Vorratshaltung kostet Geld
Bei knappem Papier wird für Verlage die Auflagenplanung schwieriger. Bestellt also reichlich, lautet nun die Bitte ans Sortiment. Buchhändler Jens Bartsch meint: wohlan! Und zwar zu folgenden Bedingungen.
Bei knappem Papier wird für Verlage die Auflagenplanung schwieriger. Bestellt also reichlich, lautet nun die Bitte ans Sortiment. Buchhändler Jens Bartsch meint: wohlan! Und zwar zu folgenden Bedingungen.
Das Thema »Druckdrama« ist in aller Munde, und auch wir im Sortiment betrachten seit geraumer Weile voller Sorge die Nachrichten in Sachen Papierknappheit, schwieriger Buchung von Druckterminen etc., denn Stichworte wie Auflagenplanung und Nachdruck sind uns nicht fremd. Auch den schläfrigeren Nasen unter uns sollte mittlerweile klar sein, dass wir alle, ob Verlag oder verbreitender Buchhandel, einem sehr heißen Herbst entgegengehen. Dies insbesondere eingedenk der Tatsache, dass für die zweite Hälfte dieses Jahres viele extrem starke und potenziell umsatzträchtige Titel am Start sind, die wir selbstverständlich sehr gern erfolgreich verkaufen möchten, ebenso selbstverständlich und sehr gern aber auch stetig »just in time« nachordern können möchten.
So selbstverständlich scheint dies alles aber nicht mehr zu sein, denn neben den diversen Artikeln in der Branchenpresse und sogar in der »Süddeutschen Zeitung« erreichen uns Sortimenterinnen und Sortimenter inzwischen die ersten Alarmmeldungen direkt aus den Verlagen, die jetzt (also schon im August / September) dringend eine entsprechende Bevorratung hinsichtlich des Weihnachtsgeschäfts empfehlen.
Randbemerkung: Als ein inzwischen mehr als 30 Jahre im Beruf stehender Buchhändler musste ich dann schon ein wenig griemeln, wenn eine buchhändlerische Praxis von vor gefühlt 50 Jahren plötzlich wieder für en vogue erklärt wird. Denn die seit einigen Jahren unter anderem vermittels dritter Reise gewollt aufgeweichten Saisoneinkäufe schienen ja eigentlich eher abgeschafft werden zu sollen.
Da wird eine 50 Jahre alte buchhändlerische Praxis plötzlich wieder für en vogue erklärt.
Jens Bartsch
Nun denn und wohlan – gern möchten wir hier, gerade auch im eigenen Interesse der Lieferfähigkeit, die angebotenen Spiele der Vorratsbestückung im Rahmen unserer Möglichkeiten mitspielen, damit Verlage und auch Buchhandlungen besser kalkulieren können und eine gewisse Planungssicherheit haben. Allein für Gotteslohn werden wir dies allerdings nicht leisten können, und so merke ich an:
In Richtung der Verlage daher einige Punkte, die es zu erfüllen gilt, bevor wir hier in unserer Buchhandlung das Spiel der vorausplanenden Vorratshaltung tatsächlich mitspielen:
Ich denke, dass viele Kolleginnen und Kollegen im Sortiment dies ähnlich sehen. Und ich warte voller Vorfreude auf entsprechende Angebote der Verlage bzw. auf eine lebhafte Diskussion rund ums Thema.
Wenn also die Aufforderung ergeht, bitte nicht nur kurzfristig sondern für einen längeren Bedarf zu disponieren, dann steckt dahinter die Aussage, dass man spätere Nachbezüge vermutlich schlicht nicht liefern kann. Wenn die ganze Menge sowieso verkauft wird, dann ist der Hinweis auf die vorausschauende Dispo-Menge vermutlich als freundschaftlicher Rat gemeint. Denn wenn erfahrungsgemäß die Hauptbevorratung bei den Barsortimenten erfolgt, die wiederum die Mengen vermutlich bevorzugt (wegen Strafgebühren) Amazon reservieren, dann wird das unabhängige Sortiment vermutlich nicht lieferbar sein, während das Buch bei Amazon noch vorrätig ist.
Wenn das die eigentliche Intention der Verlage ist, dann ist die Diskussion um Anreize bei den Konditionen sinnlos.
Da würde ich eher empfehlen, gerade angesichts einer Vielzahl von potenten Titeln, im Zweifel auf die anderen auszuweichen, ein bisschen kann man das ja auch steuern. Ansonsten drohen zuerst der Liquiditätsengpass und später die Remissionsflut.
BWL hin und BWL her, mit Verlaub gesagt geht es nicht um eine generelle Lagererhöhung, sondern um die zielgerichtete Reaktion auf eine Ausnahmesituation. Und in diesem Sinne geht es eben gerade um einige Steadyseller oder die von Ihnen so genannten Spezial-Empfehlungstitel, die besser nicht ausgehen sollten. Ich denke mal, dass Ihnen da, ähnlich uns, durchaus wenigstens ein Dutzend Titel einfallen werden, die Sie schon jetzt als Zugpferde und Cashcows für das kommende Weihnachtsgeschäft identifiziert haben werden und gerne jenseits oder auch weit jenseits der 50 verkaufen können möchten. Es wäre dann also schon irgendwie unangenehm, wenn der Nachschub bei just in Lauf gekommenen Titeln plötzlich wegbricht, während die Titel an anderen Stellen noch munter lieferbar sind und unter Umständen vom Publikum sogar ganz besonders nachgefragt werden. Das Ausweichen auf Alternativen ist teilweise durchaus machbar, aber eben nicht immer und vor allen Dingen arbeitsintensiver.
Es war übrigens in der FAZ vom 9. September eine kleine Meldung zu lesen, nach der Waterstones wegen Papierknappheit etc. seine Bestände bereits um 25% erhöht habe, die aufhorchen lassen müsste, weil dies wohl nicht ohne Grund erfolgte. Nun wissen Sie und ich, dass die anders und zu anderen Konditionen einkaufen als Sie und ich. Sie und wir müssen und können es denen so auch nicht nachmachen, aber Sie und wir können eventuell erahnen, welche Problematik da gerade auf den unabhängigen Buchhandel zurollt. Dies übrigens ganz besonders angesichts der von Matthias Ulmer ebenso schön, wie ernüchternd beschriebenen Tatsache, dass es irgendwann eigentlich sowieso nichts mehr zu verteilen gibt, der lachende Dritte bereits klar feststeht und die ganze Diskussion dadurch obsolet sei.
Zäumen wir das Pferd also mal von hinten auf: Wenn Verlage den unabhängigen Buchhandel noch als feste Größe einplanen können und möchten, dann erfordert es jetzt die von mir eingeforderten Angebote. Wenn frei nach Matthias Ulmer der Kuchen quasi sowieso schon verteilt ist, dann gilt es eben jetzt, mit einer gewissen Fairness zumindest dem Augenschein nach dem unabhängigen Sortiment ein Entgegenkommen zu signalisieren. Wenn dem nicht so ist, dann kann dies zumindest für die Zukunft Einfluss auf unser generelles Einkaufsverhalten haben. Denn ja, spätestens ab der zweiten Liga in der Vorschau können wir unabhängigen Sortimenter im Einkauf (auch angesichts Austauschbarkeit und Überproduktion) steuern und ggf. schlicht und ergreifend weglassen.
Herzlichst grüßt aus Köln
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße
noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: eine dramatische Papierknappheit führt dazu, dass wir bis zu 30% Kostensteigerung beim Papier haben und dass wir im Herbst zahlreiche Nachdrucke überhaupt nicht ausführen können und uns mangels Ware Umsatz in sechsstelliger Höhe verloren geht. In dieser Situation weisen Verlage den unabhängigen Buchhandel als ihren wichtigsten Partner darauf hin, dass sie vorausschauend ordern sollen, weil es wahrscheinlich mit der Belieferung nicht für alle reichen wird.
So. Und Sie sagen jetzt: da will ich aber erst mal neue Zahlungsziele und Reizkonditionen haben! Und wenn ich die nicht bekomme, dann lass ich den Verlag eben weg, zur Strafe!
Kann man machen.
die verlagsseitigen Probleme sind mir in ihrer Dramatik durchaus bewusst. Das ändert allerdings nichts daran, dass auch wir einen hochgeschraubten Lagereinkauf erst einmal finanzieren können müssen. Freundlich gemeinte Warnrufe sind da vielleicht nett, helfen uns aber zum Beispiel bei der Liquiditätsplanung nicht wirklich weiter.
Nun weiß ich nicht, was Sie mir zutrauen, aber der von mir ins Spiel gebrachte Forderungskatalog ist nicht in Stein gemeißelt und selbstverständlich partnerschaftlich verhandelbar. Schlicht und ergreifend geht es darum, dass wir einen Beitrag allein für Gottes Lohn nicht leisten können und ein gewisses Entgegenkommen erwarten, was ich für ein legitimes Ansinnen halte.
Über das Thema Rabattspreizung etc. brauche ich hier wohl kein Wort zu verlieren, aber nun schreiben Sie: „So. Und Sie sagen jetzt: da will ich aber erst mal neue Zahlungsziele und Reizkonditionen haben! Und wenn ich die nicht bekomme, dann lass ich den Verlag eben weg, zur Strafe!”. Damit beschreiben Sie exakt die Verfahrensweise diverser Einkäufer einiger größerer Handelspartner, deren Begehrlichkeiten dann doch sehr häufig durchgewunken werden – oder?
Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang also die Tatsache, dass bei der oben beschriebenen Wortmeldung des unabhängigen Buchhandels und dieses kleinen Lärms sofort eine gewisse Schnappatmung einsetzt, obwohl die Verlage von den Amazons und Thalias dieser Welt doch eigentlich ganz andere Bandagen und Forderungen gewohnt sind. Und so wünschte ich mir, dass bei einigen Verlagen in deren Reaktion auf diese Bandagen und Forderungen eine ähnliche Verve zum Tragen kommt, wie sie im letzten Absatz Ihres Kommentars aufscheint.
Ein herzlicher Gruß aus Köln
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße