Monsieur Leroy, was hat Sie an Max Annas interessiert? Seine Themen – oder seine literarische Raffinesse?
Jérôme Leroy: Die literarische Raffinesse des Originals ist bei einer Übersetzung immer schwer zu beurteilen, obwohl ich finde, dass die Übersetzerin Mathilde Sobottke eine großartige Arbeit macht. Die Themen von »Illegal« und »Die Mauer« haben mich selbstverständlich sehr interessiert, denn es sind ja typische Themen des Roman noir: die Gated Communitys in »Die Mauer«, und wie die Reichen eine Art Sezession vom Rest der Welt betreiben, um unter sich zu bleiben. Und dann spielt der Roman auch noch in Südafrika, da ist der Effekt durch das Post-Apartheid-Klima noch verstärkt. Bei »Illegal« ist es die Geschichte des Migranten ohne gültige Papiere, der in Berlin zu überleben versucht; diese Geschichte könnte sich genauso gut in Frankreich, in Paris, abspielen. Das ist kein deutscher Roman, es ist ein europäischer Roman.
Herr Annas, was bedeuten Ihnen die Romane von Jérôme Leroy?
Max Annas: Es war gar nicht lange her, dass ich »Der Schutzengel« gelesen hatte, mit großer Begeisterung. Jérôme ist einer der interessantesten Schreiber dieser Tage, so viel wusste ich aus eigener Erfahrung. Er seziert die Lügen französischer Politik mit brutaler Genauigkeit und sehr kühlem Auge.
Ist Ihr Zweierwerk »Terminus Leipzig« die Synthese der Beschäftigung mit Terror in all seinen Ausprägungen?
Max Annas: Ach, mit dem T-Wort in seinen Variationen kann ich eigentlich nicht viel anfangen. Der Wortstamm wird viel gebraucht und fast genau so oft missbraucht. Der Begriff Terrorismus zum Beispiel ist gerade, das ist meine Wahrnehmung, weltweit am häufigsten in der Benutzung, um Leute zu diskreditieren, die im Journalismus und in NGOs arbeiten. Wir haben nach einer Geschichte gesucht, die einen Platz im Heute hat. Und wir haben uns sehr schnell darauf geeinigt, dass sie damit zu tun haben soll, staatliche und nicht-staatliche Figuren darin zusammenzubringen. Was wir in dem Roman darstellen, läuft dann mehr in der Aktion ab als in der Analyse. Ob es also zum Beispiel vorstellbar ist, dass sich Figuren, die innerhalb der Institutionen angesiedelt sind, mit solchen zusammenschließen, die nicht darin platziert sind, müssen die Lesenden dann für sich entscheiden.
Jérôme Leroy: Für mich ging es bei dem Projekt mit Max vor allem darum, ein deutsch-französisches Thema zu finden. Und in beiden Ländern gab es eben einen bewaffneten Kampf der extremen Linken, auch wenn die »bleiernen Jahre« in Deutschland früher waren und auch intensiver. Das fand ich interessant: zusammen mit Max die Spuren zu suchen, die das in beiden Ländern hinterlassen hat, noch ein halbes Jahrhundert später.