Donnerstag, 27. Oktober 2022 – vier Tage später
Im Himmel über Frankfurt entdecke ich ein paar Schleierwolken, rosa angestrahlt durch die aufgehende Sonne. Die Vögel, die im Efeu des Nachbarhauses übernachtet haben, sind pünktlich gestartet, fünf Minuten später als gestern, die Tage werden schließlich kürzer. Bald werden die Uhren auf Winterzeit umgestellt, was diese Vögel aber nicht interessieren wird. Ihr Zeitverständnis ist ein anderes, von der Natur diktiertes. Ich lehne mich zurück, schaue noch einmal aus dem Fenster und weigere mich, mich jetzt schon geschlagen zu geben.
Denn so sehr ich mich auch bemühe, es gelingt mir nicht, die Tage vor und nach der Preisverleihung an Serhij Zhadan in mein der Zeitachse folgendes Tagebuch einzufügen. Zu viele Eindrücke drängen sich in der Rückbesinnung auf, sie konkurrieren um die Headline und weigern sich, ins zeitliche Schema gepresst zu werden.
Ich bin am wichtigsten, brüllt die eine Erinnerung. Setz mich bitte ans Ende«, schlägt eine andere vor, denn ich bin die Conclusio von allem. Ich rufe sie zur Ordnung: Dort in die Ecke, ihr Barbaren der Hirnsynapsen, und wartet, bis ich euch aufrufe!
Denn ich habe vor, mich an den organisatorischen Feinheiten festzuhalten, um mit ihrer Hilfe den Tag vor der Preisverleihung zu beschreiben. Oder sollte ich mich am Anfang dieses Textes erst einmal über den insgesamt gelungenen Sonntag freuen – über die Preisverleihung, bei der sich die einzelnen Teile, die wir so gut wie möglich vorbereitet haben, zu einem Ganzen zusammenfügten, von dem sich viele Gäste beeindruckt und begeistert zeigten?