Die Finalisten: CONTENTshift-Accelerator 2022 | BOOKBYTES

Innovation!

25. Juli 2022
Isabella Caldart

Fünf Start-ups stehen im Finale des CONTENTshift-Accelerators. Alle bringen frische Ideen mit, von denen die Buchbranche profitieren kann. 

Der CONTENTshift-Accelerator ist ein internationales Förderprogramm für Start-ups der Content-Branche. Die Börsenvereinsgruppe will damit Gründer:innen und etablierte Branchenfirmen zusammenbringen und Innova­tionen fest in der Buchwelt verankern.

Die teilnehmenden Gründer:innen durchlaufen digitale Coachings und einen Co-Creation-Workshop. Als Coaches stehen ihnen zur Seite: Prof. Dr. Harald Henzler (Smartdigits) und Prof. Dr. Okke Schlüter (Hochschule der Medien, Stuttgart).

Die Start-ups diskutieren zudem mit der Jury ihre Geschäftsmodelle und loten aktuelle Herausforderungen sowie Kooperationsmöglichkeiten aus. Jedes Start-up erhält zudem eine Mentorin, einen Mentor – für die persönliche Begleitung während der Laufzeit des Programms.

Auf der Frankfurter Buchmesse treten die fünf Finalist:innen zum entscheidenden Pitch an. Dann kürt die Jury das Content-Start-up des Jahres, das eine Förderprämie von 10 000 Euro erhält.

Gefördert wird der Wettbewerb von Unternehmen aus der Branche, die Mitglieder in die CONTENTshift-Jury entsenden. Die aktuelle Jury:

  • Detlef Büttner / Leif Göritz (Lehmanns Media /  Thalia
  • Olaf Carstens (Cornelsen Verlag) 
  • Stephan Dietrich (Junfermann Verlag)
  • Nina Hugendubel / Per Dalheimer (Buchhandlung Hugendubel)
  • Stefanie Penck (TeNeues)
  • Wolfgang Pichler (MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung) 
  • Ronald Schild (MVB) 
  • Peter Kraus vom Cleff (Börsenverein)
  • Deepa Gautam-Nigge (SAP Next-Gen Innovation Network) als branchenexterne Partnerin

Mehr dazu unter contentshift.de.

Wie kann man lernen, mit Belastungen des Alltags wie Stress oder Selbstzweifel umzugehen? Diese Frage trieb die Psychologinnen Diana Huth und Theresa Frank um. »Uns geht es darum, Menschen nicht erst zu helfen, wenn es zu spät ist«, erläutert Huth, die in einer Rehaklinik gearbeitet hat, den Gedanken hinter ACTitude. Ihr Start-up bietet präventive Onlinekurse, die ansetzen, bevor eine psychische Erkrankung diagnostiziert wird. Das Ganze basiert auf der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), deren Idee es ist, nicht veränderbare Situationen zu akzeptieren und sich auf die Dinge zu fokussieren, die wir aktiv tun können. Huth illustriert dies mit einem simplen Beispiel: Beim Zugausfall nicht ärgern, sondern stattdessen ein Eis essen gehen.

Vermittelt werden die psychologisch-edukativen Kurse über verschiedene Medien wie Videos, Audios und Ar­beitsblätter. »Der Stressbewältigungskurs ist zertifiziert, deswegen gibt es konkrete Vorgaben. Unsere weiteren Kurse nutzen personalisierte Lernpfade, denn es gibt nicht den einen, sondern nur deinen Weg.« Die Zielgruppe von ACTitude ist breit gefächert. »Allein in Deutschland sind 18  Millionen Menschen psychisch belastet, aber nur drei Millionen suchen professionelle Hilfe.« Mit der Buchbranche wiederum sind Kooperationen denkbar: »Gerade im Fachbuch gibt es Autor:innen mit viel Wissen; für unsere Spezial­kurse fragen wir Expert:innen an«, erläutert Huth. »Das sind zwei Welten, die sehr gut verzahnt sein können. Beide Seiten, wir Medienexpertinnen und die Verlage, profitieren voreinander.« 

Geschäftsidee: psychologische Onlinekurse auf Basis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) 
Zielgruppe: alle, die sich gestresst fühlen und die der Alltag belastet
Gegründet von: Theresa Frank, Diana Huth 
 

Uns geht es darum, Menschen nicht erst zu helfen, wenn es zu spät ist. Gerade im Fachbuch gibt es Autor:innen mit viel Wissen; für unsere Spezialkurse fragen wir Expert:innen an

Diana Huth, ACTitude

Das Problem ist lange bekannt: Vor allem Senior:innen und behinderte Menschen schrecken davor zurück, Smartphones und Tablets zu benutzen – oder sind motorisch gar nicht dazu in der Lage. Umso erstaunlicher, dass es bisher ­keine praktikablen Lösungen dafür gab. Enna ist gekommen, um das zu ändern: Die Gründer des Start-ups haben ein Dock entwickelt, das als eine Art Adapter zwischen Tablet und Nutzer:in fungiert. Dieses Dock mit nur zwei Tasten ist ein simples Bedienelement, damit Oma und Opa durch die Fotos der Enkel:innen scrollen, Anrufe entgegennehmen oder sich YouTube-Videos anschauen können. Es ist aber die Familie, die sich um die Bedienung kümmert. »Man muss sich das ein wenig wie ein eigenes Social-Media-Netzwerk vorstellen«, ­erläutert Mitgründer Moritz Kutschera das Konzept.

Die Daten sind in einer Cloud gespeichert und werden mit den »enna Cards« bedient, die man einfach nur auf­legen muss. Kuratiert werden die Inhalte entweder von enna oder von den Angehörigen der Nutzer:innen, um sie dann gegen ein kleines Geld zu kaufen oder zusammen mit Dock und App (und bei Bedarf einem Tablet) im monat­lichen Abo zu mieten. In der Testphase mit Pflegeheimen kam enna sehr gut an, im Juli geht das Start-up auch den B2C-Markt an. Dass das prima funktionieren wird, daran hat Kutschera keinen Zweifel. »Es gibt so viel Content – und dabei wird vergessen, dass es einigen Menschen nicht möglich ist, diesen zu genießen. Unsere Mission ist es, den Leuten die Tür zu öffnen, sich selbstbestimmt und frei in der digitalen Welt bewegen zu können.«

Geschäftsidee: enna vereinfacht die Nutzung digitaler Anwendungen (etwa Videotelefonie, digitale Fotoalben)
Zielgruppe: Senior:innen, Menschen mit Behinderungen
Gegründet von: Jakob Bergmeier, Tim Haug, Moritz Kutschera 
Website: www.enna.care

Es gibt so viel Content – und dabei wird vergessen, dass es einigen Menschen nicht möglich ist, diesen zu genießen. Unsere Mission ist es, dass sich alle frei und selbstbestimmt in der digitalten Welt bewegen können.

Moritz Kutschera, enna

Als die Bewegungsfreiheit während der Hochphase der Pandemie massiv eingeschränkt war, musste Johannes Wöhler kreativ werden, um seine Kids zu beschäftigen: Wie kann man aus seinem Zuhause einen Abenteuerspielplatz machen? Wöhler, der aus der Softwareentwicklung kommt, entwarf die App Heimsafari: eine Art Schnitzeljagd, die teils digital, teils analog funktioniert. »Die Idee ist, dass die Eltern Rätselblätter ausdrucken und verstecken, die die Kinder mithilfe von Heimsafari finden und lösen müssen«, erklärt der Gründer. Es wird gebastelt und geknobelt und der entschlüsselte Code schließlich in die App eingegeben. Optimal ist das natürlich in einem Haus oder im Garten, für kleinere Wohnungen gibt es aber auch die Option, das Spiel am Tisch zu lösen.

Bisher enthält Heimsafari drei verschiedene Abenteuer­geschichten, die in rund einer bis anderthalb Stunden gelöst werden können. Die Zielgruppe sind Kids im Grundschul­alter, den Rahmen möchte Wöhler aber bald ausbauen. Und die Spielstätte über das eigene Zuhause hinaus erweitern: »Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit Zoos und Museen vorstellen, außerdem wäre es denkbar, die App im Schulkontext, etwa nach einer abgeschlossenen Unterrichtseinheit, zu verwenden.« Langfristig wünscht er sich Koopera­tionen mit Verlagen, um Abenteuer auch in bekannten Buchwelten spielen zu lassen oder Storys mit Sachbuch­themen zu entwickeln; eine Reihe mit Tierdetektivgeschichten ist bereits in Planung. Der Erfolg von Heimsafari be­flügelt ihn: Bisher wurde die App gut 6 000 Mal herunter­geladen, mehr als 1 200 Geschichten wurden durchgespielt, sprich: alle Rätsel gelöst.

Geschäftsidee: Schatzsuche für zu Hause, analoge Verstecke werden mit app-basierten Rätseln und Abenteuern kombiniert 
Zielgruppe: aktuell Kinder im Grundschulalter
Gegründet von: Johannes Wöhler  
Website: www.heimsafari.de

Ich kann mir eine Zusammenarbeit mit Zoos und Museen vorstellen. Außerdem wäre es denkbar, die App im Schulkontext zu verwenden – etwa nach einer abgeschlossenen Unterrichtseinheit.

Johannes Wöhler, Heimsafari

Wie kann man wieder mehr Menschen für das Lesen begeistern? Eine Frage, die nicht nur die gesamte Buchbranche umtreibt, sondern auch das Team der niederländischen App »Immer« rund um Niels ’t Hooft. Immer – übrigens ein Wortspiel mit dem holländischen wie deutschen Wort »immer« und dem auch im Englischen geläufigen »Immersion« – hat einen Lösungsansatz: Das Lesen am Smartphone muss erleichtert werden. »Verlage gestalten Bücher mit viel Aufwand, nur um das physische Exemplar dann ohne Liebe zum Detail einfach in eine digitale Datei zu konvertieren«, sagt Gründer ’t Hooft. 

Der Vorteil der Immer.App im Vergleich zu konventionellen E-Books oder zum PDF ist, dass das Start-up eine Typografie entwickelt hat, die den Text auf kleinem Bildschirm besser ­lesbar macht, mit kleineren Portionen und kontextuellen Markierungen. Dank der einfachen Navigation macht es die Immer.App Nutzer:innen leicht, sich einen Überblick über ein Buch zu verschaffen und darin zu blättern. »Unser Ziel ist es, das Leseerlebnis digital genauso zu gestalten wie auf Papier – oder sogar noch besser.« Nicht zuletzt will das Start-up Leserinnen und Lesern die »Angst« vor dicken Büchern nehmen, indem der Text nur portionsweise angezeigt wird. So kann man sich auch zwischendurch oder unterwegs für 15 Minuten in ein Buch vertiefen – »und ehe man’s sich versieht, hat man das Kapitel schon gelesen«. Nach einer langen Erprobungsphase mit 10 000 Tester:innen kommt die Immer.App diesen Sommer auf den Markt. In den Niederlanden arbeitet das Start-up schon mit allen großen Verlagen zusammen, deren E-Books im App-eigenen Store gekauft werden können; jetzt hofft das Team auf das Interesse deutscher Verlage.

Geschäftsidee: Die App optimiert Bücher fürs Handy oder Tablet, etwa durch Positionsanzeige und Portionierung der Texte
Zielgruppe: für alle, die digital besser und mehr lesen wollen
Gegründet von: Niels ’t Hooft, Lennart de Meij
Website: www.immer.app/en/reader/

Verlage gestalten Bücher mit viel Aufwand – und konvertieren das 
physische Exemplar dann ohne Liebe zum Detail in eine Datei. Unser Ziel ist es, das Leseerlebnis digital genauso zu gestalten wie auf Papier – oder sogar noch besser.

Niels ’t Hooft, Immer.App

Ob kompetitiv oder verspielt – QuizCo holt alle Lerntypen ab. Die Idee zur App entstand, als Maximilian Friedrich vor einigen Jahren beim Nachhilfeunterricht merkte, dass sich sein Schüler lieber mit »Quizduell« als mit dem Lernstoff beschäftigte. Die Lösung: Wissen über Gamification-Ansätze zu vermitteln. »Wir haben eine KI entwickelt, mit der PDFs, Websites und Videos umgewandelt werden in eine Zusammenfassung des Inhalts – oder aber in Karteikarten zum Lernen, in Quiz- oder Multiple-Choice-Fragen«, erläutert ­Jacob Cordts, der das Start-up gemeinsam mit Wiebke Barth und Maximilian Friedrich gegründet hat. Das Ziel: Lernen nachhaltig gestalten und Wissen langfristig im Gedächtnis ver­ankern. Beides ist laut QuizCo vor allem über den Spaß- und Wettstreitfaktor zu erreichen. 

Das 17-köpfige QuizCo-Team hat sich auf Firmen spezialisiert, für die vor allem der wirtschaftliche Aspekt relevant ist, um etwa bei der Weiterbildung Zeit, Geld und Personal zu sparen. Aber auch für Universitäten ist die Software sinnvoll: »Skripte, Präsentationen sowie Kapitel aus Büchern können zum Beispiel zu Vorbereitungsaufgaben für Prüfungen verarbeitet werden.« Das läuft so erfolgreich, dass das Start-up zusammen mit einem Partner jetzt den Markt in Australien und Neuseeland erobern will. Und in der Verlagswelt baut QuizCo darauf, digitale Zusatzangebote zu Büchern zu generieren. Denn, wie Cordts sagt: »Es gibt so wahnsinnig viel Material. Wir müssen nur einen Draht zueinander finden.«

Geschäftsidee: Lernen durch Gamification. Vorhandene Unterlagen werden per Knopfdruck zu Quizfragen, Lückentexten, Karteikarten  
Zielgruppe: Firmen, Universitäten, Schulen – und alle, die lernen
Gegründet von: Wiebke Barth, Jacob Cordts, Maximilian Friedrich  
Website: www.quizco.de

Wir haben eine künstliche Intelligenz entwickelt, mit der PDFs, Websites und Videos umgewandelt werden in eine Zusammenfassung des Inhalts – oder auch in Karteikarten zum Lernen und Quizzen.

Jacob Cordts, QuizCo

Stefanie Penck (TeNeues Verlag), 2022 Sprecherin der CONTENTshift-Jury:

Alle fünf Start-ups verbindet eine signifikante Grundidee: Ihre Geschäftsmodelle bieten Lösungen für die Nutzer:innen von heute, die online vorwiegend über Plattformen nach Angeboten suchen beziehungsweise auf diese aufmerksam werden.

Die Finalist:innen eröffnen unserer Branche Möglichkeiten, mit Inhalten am Onlinemarkt zu partizipieren, ohne uns von den bekannten Plattformriesen abhängig machen zu müssen. Dabei ist die Bandbreite der Geschäftsideen so groß wie erfrischend. 

Sie sprechen unterschiedlichste Bedürfnisse der Kund:innen an. Und zugleich eint alle Gründer:innen das Verständnis und die Leidenschaft für das besondere Erlebnis Buch in all seinen Facetten, die unserer Branche so immanent sind.