Börsenverein wirbt für „innere“ Preisbindung

Das Bewusstsein für Schlüsselparagraf 6 schärfen

14. September 2023
Redaktion Börsenblatt

Mit einem Informationspaket wirbt der Börsenverein für die Regeln der »inneren« Preisbindung – um Wissenslücken zu schließen, die sich bei der Mitgliederumfrage zur Konditionenentwicklung gezeigt haben. Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff über Erkenntnisse und Hintergründe.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Wir dürfen uns beim Thema Rabattspreizung nicht zurücklehnen.

Peter Kraus vom Cleff

Im März 2023 hat der Börsenverein die Ergebnisse zweier Befragungen zur Konditionenentwicklung präsentiert. Wie hat sich die Lage damals dargestellt?

Der Auslöser für die umfassenden Untersuchungen waren Hinweise aus dem Markt, dass sich in der Buchbranche zunehmend Konditionen verbreiten, die nicht den Vorgaben des Buchpreisbindungsgesetzes entsprechen. Es bestand und besteht die Sorge, dass die Verletzung dieser Normen – insbesondere der vom Gesetzgeber angeordneten Meistbegünstigung des Barsortiments (Paragraf 6.3) – den Bestand der Buchpreisbindung gefährden könnte. Unsere Befragung in zwei Wellen hat auf der einen Seite Sorgen bestätigt, dass die Konditionen nicht überall dem entsprechen, was das Gesetz zwingend vorschreibt. Auf der anderen Seite haben wir erfahren, dass im Laufe des Untersuchungszeitraums ein größeres Bewusstsein für die rechtlichen Rahmenbedingungen entstanden ist und sich das Konditionengefüge wieder mehr an den Rechtsgrundlagen ausrichtet. 

Woran machen Sie das im Detail fest?

Nach den Ergebnissen unserer Umfrage haben einige Verlage ihr Konditionengefüge im Sinne des Rechtsrahmens angepasst. Entsprechend ist auch der Anteil der Buchhandlungen, welche die Rabattstrukturen der sie beliefernden Verlage als gesetzeskonform bewertet, um immerhin zehn Prozentpunkte auf 75 Prozent gestiegen. Diese Teilergebnisse sollten uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Schere im Bereich der Konditionenspreizung zwar tendenziell weiter geschlossen haben mag – das Problem damit aber noch nicht gelöst ist. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, bis wir flächen­deckend eine Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben beobachten können. 

Es gab auch Kritik an der Aussagekraft der Studie: Sie wurde ohne konkrete Zahlen veröffentlicht und sei nicht repräsentativ für den Markt...

Mit unseren Befragungen waren wir von vornherein in einem Dilemma. Einerseits galt es, im Sinne der Wahrheitsfindung so viele Details zu den im Markt verbreiteten Konditionen mit so hohem Aufwand wie nie zuvor zu gewinnen. Andererseits war aufgrund der strengen Vorgaben des Kartellrechts klar, dass wir die erzielten Ergebnisse umso weniger veröffent­lichen könnten, je aussagekräftiger diese sein würden. Denn die Höhe der Konditionen, die Verlage, Buchhandlungen und Zwischenbuchhandelsunternehmen einander gewähren, dürfen unter keinen Umständen öffentlich gemacht werden. Deshalb konnten wir bedauerlicherweise der Branche – und selbst unserem eigenen Vorstand! – die gewonnenen Erkenntnisse nur in stark abstrahierter Form und insbesondere ohne konkrete Zahlen zu den erhobenen Konditionen kommunizieren.
 

Wie viele Verbandsmitglieder haben denn unter dem Strich an der Umfrage teilgenommen?

Natürlich haben sich bei Weitem nicht alle Mitglieds-, geschweige denn Branchenunternehmen an den Umfragen beteiligt. Befragt wurden Verlage und Buchhandlungen, davon haben insgesamt 435 alles so vollständig ausgefüllt, dass bei ihnen die Veränderungen ausgewertet werden konnten. Das gibt recht solide Aufschluss über die Tendenz, aber man kann die Ergebnisse natürlich nicht eins zu eins auf jedes Unternehmen übertragen: Nicht bei jedem Unternehmen gab es Änderungen oder Verbesserungen, eben nur im Schnitt derer, die Antworten in beiden Umfragewellen gegeben haben.
 

Was ist seither passiert? Haben Sie die Ergebnisse auch der Politik nähergebracht?

Wir haben uns mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Büro der Kulturstaatsministerin in Verbindung gesetzt und den dort zuständigen Ministerialbeamt:innen die vollständigen Ergebnisse unserer Studie in aller Transparenz vorgestellt. Denn im Gegensatz zu Branchenunternehmen verbietet das Kartellrecht völlig Außenstehenden nicht die – vertrauliche – Kenntnis der Zahlen. Dies geschah in einem dreistündigen Termin in unserem Berliner Büro, und zwar in einer Genauigkeit und Tiefe, die wirklich außerordentlich war. 

Wie sind die Ergebnisse in Berlin aufgenommen worden?

Wir wurden förmlich gelöchert mit Nachfragen zu allen möglichen Details. Auch für den Gesetzgebungsapparat passiert es eben nicht alle Tage, dass man die Marktwirklichkeit so präzise mit den Vorgaben in einem Gesetz abgleichen kann. Die Ministerien haben sich, auch wenn sie keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungs­bedarf sehen, nach dieser Präsentation je eine geschützte Kopie der vollständigen Studie erbeten. Insofern fließen die Ergebnisse unserer Umfragen sicherlich in künftige gesetzgeberische Aktivitäten auf dem Gebiet der Buchpreisbindung ein.
 

Wer Verstöße gegen Paragraf 6 bemerkt, kann diese bei unserer Ombudsstelle zur Preisbindung melden, auf Wunsch anonym.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Ein Ergebnis der Studie war, dass viele Branchenteilnehmer:innen die Regelung des Paragrafen 6, Absatz 3 gar nicht kennen. Wie wollen Sie das nun konkret verbessern?

Dieses Ergebnis war überraschend und aufschlussreich. Denn dass bei den Befragten fast zehn Prozent der Verlage und mehr als jede dritte Buchhandlung Paragraf 6, Absatz 3 nicht kennen, begünstigt natürlich, dass Vorschriften nicht eingehalten werden. Auch die anderen beiden Absätze des Paragrafen 6 sind laut der Umfrage nicht überall bekannt. Daher hat uns der Vorstand beauftragt, die Bekanntheit der gesetzlichen Regelungen und das Bewusstsein dafür in der Branche zu schärfen. 

Wie lässt sich das erreichen?

Wir haben ein Bündel an Maßnahmen aufgesetzt, die wir ab heute starten. Weiter unten sehen Sie kurz und knapp die drei Regeln des Paragrafen 6 des Buchpreisbindungs­gesetzes. Diese Regeln werden der Branche in den kommenden Wochen häufiger begegnen: in weiteren Anzeigen, Onlinebannern und auf Social Media. Erklärungen dazu und Praxisbeispiele haben wir auf unserer Webseite unter www.boersenverein.de zusammengefasst. 

Aus der Sicht einiger tut der Verband nicht genug, sie wünschen sich ein stärkeres Eingreifen und Handeln des Börsenvereins. Könnten Sie hier in der Tat mehr tun?

Ich verstehe diesen Wunsch, denn das Thema ist von enormer Bedeutung. Und gerade kleinen Buchhandlungen und Verlagen sind hier ja oft die Hände gebunden – weil sie einfach nicht die entsprechende Verhandlungsmacht haben. Daher nehmen wir das Thema sehr ernst. Das Kartellrecht, aber auch die Regeln der freien Marktwirtschaft verbieten es uns aber, unmittelbar gestaltend in den Markt einzugreifen. Und das ist auch gut so, denn es wäre fatal, wenn wir als Verband Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen unserer Mitglieder nehmen würden. Alles, was wir tun können, werden wir unvermindert fortsetzen: Wir bleiben weiterhin mit der Politik im Gespräch, schaffen Aufmerksamkeit für die Bedeutung der Regeln, halten an der Ombudsstelle fest und machen noch deutlicher auf deren Existenz und Aufgaben aufmerksam. Und – das ist eine klassische Verbandsaufgabe – wir bringen die einzelnen Akteure unserer Branche zusammen, um gemeinsam an einer Verbesserung der Lage zu arbeiten.

Was kann jede und jeder Einzelne tun, um die Situation zu verbessern?

Es ist zunächst wichtig, dass uns allen bewusst ist, warum wir die Konditionenschere schließen müssen. Die »innere« Preisbindung ist eng mit der »äußeren«, also der im Verhältnis zu Endkund:innen, verbunden. Auch sie dient dem Erhalt einer lebendigen Buchhandels- und Verlagslandschaft und einem vielfältigen Buchangebot. Und wir sollten nicht als Branche selbst eines unserer höchsten Güter, die Buchpreisbindung, aushöhlen. 

Absatz 1 des Paragrafen 6 soll etwa verhindern, dass Rabatte allein am Umsatz, den Verlage mit einem Händler machen, festgemacht werden. Warum? Um den Buchhandel auch abseits der Ballungsgebiete in strukturschwachen Gebieten zu erhalten und kleinere Buchhandlungen mit geringeren Umsatzzahlen gegenüber großen Buchhandlungen nicht zu benachteiligen. 

Überzeugungsarbeit in die Branche hinein: Instagram-Motiv zur inneren Buchpreisbindung. 

Was heißt das fürs Alltagsgeschäft?

Ganz praktisch kann jede und jeder sich die Regeln ins Bewusstsein rufen und beim nächsten Konditionengespräch darauf achten. Wer Verstöße bemerkt, kann diese bei unserer Ombudsstelle zur Preisbindung melden, auf Wunsch auch anonym. So erhalten wir – ohne Angabe der meldenden Person – wichtige Aufschlüsse darüber, ob die Regeln eingehalten werden und ob die Entwicklung, die sich in den Umfrage­ergebnissen gezeigt hat, weiterhin in die richtige Richtung geht. Der Erhalt der Buchpreisbindung liegt in den Händen aller, die in unserem Buchmarkt aktiv tätig sind.

DIE DREI ZENTRALEN REGELN DER INNEREN PREISBINDUNG

  1.  Verlage dürfen ihre Konditionen nicht allein an dem mit dem Händler erzielten Umsatz festmachen.
  2.  Branchenfremde Händler dürfen keine besseren Konditionen erhalten als der Buchhandel.
  3.  Der Zwischenbuchhandel darf nicht zu schlechteren Konditionen beliefert werden als einzelne Händler.

Neue Infoseite mit Erklärungen und Praxisbeispielen auf www.boersenverein.de

OMBUDSSTELLE ZUR PREISBINDUNG

  • Die vertrauliche Beschwerdestelle, 2021 ins Leben gerufen, ist besetzt mit den beiden Rechtsanwältin Christian Russ und Dieter Wallenfels von der Kanzlei Fuhrmann Wallenfels. Die Juristen sind der Branche zugleich als Preisbindungstreuhänder der Verlage bekannt.
  • Buchhandlungen, Verlage und Zwischenbuchhändler können sich mit Sachverhalten rund um das Thema Rabattspreizung / Konditionenverhandlungen an die Ombudsstelle wenden – entweder per E-Mail (ombudsstelle@fuhrmann-wallenfels.de) oder per Telefon: 0611 / 449091.
  • Die Meldung erfolgt auf Wunsch anonym.