Zum ersten Mal, so berichtete Beate Tröger den Zuhörerinnen, sei sie Alfred Kerr in einem Kinderbuch begegnet: in der Figur des Vaters, den seine Tochter Judith Kerr in ihrem Bestsellerroman "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" beschrieb. Darin möchte die Protagonistin Anna Schriftstellerin werden, ermutigend befasst sich der Vater mit ihren Schreibversuchen und gibt ihr Tipps. "Etliche Kritiken Kerrs sind in Reimen verfasst, er liebte den Gleichklang der Wörter", erinnerte Tröger, die bekannte, auch aus alten Kirchenliedern viel über Sprache erfahren zu haben: "Die Reime darin waren akustische Haltegriffe." Sie formulierte, welche Kraft Verse haben können, "wenn Reime sich regelrecht hineinbohren in Herz und Hirn" und warnte zugleich: "Das kann auch eine Gefahr sein und zu Propagandazwecken missbraucht werden." In ihrer Dankesrede erklärte sie, dass sie Kritikerin geworden sei, weil sie sich die Freiheit des Schreibens und Denkens nie ganz habe nehmen lassen wollen. Es seien die Besonderheiten und Geschichten um die Gedichte, die sie immer wieder so faszinierten, dass sie "mit ihnen, mit den Möglichkeiten darüber zu sprechen, in Verbindung sein möchte. Es sind die Gedichte, aber auch die Geschichten der Menschen, die Welt als Sprache begreifen, oder durch Sprache begreifen möchten."