Von der Lobbyarbeit des Börsenvereins, die Sie hier ansprechen, dringt wenig nach außen. Manche Ihrer Mitglieder wünschen sich, dass der Verband lauter auftritt.
Kneissler: Wir machen wirklich viel Lobbyarbeit, auch wenn wir nicht mit jedem Thema lautstark an die Öffentlichkeit gehen. Wir stehen regelmäßig bei den politischen Entscheidern auf der Matte, sprechen mit ihnen und schildern unsere Probleme. Allein, aber auch gemeinsam mit anderen Verbänden. Mit Birgit Reuß und ihrem Team vom Berliner Büro des Börsenvereins sind wir vor Ort bestens vertreten und vernetzt. Aber dass unsere Mitgliedschaft sich oft ein lauteres Auftreten des Verbands wünscht, ist durchaus nachvollziehbar. Wir als Vorstand haben verstanden, dass wir die Sorgen unserer Mitglieder nach außen klarer kommunizieren und auch öffentlich deutlicher Stellung beziehen müssen.
Stefan Könemann: In unseren Ausschüssen sprechen wir regelmäßig
über eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf null Prozent in Deutschland bei vollem Vorsteuerabzug, wie es die EU jetzt grundsätzlich möglich macht. Der Verband ist sehr aktiv bei dieser Frage und legt gegenüber der Politik dar, dass andere Länder, wie etwa Frankreich, in dieser Frage schon weiter sind.
Kneissler: Wichtig ist für uns an dieser Stelle auch die Vernetzung mit internationalen Verbänden und Organisationen. Man erhält dadurch viele Impulse und kann sich länderübergreifend austauschen.
Christiane Schulz-Rother: Ich lade auch alle Mitglieder ein, sich an ihren Verband zu wenden, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Dafür sind wir da. Sprechen Sie mit uns!
Die Krisenlage trifft alle Sparten mit unterschiedlichen Aspekten. Die Logistik leidet unter Personalnot und hohen Spritpreisen. Müssen Barsortimente und Verlagsauslieferungen künftig Abstriche beim Service machen, um über die Runden zu kommen, Herr Könemann?
Könemann: In Bezug auf das Weihnachtsgeschäft bin ich, genau wie Frau Kneissler, verhalten optimistisch. Die Verlagsauslieferungen sind gut gefüllt. Energieausfälle sollen nach Einschätzung der Experten, wenn sie denn kommen, erst im späteren Teil des Winters kommen. Besonders schlimm wäre das für Verlagsauslieferungen, die eigene Kraftwerke mit Gas betreiben. Wenn unsere Branche nicht als systemrelevant eingestuft würde, würden dort buchstäblich alle Räder stillstehen. Für all das eine genaue Prognose abzugeben, ist sehr schwierig. Ein Dilemma für uns als Barsortiment besteht darin, dass die Dienstleistung, die uns wirklich Geld kostet, unsere Kerndienstleistung ist: die schnelle Belieferung der Buchhandlungen. Da können wir nur schwer Abstriche machen. Eine Verringerung des Belieferungsrhythmus würde dazu führen, dass unsere Kunden an allen Ecken und Enden ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren – auch und gerade gegenüber dem Onlinehandel.
Und wie steht es mit den anderen Dienstleistungen der Barsortimente?
Könemann: Bezüglich unserer Nebendienstleistungen werden wir alles auf den Prüfstand stellen, vor allem aber die Remissionen. Bei den Remissionen leisten wir uns trotz stark steigender Transportkosten den Luxus, große Mengen an Büchern nicht nur hin-, sondern auch wieder zurückzutransportieren. Ein Irrsinn! Auch wenn Sie jetzt meinen, der Zwischenbuchhandel legt immer die gleiche Platte auf (lacht): In diesen Zeiten ist es natürlich doppelt ärgerlich, doppelt zu transportieren. Wie Sie wissen, werden derzeit besonders hohe Mengen remittiert. Dafür müssen wir günstigere Lösungen finden, wie eine Ausweitung der körperlosen Remission.
Sind Kooperationen im Zwischenbuchhandel das Gebot der Stunde, um Leistungen sicherzustellen und Gebührenerhöhungen zu vermeiden?
Könemann: Das Thema wird sicherlich in allen Unternehmen diskutiert. Umbreit und Libri haben sich beim Bücherwagendienst bereits zusammengetan. Wir haben gesehen, wie durch den Rückgang der Zahl der Buchhandlungen die Touren länger werden. Das führt zu Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Zeitfenster. Der Wagen muss früher losfahren, hat dann möglicherweise nicht die gesamten Bestellungen an Bord, kommt eventuell in den Berufsverkehr und dann nicht mehr rein in die Fußgängerzonen. Je nachdem, wohin sich die Kosten entwickeln, wird man über all das nachdenken müssen. Aber in einer Branche, in der Groß- und Einzelhandel unter dünnen Margen leiden, haben wir wenig Gestaltungsspielraum.