So funktioniert Multitasking
Wer die richtigen Tätigkeiten miteinander kombiniert, kann einiges gleichzeitig erledigen. Erste Regel: Je mehr Grips für die eine Aufgabe erforderlich ist, desto weniger darf die andere brauchen.
Wer die richtigen Tätigkeiten miteinander kombiniert, kann einiges gleichzeitig erledigen. Erste Regel: Je mehr Grips für die eine Aufgabe erforderlich ist, desto weniger darf die andere brauchen.
»Anbei sende ich Ihnen die korrigierte Fassung des Brownies.« Dieser Satz ist einmal genau so passiert. Mir. Mein Gehirn kann mit Worten ganz gut umgehen, und vielleicht funktioniert die Leitung vom Hirn zu den Fingerspitzen sogar zu gut. Wenn neben mir ein Gespräch stattfindet, in dem es um teils emotionsverknüpfte Dinge (wie Geburtstage und Kuchen!) geht, tippe ich einzelne Worte daraus gern mal in den Text, der gerade in Arbeit ist. Sie kennen das bestimmt.
Ist das nicht ein stichhaltiger Beweis dafür, dass Multitasking nicht möglich ist? Nachdem diese Fähigkeit eine Zeit lang als das neue Wundermittel in stressigen Phasen gehandhabt wurde, liest man aktuell eher, Multitasking sei eine Lüge. Dem würde ich grundsätzlich zustimmen, aber nicht uneingeschränkt. Es kann recht erkenntnisreich sein, zu differenzieren, was ich hiermit versuchen möchte.
Was hypothetisch betrachtet nicht funktioniert: lektorieren und gleichzeitig ein Gespräch führen. Mails schreiben und das Kind bespaßen. Kritisch lesen während der Fernseher läuft. Was hypothetisch betrachtet funktionieren kann: kritisch lesen und gleichzeitig darauf achten, dass man an der richtigen U-Bahn-Station aussteigt. Beim Brainstorming mit der Katze spielen (regt das kreative Denken an). Kaffee kochen und gedanklich um eine Formulierung kreisen. Hörbuch hören und Wäsche abhängen. Mails sortieren während Musik läuft.
Wobei sich bei Musik die Geister scheiden. Manche Menschen lieben sie als Hintergrundplätschern. Sie können sich von sogenannter klassischer Musik wunderbar berieseln lassen und sich währenddessen ganz einer anderen Sache widmen. Ich selbst bin aufgrund meiner Biografie bei orchestralen Werken, Oper oder Kammermusik besonders versucht, analytisch hinzuhören.
Multitasking ist also so individuell wie die Vorlieben unserer Gehirne. Aber das geheime Rezept dafür ist ganz einfach: nie zwei Denktätigkeiten kombinieren. Eine Aufgabe, die pausenlose Konzentration erfordert, wird zwangsläufig schlechter und langsamer erledigt, wenn Aufmerksamkeit davon abgezogen wird. So gibt es viele ernsthafte und wichtige Tätigkeiten, die wir nicht nebenbei erledigen können und wollen.
Es gibt genug Dinge, die weniger Gehirnschmalz brauchen. Stellen Sie doch mal eine Liste auf: Tätigkeiten sortiert nach Denkaufwand, oben die, die kaum Kapazitäten verbrauchen, dann mittelmäßig anstrengende, und unten solche, die sehr viel Konzentration erfordern. Nun ziehen wir geschwungene Linien zwischen den Tätigkeiten, die kombinierbar sind. Kleinere Bögen zwischen benachbarten Tätigkeiten ergeben sich nur im niedrigen oder mittleren Kapazitätsbereich. Je höher die Aufmerksamkeit sein muss, desto weniger Grips darf das erfordern, was gleichzeitig erledigt werden kann. Experimentieren Sie mit unterschiedlichen Kombinationen, die sich vielleicht sogar gegenseitig befruchten. Ich bin mir sicher, da ergeben sich ganz neue Synergien. Dann multitasken Sie nicht nur, sondern sind in Sachen Qualität und Effizienz richtig gut unterwegs.
Veronika Weiss (37) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.