Die Jury über „Unser Deutschlandmärchen“ von Dinçer Güçyeter: Mit eigener Sprache und lyrischer Innovation der Romanform erzählt Dinçer Güçyeter die Geschichte seiner Familie. Diese steht einerseits stellvertretend für viele so genannte "Gastarbeiter*innen", die Rassismus und unmenschliche Arbeitsbedingungen erleben. Andererseits verleiht Güçyeter den verschiedenen Erzählstimmen in seiner poetischen Sprache so viel Tiefe und Widersprüchlichkeit, dass man den Weg zur Künstlerwerdung des Ich-Erzählers atemlos begleitet.
Die Jury über „Bittere Brunnen: Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“ von Regina Scheer: Teilnehmende Biographik - so könnte man Regina Scheers Lebensbeschreibung von Hertha Gordon-Walcher nennen. Scheer war mit ihr befreundet und erzählt auf der Grundlage jahrelanger Gespräche. Geboren 1896 und gestorben 1990 kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, war die jüdische Kommunistin Gordon-Walcher Zeitzeugin einer permanenten Desillusionierung in Kaiserreich, Weimarer Republik, „Drittem Reich", Exil und DDR, die aber ihrem politischen Idealismus nichts anhaben konnte.
Die Jury über Johanna Schwerings Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch von Aurora Venturinis „Die Cousinen“ (dtv): Die Art-brut-Künstlerin Yuna schreibt sich mit Hilfe eines Wörterbuches aus ihrer, wie sie selbst sagt, „Minderbemitteltheit“ heraus und findet dabei zunehmend eine Sprache für die von Dumpfheit, Armut und Missbrauch geprägten Familienverhältnisse. Dieser harte, dabei aber niemals zynische Roman braucht die kongeniale Übersetzung, weil er die Aufklärung in der sprachlichen Entwicklung der Erzählerin bis in die Kommasetzung hinein konkret vorführt.