Nachhaltigkeit beim Tessloff Verlag

Ein klarer grüner Fahrplan

9. Juni 2023
Stefan Hauck

Wie wird ein Verlag wirklich nachhaltig? Tessloff-Verlegerin Katja Meinecke-Meurer über ihre Erfahrungen mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK und ihrem ersten Reporting.

Katja Meinicke-Meurer

Warum macht Tessloff beim DNK mit?

Bislang hatte mir der rote Faden gefehlt, der bei Nachhaltigkeitsaktivitäten die Einzelpunkte so bündelt und strukturiert, dass daraus eine allumfassende Verlagsstrategie entstehen kann. Über die Beratungsgesellschaft Publisher Consultants sind wir auf den DNK aufmerksam geworden und haben über-
legt, dass ein standardisiertes DNK-Modell für die Buchbranche viel besser wäre. Dann haben wir eine Gruppe gebildet. Inzwischen gibt es hier ja auch eine sehr gute Verbindung zur IG Nachhaltigkeit des Börsenvereins.

Wie viele sind in der Gruppe aktiv?

Publisher Consultants begleitet uns bei diesem Prozess und hat beim Sondieren einige Verlage angefragt; durch Netzwerken sind wir inzwischen zu zwölft. Wir wollen in der Gruppe eine Vielfalt abbilden; Tessloff steht in der Runde für die Kinder- und Jugendbuchverlage.

Wie gehen Sie vor?

Beim DNK gibt es eine Tool-Box für einen nicht-finanziellen Bericht, der eine ganzheitliche Perspektive einnimmt. Darin werden unter anderem 20 Kriterien aufgeführt, die den Rahmen für die Berichterstattung bilden. Da geht es beispielsweise um Ziele, Prozesse und Maßnahmen. Zudem hat sich der Tessloff Verlag dafür entschieden, sich allen 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedet worden sind, gleichrangig zu widmen – weil wir alle für gleicher­maßen wichtig halten. Da in puncto Nachhaltigkeitsperformance ab 2025 die ersten großen Verlage in der EU über ihr Geschäftsjahr 2024 berichtspflichtig werden, ist es mir ein Anliegen, dass wir unsere Berichte an die europäischen Verordnungen anschlussfähig machen. Schließlich wollen wir als Mittelständler nicht dreimal anfangen.

Muss man die 20 Kriterien des DNK alle erfüllen?

Der DNK geht davon aus, dass kein Unternehmen sämtliche Punkte abdecken kann, es ist ja ein ständiger Veränderungsprozess. Aber es ist gut, dass wir nicht immer mit dem Mangel unterwegs sind, sondern schon voraus-
denken. Mich hat überzeugt, dass ich die Kriterien sehr konkret und pragmatisch auf kleinere Einheiten herunterbrechen kann. Bei einem Leitfaden gilt es zu überlegen: Wo wollen wir als Branche in Zukunft stehen? Wie könnte der Weg dahin aussehen?

2022 haben wir bei Druck und Papierbeschaffung schon vieles umgestellt.

Katja Meinicke-Meurer

Wie haben Sie den Prozess in den Verlag getragen?

Zunächst haben wir intensiv in einer Projektgruppe mit fünf Mitarbeiterinnen – besonders aus Abteilungen, die einen großen Impact haben, wie die Herstellung – eine Ist-Analyse gemacht. Da wurde es schon auch mal emotional, bis hin zur Frage, ob Kaffeekapseln oder Wasser, das nicht aus der Region kommt, okay sind oder eben nicht. Das gehört für mich aber auch zu diesem Prozess dazu. Aktuell arbeiten wir an unserer CO₂-Bilanzierung – und zwar sowohl für das Unternehmen als auch für unsere Produkte. Aus den Ergebnissen werden wir dann unsere nicht-finanziellen Ziele ableiten.

Wie groß ist da die Gefahr, sich im Klein-Klein zu verlieren?

Die Gefahr ist natürlich real, und daher ist es wichtig, dass man im Prozess immer das Wesentliche im Blick behält. Elementar war hier für uns die Relevanz-Analyse, die wir erstellt haben und die uns Antworten gegeben hat auf Fragen wie: Womit fangen wir an? Wo können wir am meisten bewirken? Wie können wir ganzheitlich nachhaltig werden? Damit hatten wir dann einen klaren Fahrplan, konnten schnell erste Maßnahmen ergreifen und haben uns eben nicht im Klein-Klein verloren. So haben wir 2022 bei Papierbeschaffung und Druck schon viel umgestellt, neue Druckereien gefunden und intensiv geprüft, welches Produkt nachhaltig hergestellt werden kann – und wie.

In welchen Bereichen haben Sie noch Veränderungen herbeigeführt?

Es tut sich an ganz vielen Ecken etwas! Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung, verzichten auf unnötige Reisen und beziehen zu 100 Prozent Ökostrom. Aber auch im Privaten ist dieser Prozess zu spüren, da kann ich aus eigener Erfahrung berichten: Mein erster Dienstwagen war ein Diesel, der in drei Jahren 100 000 Kilometer gefahren ist, der zweite ist ein Hybrid, der in derselben Zeitspanne nur 45 000 Kilometer auf dem Tacho hat. Und der nächste Dienstwagen wird definitiv ein E-Auto. Was habe ich verändert? Ich bin aufs Rad umgestiegen und habe da mittlerweile schon 21 000 Kilometer gesammelt. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch gut für den Kopf!  

Das heißt, die Beschäftigung mit dem Thema hat eine gewisse Eigendynamik?

Ja, wir stellen fest, dass im Haus insgesamt schon viel in Bewegung gekommen ist und ein tiefgreifendes Umdenken stattfindet. Wir verstehen unsere Nachhaltigkeitsstrategie ja auch als einen Weg, den wir gemeinsam beschreiten und gestalten. Dabei betrachten wir das Thema immer ganzheitlich und entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

CSRD

Nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind große Unternehmen in Europa verpflichtet, ab dem Berichtsjahr 2024 nach verbindlichen Standards neben ökonomischen auch soziale und ökologische Kennzahlen zu veröffentlichen. Als »groß« gelten nach Paragraf 267 Abs. 3 Handelsgesetzbuch Firmen, die im Jahresschnitt 250 Mitarbeiter beschäftigen oder eine Bilanzsumme von 20 Millionen Euro oder Umsatzerlöse von 40 Millionen Euro aufweisen. Da diese Unternehmen wiederum Informationen von ihren Geschäftspartnern benötigen, betrifft die CSRD weitaus mehr Firmen.