Finanzierung von Lesefestivals

Wer soll das bezahlen?

12. Mai 2022
Thomas Kraft

Lesungen und Festivals überfordern Veranstalter oft in ihren finanziellen Möglichkeiten. Die öffentliche Hand ist gefragt, das notwendige Gespräch über Literatur besser zu fördern – findet Festival-Kurator Thomas Kraft.

Fünfstellige Summen für einen buchbasierten Vortrag, die Forderung einer Sachbuchautorin nach einem Hubschrauber(!) für die Anreise zu einem Literaturfestival, Literaturagenten, die mit einem Koffer nach der Veranstaltung darauf warten, dass sie die Einnahmen an der Abendkasse noch vor der Abrechnung einpacken können – ich habe in den vergangenen 30 Jahren, in denen ich Veranstaltungen im literarischen Feld organisiere, vieles erlebt. Promotion für das eigene Buch zu betreiben, unterliegt in Deutschland einem groben Missverständnis. Als ich 2004 die Ehre hatte, Umberto Eco als Gast auf der Münchner Bücherschau zu begrüßen, bekam ich eine klare Ansage vom italienischen Starautor. Er mache gern Werbung für sein Buch und wolle dafür selbstverständlich kein Honorar. Eine professionelle Moderation auf der Bühne, ein schönes Hotel, die Reisekosten und eine gute Flasche Wein zum Abendessen – das reiche völlig aus. Diese Erfahrung habe ich mit internationalen Autoren häufiger gemacht. 

Es ist die Ausnahme, dass sich Verlage an den Kosten für eine Veranstaltung beteiligen. Und Autoren sind anspruchsvoll, 500 Euro, die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten gelten als unterste Grenze für einen Abend. Da verwundert es nicht, dass immer weniger Buchhandlungen noch Lesungen anbieten (können). Denn sie haben andere, existenzielle Sorgen.

Wer als Autor vom Schreiben leben will, schielt auf die ­Lesungshonorare als Eckpfeiler der eigenen ökonomischen Existenz. Nur beißt sich hier die Katze eben zunehmend in den Schwanz. Die Pandemie hat die Situation nochmals zugespitzt, denn das zahlende Publikum agiert viel zurückhaltender als bisher. Selbst große Festivals, die von engagierten Privatmenschen und Vereinen organisiert werden, arbeiten am Rande des Bankrotts. Und es sollte nicht im Sinne der Autoren und Verlage sein, dass Tickets für Lesungen so teuer sein müssen wie im Moment, damit diese überhaupt noch stattfinden können. Das ist auch eine Frage demokratischer Kultur. 

Promotion für das eigene Buch zu betreiben, unterliegt in Deutschland einem Missverständnis.

Thomas Kraft

Hier kommt die öffentliche Hand ins Spiel. Schnell zeigt man auf unser Nachbarland Österreich, das mit seiner Autoren- und Verlagsförderung vorbildlich agiert. Ja, dort bekommt man als Autor auch ein Stipendium, wenn man schon etwas älter ist, eine Familie hat (die man nicht für drei Monate verlassen muss, weil das Stipendium im Schwarzwald oder in Brandenburg mit einer Residenzpflicht, einer Auftragsarbeit und 1 500 Euro im Monat verbunden ist!) und nicht gerade zufällig über das Thema »Nächstenliebe« schreibt. Nein, einfach für das, an dem man arbeiten möchte. Und wo man arbeiten möchte. Wer sich in Deutschland – sei es als Autor oder Veranstalter – schon mal für ein Stipendium oder öffentliche Fördergelder beworben hat, weiß nur zu gut, welche bürokratischen Hürden genommen werden müssen, bevor auch nur die Aussicht auf Unterstützung besteht. Das Regelwerk ist kompliziert, von hohem Verwaltungsaufwand und bedarf dringend der Überarbeitung. Die Zahl der Stipendien für Autorinnen und Autoren sollte deutlich erhöht werden und dabei nicht an Auflagen und Kriterien gebunden sein. Das würde diese vom Existenzdruck befreien, sie könnten ihre Bücher bei Lesungen so präsentieren, dass sich die Veranstalter und die Besucher nicht von den Kosten abschrecken lassen. 

In diesen Zeiten, in denen Krieg herrscht und über Nachhaltigkeit und Zukunft viel geredet wird, ist das Buch das wirksamste Medium, das Gespräch über den Menschen und seine Perspektiven fortzuführen. Daran müsste uns allen gelegen sein.