborada, St. Gallen | Senta Wagner, Lektorin, Wien.
  • Der Vorstand des Vereins der Hotlist (vertreten durch Axel von Ernst / Lilienfeld Verlag)
  • Schöne Bücher (Netzwerk unabhängiger Verlage, vertreten durch Jens Korch / Edition Wannenbuch)