Interview mit Kyra Dreher zur Wirtschaftlichkeit in der Branche

"Wir haben viele Ansatzpunkte gefunden"

18. April 2024
von Christina Schulte

Die Kosten steigen und steigen – für alle drei Sparten. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten für Einsparungen. Wie ein Branchen-Workshop diese Potenziale heben soll: Das erläutert Kyra Dreher, beim Börsenverein Geschäftsführerin der Fachausschüsse. 

Foto von Kyra Dreher, Geschäftsührerin der Fachausschüsse im Börsenverein.

Kyra Dreher: Geschäftsührerin der Fachausschüsse im Börsenverein..

Alle drei Sparten kämpfen mit Profitabilitätsproblemen und können die steigenden Kosten kaum auffangen. Allerdings hat das bislang nicht dazu geführt, dass Gesamt­prozesse und Gesamtstrukturen über alle Sparten hinweg optimiert wurden. Selbst dort, wo Optimimierungspotenziale klar erkennbar sind, werden sie nur von einigen wenigen Branchenteilnehmern umgesetzt. Das soll sich ändern. Wie das gehen könnte und welche Punkte angegangen werden müssen, will der Börsenverein im Workshop Kostendruck erarbeiten. Weil ein solcher Workshop kartellrechtlich sensibel ist, kann der Verband darüber nur mit entsprechender Vorsicht kommunizieren.
 

Welche Entstehungsgeschichte liegt dem Workshop zugrunde?

Der Workshop hat eine längere Genese: Seit einigen Jahren schon wurde in nahezu jeder Gremiensitzung der Fachausschüsse das Thema Wirtschaftlichkeit in der ­Branche diskutiert. Auch gab es bereits vor der Pandemie runde Tische dazu. Über eine Skizzierung der Problem­lage mit verorteten Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Sparten ist man aber kaum hinausgekommen. Bei einer so komplexen Bestandsaufnahme wie der vorliegenden kommen Gremiendiskussionen an ihre Grenzen. Das hat mit der Größe der Gremien, aber auch ihrer verbrieften Aufgabe der Interessenvertretung für die jeweilige Sparte zu tun. Diese ansatzweise verfahrene Situation wollten wir aufbrechen und über den zunehmend redundanten ­Austausch von Argumenten hinausgehen. Deshalb haben wir gezielt einen zunächst sehr kleinen Kreis von Teilnehmenden einberufen, den Workshop von einem Profi moderieren und zum Schutz der Teilnehmenden (und uns selbst) kartellrechtlich begleiten lassen.

Warum findet die Arbeit bewusst in einem sehr überschaubaren Kreis statt?

Ein Ziel war, die gesamte Problemlage von den Teilnehmenden skizzieren zu lassen, ohne in der Binnensicht der jeweils einzelnen Sparte zu verharren, sondern vielmehr auf die Metaebene zu gehen und zu analysieren: Was geschieht hier eigentlich im Gesamtprozess? Das klingt erst mal banal, gemeinsames Problembewusstsein gilt in der Theorie aber als essenziell für die Annäherung an Lösungswege und ihre Akzeptanz. Ein weiteres Ziel war es, die Teilnehmenden neuralgische Stellen definieren zu lassen und vor dem Hintergrund des kartellrechtlich Zulässigen zu überlegen, ob und inwieweit es an diesen Stellen Rationalisierungspotenzial gibt und wie im Sinne einer Aufwands- und damit Kostenreduktion nachjustiert werden könnte.  

Mit welchen Kerninhalten haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befasst?

Zu Beginn stand wie gesagt die gemeinsame Sicht auf die Problematik und deren konkrete Beschreibung. Hierbei kamen die sechs Teilnehmenden sehr zügig zu einem ein­mütigen Ergebnis. Danach hat man die Metaebene verlassen und die gegebene Wertschöpfungskette analysiert. Wir wollten den Teilnehmer:innen bewusst überlassen, ob sie sich mit einer Wertschöpfung befassen wollen, wie sie idealerweise aussehen könnte, müsste man sie unter den heutigen Gegebenheiten neu erfinden. Oder ob sie sich quasi die Maschinerie, wie sie heute läuft, näher ansehen wollen – mit dem Schaltplan, wie wir ihn kennen. Für Letzteres haben sich die Teilnehmenden bewusst entschieden, denn alle waren sich darin einig, dass trotz des hohen Kostendrucks und des Kampfs um Profitabilität offensichtliche Optimierungspotenziale von vielen Branchenteilnehmenden noch immer nicht genutzt werden. 
So wurden entlang der Wertschöpfungs­kette Handlungsfelder für Rationalisierungsmaßnahmen besprochen, die alle drei Sparten tangieren.
 

Welche Rationalisierungspotenziale wurden diskutiert?

Von der Programmplanung bis hin zur Remission wurden in einem ersten Schritt 14 einzelne Prozessabschnitte mit jeweils einem bis drei Ansatzpunkten zu Rationalisierungspotenzialen benannt; in summa konnten über 30 Ansatzpunkte mit Poten­zial zur Aufwands- und Kostenreduktion definiert werden. Diese gilt es nun näher zu beleuchten. 

Was sind die nächsten Schritte?

Aktuell arbeiten die Teilnehmenden an zwei Handlungsfeldern und treffen sich digital zum weiteren Austausch Anfang Mai. Dort soll auch das weitere Verfahren besprochen werden. Klar ist, dass die Prozesse ein­gehender analysiert werden und, soweit kartellrechtlich möglich, eine Kostentransparenz hergestellt werden muss. Auch soll geklärt werden, welche Thesen zur Unveränderbarkeit bestehender Prozesse kolportiert werden und wie deren Wahrheitsgehalt anhand zusammengestellter Fakten tatsächlich ist. Denkbar ist die Zuarbeit durch mehrere kleinere Taskforces, deren konkrete Aufgabenstellung und Besetzung aktuell noch offen sind. Ein aufwendiges, aber überaus notwendiges Vorhaben, auf dessen weitere Begleitung ich mich freue. 

WORKSHOP KOSTENDRUCK

Ziel:
Entlang der gesamten Wertschöpfungskette Optimierungs­potenziale erkennen und heben, um den Kostendruck, dem alle drei Sparten ausgesetzt sind, zu mindern.

Teilnehmer:innen:
Susanne Hemming, Libri
Joachim Kaufmann, Carlsen
Christian Liesegang, Buchhandlung Liesegang
Thomas Pichler, Penguin Random House
Martin Riethmüller, Osiander 
Stephan Schierke, Arvato

Termine:
Das erste physische Treffen fand am 29. Februar statt, der nächste Austausch ist digital für Anfang Mai angesetzt.