Kurz darauf erhalte ich die Nachricht aus der morgendlichen Sicherheitsbesprechung der Buchmesse. Es wird wahrscheinlicher, dass es bei der Verleihung Störversuche geben könnte. Wir beschließen, dass ich bei meiner Einführung vor der Preisverleihung dem Publikum mitteilen werde, dass niemand unbefugt ans Pult treten dürfe, die Sicherheit vor Ort würde dies zu verhindern wissen.
Frauke Müller und Heidrun Gebhardt übernehmen nun ganz die Betreuung unseres Preisträgers. Sie erleben eine Pressekonferenz mit enormem Medienecho, während ich vor der Tür Telefonate führe. Gegen Mittag gibt es schon erste Anzeichen einer Entwarnung, nachmittags zeigt sich das BKA zufrieden. Die Politik kann kommen, ein Hoch auf die Sicherheit. Ansonsten ist alles ist ruhig. Die Probleme sind gelöst …
Am nächsten Tag bei der Generalprobe fliegt Salman Rushdie in die Herzen der ZDF-Mitarbeiter:innen. Sie sind von seinem Charme und seinem Witz begeistert. Beim Lesen seiner Dankesrede stellt er fest, dass die Schriftgröße zu klein ist. Ich verspreche ihm einen neuen Ausdruck. Immer und immer wieder proben wir mit ihm verschiedene Szenen, die für die Verleihung wichtig sind, bis mich der für die Übertragung verantwortliche Redakteur zur Seite nimmt. Es gebe Hinweise, dass am Sonntagmorgen die Bodenoffensive der israelischen Armee in den Gazastreifen beginnen könnte. Man wisse noch nichts Genaues, plane Sondersendungen, halte aber an der Live-Übertragung des Friedenspreises auf jeden Fall fest.
Man stelle sich das vor: Von 10 bis 11 Uhr eine Sondersitzung mit Live-Schaltung nach Tel Aviv, dann 75 Minuten Friedenspreis, um anschließend wieder aus Israel zu berichten. Würde man während der Live-Übertragung aus der Paulskirche vielleicht sogar einen News-Ticker am unteren Bildrand laufen lassen? Bis jetzt haben wir die Katastrophen umschifft, Lösun-gen gefunden und die Verleihung sogar noch würdevoller und sicherer gemacht. Das hier aber übersteigt unsere Fähigkeiten.
Zum Glück ist die Mitarbeiterin des Oberbürgermeisters vor Ort, sodass wir übereinkommen, dass ich im Falle einer Bodenoffensive in meiner Vorrede um eine Schweigeminute bitten würde – für die Menschen in Israel und im Gazastreifen, aber auch in der Ukraine, im Iran und allen anderen Kriegs- und Krisengebieten. Die Welt ist im Moment alles andere als friedlich. Umso wichtiger sind solche Preise wie der unsrige.