Interview mit Sarah Sprinz

"New Adult schließt die Lücke, die es bisher in der Literatur gab"

26. Oktober 2023
Charline Vorherr

Das Genre New Adult wird als Trend wahrgenommen. "Jung zu sein, ist kein Trend", findet aber Bestseller-Autorin Sarah Sprinz. Ernstgenommen fühlen sich die Autor:innen vom Literaturbetrieb häufig nicht. Wir haben auf der Frankfurter Buchmesse mit ihr über den Einfluss ihres Medizinstudiums auf ihren Job, den Literaturbetrieb, kurze Erscheinungsrhythmen und die Soundtracks der New Adult Romane gesprochen. 

Sarah Sprinz

Sarah Sprinz, wie haben Sie mit dem Schreiben angefangen?
Ich habe als Kind super viel gelesen und war immer total traurig, wenn die Bücher, die ich so geliebt habe, zu Ende waren - und ich habe dann selbst Fortsetzungen dieser Bücher geschrieben. Später habe ich dann meine ersten Schreibversuche auf einer Schreibplattform geteilt.

Alle drei Bände der Dunbridge-Academy haben es auf Platz 1 der Bestsellerliste geschafft.  Nun auch der erste Band der Infinity Falling-Trilogie. Haben Sie vor dem Start Ihrer Schriftstellerkarriere mit diesem Erfolg gerechnet?
Nicht im Geringsten. Ich wusste damals tatsächlich nicht mal, dass man Autorin werden kann. Natürlich war mir bewusst, dass Bücher von Menschen geschrieben werden, aber ich konnte mich als junge Frau damit nicht identifizieren und habe auch keine Vorbilder in diesem Bereich gehabt, zu denen ich aufschauen konnte. Ich habe ja auch Medizin studiert. Für mich ging es beruflich also erst mal in eine komplett andere Richtung, in die Buchbranche bin ich eher reingerutscht. 

Sie sagten, Sie hätten damals keine Vorbilder von jungen, professionell arbeitenden Autorinnen gehabt. Hat sich das vor Ihrem Karrierestart noch einmal geändert?
Tatsächlich. Etwa um das Jahr 2016, mit dem Aufschwung von New Adult in Deutschland, habe ich erstmals Autorinnen gesehen, die Anfang/Mitte 20 waren und erkannt: Man kann auch als junge deutsche Frau, Autorin sein und Bücher bei Verlagen veröffentlichen. Dabei hat auch Social Media eine große Rolle gespielt, weil ich mich verbundener mit den Autorinnen gefühlt habe.

Mit dem Aufschwung von New Adult in Deutschland, habe ich erstmals erkannt: Man kann auch als junge deutsche Frau, Autorin sein und Bücher bei Verlagen veröffentlichen.

Sarah Sprinz

Kurze Erscheinungsrhythmen im New Adult

Parallel zur beginnenden Schriftstellerei haben Sie auch ein Medizinstudium abgeschlossen. Wie hat sich Ihr Berufsalltag seit dem Abschluss verändert?
Er ist deutlich entspannter geworden. Ich habe all meine Bücher - bis auf Infinity Falling - während des Studiums geschrieben. Das war eine enorme Belastung. Ich veröffentliche Trilogien, die eng getaktet sind, mit meistens 4 bis 6 Monatsabständen zwischen den einzelnen Bänden. Das war sehr stressig während des Medizinstudiums. Jetzt habe ich einfach deutlich mehr Zeit fürs Schreiben.

Dieser enge Erscheinungstakt ist typisch für New Adult. Das erzeugt vermutlich auch viel Druck auf Sie als Autorin?
Das stimmt. Und es ist tatsächlich eine neue Entwicklung, die, glaube ich, ja auch auf das Genre begrenzt ist. In anderen Genres und damals, als ich selbst Leserin war, ist es völlig normal, ein oder zwei Jahre auf eine Fortsetzung zu warten. Im New Adult hat sich diese krasse Schnelllebigkeit entwickelt und sie nimmt weiter zu. Diese Entwicklung wird auch durch Social Media beeinflusst, weil du dort alles jederzeit bekommen kannst. Ein Buch muss aber trotzdem erst mal geschrieben, lektoriert und dann auch veröffentlicht werden.

Hat der Druck Auswirkungen auf die Qualität?
Ich versuche, mich nicht allzu sehr unter Druck setzen zu lassen. Für mich ist die Qualität meiner Geschichten wichtiger. Wenn die Qualität leiden würde, dann würde ich auch Abstand von dem Veröffentlichungsdruck nehmen, selbst wenn der VÖ schon feststeht. Am Ende muss ich mit dem Endprodukt glücklich sein und dahinterstehen können.

Wie sieht die Recherche für Ihre Romane aus? Die Dunbridge Academy spielt beispielsweise in Schottland. Waren Sie dort? Oder geht es mehr darum, die Atmosphäre zu beschreiben?
Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass ich weiß, worüber ich schreibe. Ich könnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, über ein Setting zu schreiben, das ich persönlich noch nie erlebt und gesehen habe. Natürlich habe ich nie in Schottland gelebt und bin nie selbst auf ein Internat gegangen, aber ich war an all meinen Settings, meist im Rahmen eines Urlaubs, und habe recherchiert, weil ich glaube, dass man das den Büchern anmerkt, wenn man selbst nicht vor Ort war und nicht die Möglichkeit hatte, die Atmosphäre der Orte zu erleben.

Im New Adult hat sich diese krasse Schnelllebigkeit entwickelt und sie nimmt weiter zu.

Sarah Sprinz

Inspiration aus dem Medizinstudium

Sie haben auf Instagram und TikTok jeweils fünfstellige Followerzahlen. Welchen Anteil Ihres Erfolgs rechnen Sie  Ihrer BookTok- und Bookstagram-Community an?
Ich glaube, dass TikTok und Instagram eine Relevanz haben und den Hype weitergetragen und wahrscheinlich auch vervielfacht haben. Allerdings bin ich ja mit einer sehr geringen Reichweite in die Buchbranche gestartet. Als ich damals bei LYX veröffentlicht habe, hatte ich 2.000 Follower. Deswegen glaube ich schon, dass ein Erfolg auch immer mit der Expertise des Verlags zu tun hat, der weiß, wie man das Buch vermarktet und vertreibt. Und dann ist es natürlich schön, wenn es auf TikTok und auf den sozialen Medien auch funktioniert. Ich glaube, das muss Hand in Hand gehen. Ich weiß auch, dass hier bei LYX wirklich alle mit dem Herzen dabei sind und wirklich lieben, was sie tun. 

Bekommen Sie auch Inspiration direkt aus der Community?
Eher indirekt. Sobald die Community davon erfährt, was ich schreibe, steht das für mich meist schon längst fest. Die Community bewertet eher, wobei dieser Austausch natürlich sehr wichtig für mich und meine Bücher ist. Meine Inspiration nehme ich aber auch aus anderen Bereichen.

Woher?
Tatsächlich, das klingt immer so abgedroschen, aus dem ganzen Leben, also wirklich aus Gesprächen, aus Begegnungen, auch viel aus anderen Medien, zum Beispiel aus der Musik. Ich konnte auch viel von meinem Studium profitieren, weil Medizin so menschennah ist und ich dort viel erlebt habe, das in die Bücher einfließen konnte. New Adult Bücher sind eben nicht nur diese rosaroten Romance-Bücher, sondern behandeln auch die ernsten Themen, die unsere Generation beschäftigen.

Ich konnte auch viel von meinem Studium profitieren, weil Medizin so menschennah ist und ich dort viel erlebt habe, das in die Bücher einfließen konnte.

Sarah Sprinz

Viele Romance-Bücher starten mit einer Playlist als Soundtrack zum Buch. Häufig sieht man ähnliche Künstler auf den Playlists: Taylor Swift, Harry Styles. Welche Musik hat den größten Einfluss auf den New Adult Bereich?
Vor allem klassische Popmusik, die Playlists bilden natürlich ab, wer gerade relevant ist und viel Einfluss auf unsere Generation hat. Große Künstler:innen wie Harry Styles und Taylor Swift entdeckt man in den meisten Playlists. Gleichzeitig ist es auch eine Möglichkeit, ganz neue Stimmen zu entdecken, wie die viele deutschen Indie-Künstler:innen in den Playlists. Ich freue mich, dass sich die unterschiedlichen Künstler:innen so gegenseitig unterstützen. Und die Community kann während des Lesens nachfühlen und nachhören, was die Autor:innen während des Schreibens inspiriert hat.

LYX-Stand auf der Frankfurter Buchmesse

Die Buchbranche als New Adult Autorin

Wie gehen Sie mit Ihrer Prominenz um?
Das ist immer sehr ans Setting gebunden. In meinem Alltag empfinde ich mich nicht als prominente Person. Ich wohne ja am Bodensee und werde selten erkannt. Auf einer Buchmesse ist klar, dass ich von Leser:innen erkannt werde. Es erstaunt mich immer wieder, weil ich damals, als ich 14, 15 war, nicht wusste, wie die Autor:innen meiner Lieblingsbücher aussahen. Und ich freue mich einfach total. Es ist viel wertvoller für mich, jemanden vor mir stehen zu haben, der mir sagt, dass er mein Buch mochte, als es als Textnachricht oder Rezension zu lesen.

Wie erleben Sie denn als New Adult Autorin die Branche?
Inzwischen als offener als noch vor einigen Jahren. Gleichzeitig aber immer noch als recht festgefahren in manchen Bereichen.

Haben Sie das Gefühl, Sie – auch im Sinne des Genres – werden vom klassischen Feuilleton oder Literaturbetrieb übersehen?
Ich bin mir relativ bewusst darüber, wen ich ansprechen möchte und wer meine Zielgruppe ist und habe nicht das Gefühl, ich bräuchte das als Bestätigung für mich selbst als Autorin. Aber es ist natürlich nach wie vor so, dass Romance und besonders New Adult eher als Trend, als Modeerscheinung, wahrgenommen wird, was mich persönlich eben auch als junge Frau traurig macht. Ich glaube, New Adult schließt gerade diese Lücke, die es bisher in der Literatur gab. Ich selbst habe Jugendliteratur gelesen und hatte dann das Gefühl, ich bin da rausgewachsen, habe mich gleichzeitig aber einfach in den erwachsenen Romances noch nicht wiedergefunden. Und dann kam New Adult ins Spiel. Es ist kein Trend, jung zu sein. Deswegen finde ich es schade, dass das Genre nicht nur als Trend abgestempelt wird, sondern, dass sich auch manchmal keine Mühe gegeben wird, es überhaupt verstehen zu wollen.

Und wie gehen Sie mit der Abwehr um?
Ich bin glücklicherweise in der Lage, das an mir abprallen zu lassen. Das direkte Feedback von denen, die ich erreichen will, ist für mich die beste Bestätigung. Ich finde es einfach wichtig, dass die Worte, die ich schreibe, Menschen berühren.

Was würden Sie sich vom Literaturbetrieb wünschen?
Unvoreingenommenheit und Interesse an unserem Genre und an uns Autorinnen. Und Respekt.

Es ist kein Trend, jung zu sein. Deswegen finde ich es schade, dass das Genre nicht nur als Trend abgestempelt wird, sondern, dass sich auch manchmal keine Mühe gegeben wird, es überhaupt verstehen zu wollen.

Sarah Sprinz

Haben Sie eine Lieblingsbuchhandlung?
Ich liebe jede Buchhandlung, aber tatsächlich mag ich  besonders gerne die Mayersche Buchhandlung in Aachen. Ich habe in Aachen studiert, sehr viel Zeit verbracht. Da gibt es auch ein Buchcafé. Da saß ich oft und habe an meinen Geschichten gearbeitet und mir vorgestellt, wie es wäre, wenn meine Bücher dort eines Tages mal im Regal stehen. Deswegen fühle ich mich dieser Buchhandlung sehr verbunden. 

Wie sieht es mit kleineren Buchhandlungen aus?
Es ist tatsächlich schwierig. In kleineren Städten ist das New Adult Genre meinem Gefühl nach oftmals noch nicht allzu gut angekommen. Es gibt durchaus Buchhandlungen, die ich sehr gerne besuche, aber dann manchmal eher ernüchtert verlasse, weil ich das Gefühl habe, dass ich mich da als junge Leserin nicht sehr repräsentiert fühle.

Würden Sie kleinen Buchhandlung mehr Mut zu New Adult zusprechen?
Ja, tatsächlich. Ich glaube, dass es einfach auch sinnvoll ist. Man möchte ja auch die junge Generation in die Buchhandlung holen. Gleichzeitig wird jungen Menschen aber leider oft vermittelt: „Wenn du nicht diese Literatur liest, dann bist du nicht intellektuell genug“. Also ich fände es schön, wenn da ein breiteres Angebot für alle da wäre.

Was lesen Sie gerne?
Ich lese tatsächlich viel aus meinem eigenen Genre, aber inzwischen hauptsächlich auf Englisch. Ich habe das Gefühl, dass ich auf Deutsch immer sehr den Autorinnen-Blick auf die Bücher habe. Und auf Englisch fällt es mir leichter, den abzulegen. Ich glaube, es ist so eine Mischung aus klassischer Romanze und New Adult. Im Moment bin ich großer Fan von Taylor Jenkins Reid. Sie schreibt einfach unfassbar tolle Romane.

Wie sehen Ihre weiteren Schreibpläne aus?
Ich bin aktuell mit meiner Infinity Falling Reihe beschäftigt. Der zweite Band erscheint Ende Februar und den dritten Band schreibe ich gerade.

Und wie tanken Sie auf?
Indem ich Zeit mit meiner Familie und meinen Freundinnen verbringe und auf Reisen bin. Ich bin super gern unterwegs und kann dann neue Inspirationen sammeln und Kraft schöpfen.