Gleiche Chancen für alle
Flexible Arbeitszeiten sind für Teilzeitbeschäftigte ein Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung – weil Leistung weniger mit Anwesenheit gleichgesetzt wird.
Flexible Arbeitszeiten sind für Teilzeitbeschäftigte ein Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung – weil Leistung weniger mit Anwesenheit gleichgesetzt wird.
Damals, als wir Schreibtischtäter:innen noch täglich ins Büro gefahren sind und zu festen Zeiten gearbeitet haben, da war es offensichtlich, wer Vollzeit (oder sogar darüber hinaus) arbeitete und wer sich früher in den Feierabend verabschiedete oder gar einen Tag in der Woche gar nicht da war. Es war allgemein bekannt, wer teilzeitbeschäftigt war. Das hat sich geändert.
Man kennt das übliche Szenario aus dem Meetingraum: Die Agenda war zu lang, also muss vertagt werden. Jemand wirft einen Terminvorschlag in den Raum, und neben Einwänden wegen der Mittagsruhe und Urlaubszeiten erschweren »Ich arbeite montags nicht« oder »Ich bin doch immer nur bis 14 Uhr da« die Suche nach einem gemeinsamen Zeitfenster. Leider entstehen in solchen Situationen oder zum Beispiel bei der Verteilung neuer Aufgaben leicht Ressentiments. Da hilft das Bewusstsein oft wenig, dass Teilzeitbeschäftigte natürlich entsprechend ihrer geringeren Arbeitsstunden bezahlt werden.
Mit dem Arbeiten aus dem Homeoffice heraus ist es schwieriger geworden, zu überblicken, wer wann da ist. Die positive Folge leerer Büros: Leistung wird weniger an Anwesenheit gemessen. Das wäre sowieso fatal, wissen wir doch alle, dass die Präsenz rein gar nichts mit Fleiß, Effizienz oder Arbeitsqualität zu tun haben muss. Aber kam es nicht permanent vor, dass Menschen, die scheinbar rund um die Uhr da waren, anerkennende Blicke und Worte ernteten? Und diejenigen, die pünktlich den PC herunterfuhren, doofe Sprüche zu hören bekamen? Hier haben sich die Verhältnismäßigkeiten verschoben: Die schiere Anwesenheit zählt weniger.
Speziell bei Besprechungen kommen die flexiblen Arbeitszeiten ins Spiel, die für viele Wirklichkeit geworden sind. Damit kann man nämlich jonglieren und vieles – für sich selbst wie fürs Team – möglich machen: Der Feierabend war für 14 Uhr angepeilt, um 16.30 Uhr findet aber noch ein Meeting statt? Eventuell lässt sich das einteilen – und wird am nächsten Morgen mit Ausschlafen belohnt? Immer vorausgesetzt, man hat die Freiheit, das so zu organisieren und private Termine mit Geschick elegant um berufliche Verpflichtung herumzulegen.
Das kann extrem anstrengend sein und klappt nicht immer. Kita- und Schulzeiten sind eben nicht flexibel, und nicht alle Freizeitaktivitäten lassen sich beliebig verschieben. Aber es ist doch zu spüren, dass verglichen mit der Präpandemiezeit mehr Selbstbestimmung herrscht. Und diese hält für Teilzeitkräfte ein paar Chancen bereit.
Grundsätzlich ist es sicher empfehlenswert, sich feste Anfangs- und Endzeiten vorzunehmen. Vielleicht können sich diese an wiederkehrenden Sitzungszeiten orientieren; Serientermine sind wesentlich verlässlicher einzuplanen als immer neue Meetingzeiten. Und hoffentlich bleibt es bei wenigen Ausnahmen, bei denen doch umorganisiert werden muss. Aber dieses Engagement zahlt sich aus, indem man als Teilzeitkraft mehr Gleichberechtigung zu spüren bekommt.
Veronika Weiss (36) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.