Börsenverein: Herbsttagung der IG Ratgeber

Zusammen ist man weniger allein

15. Oktober 2024
Sabine Cronau

Ratgeber- und Reiseverlage wollen in den nächsten Monaten testen, ob sie sich unter dem Börsenvereinsdach zu einer gemeinsamen Interessengruppe zusammenschließen – oder ob die IG Ratgeber im Singlemodus weitermacht. Marktzahlen und Zukunftspläne von der Herbsttagung im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse.

Tagung der IG Ratgeber im Messeraum Kontrast

Während nebenan in Messehalle 3 noch lautstark geschraubt, gehämmert und geräumt wurde, trafen sich die Ratgeberverlage an diesem Dienstag (15. Oktober) im Raum Kontrast zum traditionellen Vormesse-Austausch – diesmal saß dabei auch eine Handvoll Reiseverlage mit am Tisch. Dass die beiden Warengruppen einiges gemeinsam haben, wurde bei den Marktanalysen deutlich, die frech-Verleger Michael Zirn und Christine Brisch, Business Unit Leiterin bei MairDumont, den mehr als 30 Kolleg:innen präsentierten.

Ratgebermarkt

„Die Umsätze laufen uns im Moment nicht hinterher“: Das machte Michael Zirn vom Sprecherkreis der IG beim Blick auf den Ratgebermarkt deutlich. Die Einnahmen der Warengruppe 4 bleiben bislang um 3,4 Prozent hinter dem Vorjahreszeitraum zurück (jeweils Kalenderwoche 1 bis 40, Quelle: Metis).

Die Minuszahlen ziehen sich dabei quer durch alle Ratgeber-Warengruppen. Einzige Ausnahme: Das Segment Recht, Beruf, Finanzen, das mit einem Pluszeichen punkten kann. „Wir warten und hoffen jetzt auf ein starkes Weihnachtsgeschäft“, so Zirn.

Reisemarkt

Herbstlich trüb sind auch die Aussichten im Reisesegment, das von Januar bis September 2024 ein Minus von 9 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres verzeichnet. Die Deutschen sind im Moment zwar ausgesprochen reisefreudig: „Aber wir beobachten eine gewisse Entkopplung von Reiseverhalten und Reiseführerkauf“, berichtete Christine Brisch.

Denn die im Dunkeln sieht man nicht

Christine Brisch sieht viele Parallelen zwischen Reise- und Ratgebergeschäft – beispielsweise das frühe Aufgreifen von Trends, aber auch die Frage, wie sich die Verlage im Handel positionieren.

Denn der New-Adult-Boom, der aktuell den Buchmarkt in der Belletristik und im Kinder- und Jugendbuch beflügelt, hat durchaus Schattenseiten: Die Buchhandlungen räumen Regalflächen für den jungen Hype frei – da bleibt für andere Warengruppen notgedrungen weniger Platz.

Sichtbarkeit im Sortiment, das wichtige Thema Frequenzbelebung, die Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz und Social-Media-Marketing: Ratgeber- und Reiseverlage beschäftigen sich mit ganz ähnlichen Themen – und weil es beim Börsenverein bislang noch keine IG Reise gibt, entstand die Idee, sich mit den Ratgeberverlagen zusammenzutun.

Für einen Zusammenschluss war es einigen in der Runde aber noch zu früh. Erst einmal sollen interessierte Reiseverlage im Frühjahr zur nächsten IG-Tagung eingeladen werden - und im Vorfeld nach konkreten Schnittmengen und gemeinsam anzugehenden Themen suchen.

Vorsichtige Entwarnung bei der Entwaldungsverordnung

Ein Update zur EU-Entwaldungsverordnung gab Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang. Wie berichtet, soll die Umsetzungsfrist für die neue Regelung verlängert werden (mehr dazu hier), Rat und Parlament müssen dem Vorstoß der EU-Kommission allerdings noch zustimmen.

Auch wenn der Zeitdruck dann nachlassen würde: „Verlage sollten das Gespräch mit ihren Druckpartnern und Papierlieferanten suchen“, empfiehlt der Justiziar. Ein FAQ des Börsenvereins zur Verordnung wird laufend aktualisiert, viele Detailfragen seien jedoch nach wie vor ungeklärt, so Sprang.

Mitstreiter gesucht: die Social-Media-Kampagne

#WissenWiesGeht: Unter diesem Hashtag haben die Ratgeberverlage im Frühjahr eine gemeinsame Social-Media-Kampagne gestartet: „Wir sind die erste IG des Börsenvereins, die eine solche übergreifende Aktion auf die Straße gebracht hat“, betonte Nicole Schindler (Verlag Eugen Ulmer) als Mitglied des Sprecherkreises.

Julia Graff (Hädecke) hat die Kampagne mitentwickelt und erläuterte, wie es jetzt weitergeht - und was man aus den ersten Monaten gelernt hat:

  • Anfang November soll der nächste Kampagnen-Zyklus starten
  • Bei den Vorlagen (die sich via Canva individualisieren lassen) konzentriert sich die Kampagne jetzt auf die beiden Kanäle Facebook und Instagram – weil die anderen, etwa für Tiktok und Pinterest, so gut wie nicht genutzt worden seien, so Julia Graff.
  • Die kleinen Videos zu verschiedenen Ratgeberthemen sind auf eine Laufzeit von maximal 15 Sekunden verkürzt worden.
  • Für den Handel gibt es Plakatmotive zum Download
  • Der Redaktionsplan mit festgelegten Themen wird abgelöst von Empfehlungen im Vier-Wochen-Rhythmus.
  • Verlage oder Buchhandel: Alle können und sollen mitmachen – und den Hashtag auch für andere Posts nutzen, um ihn noch bekannter zu machen.
  • Für den Fall, dass die Reiseverlage in einigen Monaten miteinsteigen wollen, hat Julia Graff schon mal den passenden Hashtag parat: #WissenWohinsGeht.

Alle Ratgeberverlage und Buchhandlungen, die sich für die Kampagne interessieren und mitmachen wollen, erfahren hier mehr.

Wer dabei sein will, kann sich an die beiden Ansprechpartnerinnen wenden:

Wie läuft's im Buchhandel?

Die IG Ratgeber kann noch mit einer anderen Besonderheit punkten: Im Sprecherkreis engagiert sich mit Karin Senft von Bücher Pustet (Regensburg) auch eine Sortimenterin. Sie gewährte bei der Tagung einen Einblick in die Topseller und die Aktionsplanung bei Pustet.

Auch wenn man das in Zeiten von Navigationssystemen kaum glauben mag: Zu den drei meistverkauften Reisetiteln bei Pustet gehört der „Kompaktatlas Deutschland“ des ADAC. Und im Segment Essen & Trinken stehen zwei regionale Titel ganz oben: „Im Schmankerlhimmel: Die Geschichte der bayerischen Küche“ (Verlag Friedrich Pustet) sowie der Klassiker „Bayerisches Kochbuch“ (Birken-Verlag).

Hier wird noch aufgebaut: Gemeinschaftsstand der IG Ratgeber in Halle 3.1

Neues Konzept für den Gemeinschaftsstand

Längst nicht mehr alle großen Ratgeberverlage sind mit einem eigenen Stand auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. In Halle 3.1 gibt es allerdings seit zwei Jahren einen Gemeinschaftsstand, an dem große wie kleine Häuser Regalmodule anmieten können.

Mit der Platzierung ist die IG Ratgeber nicht zufrieden: Sie kämpft schon länger um einen Standort in Halle 3.0 – weil dort auch viele Ratgeberverlage ihre eigenen Stände haben.

Statt der eher nüchternen Präsentation nach Verlagsmarken wünscht sich die IG Ratgeber darüber hinaus eine atmosphärische Inszenierung nach Themenwelten – der sich später vielleicht auch die Reiseverlage anschließen könnten.

Ebenfalls auf der Wunschliste der IG Ratgeber: eine eigene Bühne für Lesungen und Events. Noch in diesem Jahr sollen erneut Gespräche mit der Frankfurter Buchmesse geführt werden, ob sich Platzierung und Konzept in Halle 3.0 umsetzen und vor allem: finanzieren lassen.