Halle 3 auf der Frankfurter Buchmesse

"Wo ist denn der Anfang der Schlange?"

22. Oktober 2023
Redaktion Börsenblatt

So viele 13- bis 25-Jährige waren noch nie so gedrängt auf der Buchmesse: Am Samstag durchzogen nicht nur riesenlange Menschenschlangen die Halle 3.0 und kreuzten sich immer wieder, nein, sie begannen bereits weit außerhalb der Halle. Der Grund: Bücher mit Farbschnitten, Romance und prominente Autor:innen.

Eine kleine Schlange: Mappenschau bei Loewe

"Wofür steht Ihr hier an?"

"Wo ist denn hier der Anfang der Schlange?", das war am Samstag spätestens gegen Mittag der wohl meistgehörte Satz in Halle 3.0. Denn wer endlich im wogenden Gedränge den Stand gefunden hatte, wo er gerne den ersehnten Farbschnitt erstehen, sich ein Buch signieren oder ein Selfie mit der Autorin machen wollte, der sah schon weitem: Hinten anstellen! Nur: Wo war das?

Meist half nur, den Weg nach hinten zu verfolgen, aber schon an der Kreuzung von zwei Gängen kam die nächste Herausforderung: Geht die Schlange rechts, links oder geradeaus weiter? Weshalb ständig zu hören war: "Wofür steht Ihr hier an?" oder "Ist das die Schlange für XX?" Meist waren die Suchenden in Grüppchen Gleichgesinnter, die untereinander ein "Ich kapier das nicht" und "Kann doch nicht sein, dass die Schlange überhaupt nicht aufhört..." zuraunten. Doch, das konnte sein, eine Schlange nahm schon Freitag gegen Abend fast die ganze Länge entlang der Halle 3 ein, zwischen Innen- und Außenhülle; am Samstag zog sie sich dann außerhalb der Halle bis weit in Richtung Messeeingang. "Ich steh jetzt hier in der Schlange", ruft ein Mädchen in ihr Handy, "ich kann jetzt nicht weg. Ruf mich in ner Stunde wieder an, dann hab ich's vielleicht bis in die Halle geschafft."

Nagellack passend zur Coverfarbe

Wer so viel Stehvermögen aufbringt, der hat ein Ziel. Romance-Romane waren das Objekt des Begehrens, entsprechend die Stände von Lyx, One, Carlsen und vor allem Stand B122: die Bücherbüchse, die Titel mit Farbschnitten versieht und sich einiges für die Buchmesse exklusiv ausgedacht hatte, auch mit Signieraktionen mit sechs Autorinnen wie Stella Tack oder Lilly Lucas. "Oh, Du hast ja die Fingernägel neu lackiert!", bemerkt ein Mädchen und seine Freundin antwortet: "Ja, guck mal, das ist genau der Farbton wie hier auf dem Cover - gut, was?" Der ultimative Höhepunkt des Schlangestehens ist dann ein Selfie mit der Autorin.

Geduldig sind sie, die 13- bis 25-Jährigen, meist weiblich, einige haben ihre Freunde mitgezogen, die manchmal ungeduldig fragen, wie lange das wohl noch dauert und ob man eigentlich noch was anderes sehe auf dieser Messe. "Wir stehen das jetzt hier durch!", sagt eine, und eine andere meint trocken: "Im wahrsten Sinne des Wortes!", worauf alle in der Schlange zu lachen beginnen. Kritisch wird es immer dann, wenn die Schlange nicht weiter rückt, sondern steht. Im Gang H, der hinterste und sonst eher ruhige Gang, schnürt sich am Samstagmittag ein Knoten. Rund 500 Menschen stehen vorm Thalia-Stand H91, wo man Autoren wie Sebastian Fitzek treffen kann (im Moment sind gerade Ayla Dade und Lilly Lucas am Signieren); nichts bewegt sich mehr vor und zurück.

Die kleineren Schlangen: Mappen-Schau

Fast schon harmlos dagegen sind die Schlangen, die sich an den Fachbesuchertagen vor den Ständen von Kinder- und Jugendbuchverlagen bilden: Einige bieten die "Mappen-Schau" an, und angehende Illustratorinnen nutzen die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren und sich Feedback geben zu lassen. So viel Zeit wie in Bologna ist hier nicht, aber "die Chance will ich schon nutzen", meint eine Studentin aus Hamburg.

Versperrte Stände

Was des einen Freud, ist des anderen Leid: Eine menschenkette mit durchschnittlich fünf bis sieben Menschen haben eine gewisse Dichte, die ein Buchmessebesucher nicht ganz so leicht durchdringt. Und die Kette lässt schon optisch keinen Blick auf den Messestand und die Bücher dahinter zu, höchstens noch die in der obersten reihe. Weshalb die Verlagsmitarbeiter der Stände, die von den Menschenketten verbarrikadiert sin, in den meisten Fällen not amused sind, wollen sie doch vom Lesepublikum wahrgenommen werden und mit ihm ins Gespräch kommen. Dass die jungen Leser:innen in die 3.0 strömen, freut ausnahmslos alle. Dass sie die eigenen Stände versperren, nicht: "Das muss nächstes Jahr anders werden!", lautet die einhellige Forderung.

Schlangen vor der Kasse

Eine vierte Art der Schlange allerdings ist hausgemacht: Jeder Stand verkauft Bücher, und so bilden sich auch hier oft Schlangen vor der Kasse. Manchmal erleichtern Hinweise wie "Zur Kasse bitte hier anstellen" die Orientierung, aber zehn bis 20 Meter-Schlangen in Zweierreihen sind keine Seltenheit. Die Schlangen jedoch braucht es, von den kleineren bis zu den ganz großen Verlagen: "Na klar, der Bücherverkauf deckt wesentlich die Kosten für den Messeauftritt."