Denn die Buchmesse ist immer auch eine Messe des demokratischen Austauschs und der Presse- und Meinungsfreiheit, wie Buchmessedirektor Juergen Boos vor der 75. Frankfurter Buchmesse noch einmal betonte. Die sehenswerte Dokumentation "Geist, Geschäft und Party" zeigt, dass die Messe noch nie frei von politischen Turbulenzen war (bis 15. Januar 2024 zu sehen in der Arte-Mediathek).
Die Trauer über die barbarische Attacke der Hamas und das Bekenntnis, Israel habe ein Recht zur Selbstverteidigung, schienen noch bei der Messeeröffnung ein einigendes Band zu sein – wäre nicht der slowenische Philosoph Slavoj Žižek ans Pult getreten und hätte an diesem Konsens gerüttelt, indem er das Geschehen in Israel in den Kontext der weiteren Zeitgeschichte stellte und damit nach dem Empfinden zahlreicher Teilnehmer:innen relativierte.
Uwe Becker (CDU), Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen, eilte daraufhin zur Bühne und warf Žižek "Relativismus" vor – woraufhin das argumentative Pferd, auf dem der Philosoph saß, vollends mit ihm durchging. Es mache der europäischen Rechten immer schon Freude, Israel zu unterstützen, wie einst – so Žižek – auch Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts und Chefplaner des Holocausts, einen jüdischen Staat in Nahost befürwortet habe. Becker antwortete darauf: "Das ist eine Schande."
Nach dem Eklat trat Juergen Boos ans Pult und zeigte sich tief betroffen: "Für die Worte, die du sprechen musstest, im Namen der Menschlichkeit, um die trauere ich. Und es ist mir sehr wichtig, dass wir uns alle einig sind in der Verurteilung der Unmenschlichkeit, in der Verurteilung des Terrors." Es sei dennoch gut gewesen, die Rede bis zu Ende gehört zu haben – "auch wenn wir sie vielleicht sogar verurteilen", so Boos.