Studie zu KI im Handel

Werden die Kleinen abgehängt?

11. April 2025
Redaktion Börsenblatt

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich im deutschen Handel zunehmend zu einem strategischen Erfolgsfaktor – doch gerade kleinere Unternehmen zögern. Eine aktuelle Studie des Handelsverbands Deutschland (HDE) und Safaric Consulting zeigt, wie unterschiedlich Handelsunternehmen KI nutzen und was bremst. Was Buchhandlungen aus den Ergebnissen lernen können.

Künstliche Intelligenz im Handel: Zwischen Aufbruch und Zurückhaltung

Der Handelsverband Deutschland (HDE) und Safaric Consulting haben im Zeitraum von November 2024 bis Februar 2025 insgesamt 175 Handelsunternehmen zu ihrem Umgang mit Künstlicher Intelligenz befragt. Die Studie "KI-Index 2025" baut auf Vorgängerstudien aus den Jahren 2020, 2021 und 2023 auf und bietet – das ist neu - ein systematisches Reifegradmodell zur KI-Nutzung im Handel. Die Unternehmen stammen aus verschiedenen Handelsbranchen – auch kleinere Betriebe mit einem Jahresumsatz unter 50 Mio. Euro sind in der Erhebung vertreten (Anteil: 45,6 %).

Ziel war es, den aktuellen Stand der KI-Nutzung, die konkreten Einsatzbereiche, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren zu analysieren – und daraus konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten.

"Die Ergebnisse zeigen klar: Der Handel will KI – aber er braucht verlässliche Strukturen, um die Anwendungen in der breiten Masse voranzubringen. Für den Mittelstand ist entscheidend, dass sinnvolle Anwendungsbeispiele zur Verfügung stehen und unnötige regulatorische Hürden vermieden werden. Nur so kann die Innovationskraft der Branche voll ausgeschöpft werden", so der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp.

In der Studie wurde der KI-Reifegrad im Handel erstmals systematisch gemessen. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bewegt sich aktuell auf den Stufen zwei bis drei des neuen KI-Reifegradmodells – das entspricht einem niedrigen bis mittleren Entwicklungsstand. Die Mehrheit setzt die Technologie bislang als isolierte Lösung in einzelnen Anwendungsfeldern ein. Unternehmensweite, strategisch verankerte KI-Projekte sind noch die Ausnahme. "Künstliche Intelligenz wird durch die breite Akzeptanz von generativer KI zu einer relevanten Schlüsseltechnologie, deren Potenzial Händlerinnen und Händler erkannt haben. Dabei sind finanzielle Ressourcen, KI-Fähigkeiten sowie gute Daten wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der KI-Projekte", ergänzt Alexander Safaric, geschäftsführender Gesellschafter von Safaric Consulting.

Zwischen kleinen und großen Handelsunternehmen klafft dabei eine immer größer werdende Lücke bei Einsatz und Planung von KI.

Der Reifegrad ist ausbaufähig – vor allem im Mittelstand

Die Mehrheit der Handelsunternehmen befindet sich laut Studie auf Reifegradstufe 2 oder 3 – das entspricht einem niedrigen bis mittleren Entwicklungsstand. Nur 11 % haben Stufe 4 erreicht, weniger als 9 % gelten als führend (Stufe 5). Der durchschnittliche Reifegrad liegt bei 2,7.

Gerade kleinere Unternehmen hinken hinterher: Während Firmen mit einem Umsatz über 1 Mrd. Euro einen durchschnittlichen Reifegrad von 3,2 erreichen, liegt dieser Wert bei Unternehmen unter 50 Mio. Euro bei nur 2,0. KI-Projekte sind hier weitaus seltener in Planung oder bereits in Umsetzung – nur 46,9 % der kleinen Unternehmen arbeiten überhaupt daran, während es bei mittleren Unternehmen 90 % und bei großen 86,4 % sind​.

Einsatzfelder: Marketing vorn, Buchhaltung im Kommen

KI wird im Handel heute vor allem in den Bereichen Marketing, IT, Logistik und Unternehmensleitung eingesetzt. In der Umsetzung dominieren Anwendungen mit schnellem Effizienzgewinn, darunter:

  • Generierung von Artikeltexten (4,1 % der Unternehmen)
  • Auswertung von Kundenbewertungen (4,0 %)
  • Massenprüfung von Daten (3,9 %)
  • Absatzprognosen (3,6 %)
  • Administrative Assistenzfunktionen (3,6 %)​

Geplante Anwendungsfälle deuten darauf hin, dass viele Unternehmen künftig stärker auf Buchhaltungsautomatisierung, personalisierte Angebote, Sortimentsoptimierung und Personalplanung setzen wollen – alles Einsatzfelder, die auch für Buchhandlungen realistisch und relevant sein können, doch bei der Implementierung gibt es große Probleme – und fehlende Liquidität ist nur eines davon.

Kleine Unternehmen: Die Hürden bleiben hoch

Trotz wachsender Akzeptanz bleibt der Einstieg für viele kleinere Betriebe schwierig. Die größten Hemmnisse laut Studie:

  • Fehlende fachliche KI-Kompetenz (58,3 % der Unternehmen)
  • Fehlende technische Kompetenz (41,7 %)
  • Unklare Anwendungsfälle (45,8 %)
  • Hohe Einführungskosten (30,6 %)
  • Fehlende Unterstützung des Managements (27,8 %)​

Hinzu kommen Unsicherheiten im Projektmanagement sowie organisatorische Barrieren. Gleichzeitig erkennen jedoch immer mehr Unternehmen die Notwendigkeit, sich mit KI zu befassen: Nur noch 12 % schließen KI-Einsatz grundsätzlich aus – 2023 waren es noch über 25 %.

Generative KI als Türöffner

Ein starker Treiber der aktuellen Entwicklung ist laut Studie die breite Verfügbarkeit generativer KI – also Systeme wie ChatGPT oder Midjourney. Diese hätten die Einstiegshürden und die öffentliche Akzeptanz für KI-Anwendungen im allgemeinen deutlich erhöht. Eine produktive Nutzung sei auch ohne tiefes Fachwissen möglich und biete konkrete Mehrwerte in Marketing, Kommunikation und Content-Produktion.

Für Buchhandlungen kann das z. B. bedeuten:

  • Automatische Erstellung von Produktbeschreibungen oder Marketingtexten
  • Textgenerierung für Social Media
  • Auswertung von Kundenfeedback zur Sortimentsoptimierung

Erfolgsfaktoren für KI-Projekte – was wirklich zählt

Laut Studie sind für erfolgreiche KI-Projekte sechs Faktoren entscheidend:

  1. Hohe Datenqualität (Mittelwert: 5,1 von 6)
  2. KI-Expertise im Unternehmen (5,0)
  3. Professionelles Projektmanagement (4,8)
  4. Externe Unterstützung durch Berater oder Anbieter (4,7)
  5. Change-Management (4,6)
  6. Management-Support (4,5)​

Diese Punkte sind eng miteinander verknüpft. Fehlende Kompetenz sei nicht nur ein Hindernis, sondern auch Ursache für mangelnde Projekterfolge – umgekehrt könnten kleine, gezielte Investitionen (z. B. in Schulungen oder Beratung) die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich steigern.

Umsetzung: Cloud-Dienste dominieren, Eigenentwicklung selten

63,6 % der Unternehmen setzen bei der Umsetzung ihrer KI-Projekte auf Cloudbasierte Dienste, weitere 61 % auf Standardlösungen.

Eigenentwicklungen spielen bislang eine geringere Rolle (44,2 %), sind aber im Kommen. Kleine Unternehmen bevorzugen wie erwartet meist vorgefertigte Lösungen mit schneller Integration​ - wegen der Kosten aber auch wegen des komplexen Projektmanagements.