Karriere

Lieber nicht zu niedlich

16. Februar 2023
Veronika Weiss

»Versverliebt« oder »Prosaprinzessin«: So sollten Textarbeiter:innen ihr Unternehmen besser nicht nennen. Warum Business-Wortspiele bei Selbstständigen fehl am Platz sind.

Für den Erfolg von Selbstständigen ist der Firmen­name von herausragender Wichtigkeit. Dieses Etikett stellt den ersten Berührungspunkt mit Kund:innen dar und begründet das Image des kleinen Unternehmens. Eine gute Chance, direkt Seriosität und Haltung zu zeigen. Warum geben sich aber in der Buchbranche so viele Freelancer süßliche Namen? Ich habe den Eindruck, das häuft sich bei uns, und frage mich nach dem Grund. Liegt es an der besonders verbreiteten Bescheidenheit? Oder am hohen Frauenanteil? Gerade Frauen sollten bei aller gesunden Selbstkritik sowieso darauf achten, sich nicht zu klein zu machen.
 

Haltung zeigen

Meine Vermutung: Die Buchbranche ist eine sehr kreative Branche. Darauf können wir stolz sein. Gerade Textschaffende brauchen Einfallsreichtum, Einfühlungsvermögen und ein Händchen für fantasievolle Sprachverwendung. Wenn sich jemand als Lektorin oder Autor selbstständig macht, steht als einer der ersten Schritte die Namensfindung für das kleine Unternehmen an. Es geht darum, die passenden Worte zu finden – eine Leidenschaft von uns. Da gerät man schnell ins Brainstorming, es wird lustig und sprachwitzig, ganz in der guten Tradition von Frisörsalons. Da stürmen Ideen auf uns ein, Namen wie »Eure Fantasy-Fee«, »Versverliebt«, »Prosaprinzessin«, »Bücherwürmchen«, »Buchstäbchen« oder »Süße Worte« drängen sich auf. Die lesen sich nett, ­wecken Emotionen – sind aber trotzdem ungeschickt.

Wenn die (Einpersonen-)Firma einen niedlichen Namen hat, wirkt das schnell unprofessionell. Das hat zwei Gründe: ­Erstens macht eine Verniedlichung kleiner und jünger, spielt herunter, wertet im Extremfall sogar ab. Die selbstständige Person erscheint plötzlich eher klein und etwas hilflos, irgendwie bemitleidenswert. Zweitens wird ein Eindruck des Wie vermittelt: Der verspielt-kindliche Stempel auf der Freiberufler-Marke weckt die Vorstellung, dass bei der Zusammenarbeit kreatives Chaos vorherrscht, Termineinhaltung nebensächlich ist, dass noch nicht viel Erfahrung da ist, sich der Mensch selbst nicht allzu viel zutraut und mit übertriebener Vorsicht an Dinge herangeht – kurz, dass nicht sehr kompetent gearbeitet wird. Hier wird die Außenwirkung schon beim ersten Blick eingefärbt.

Keine falschen Fährten legen

Das Problem: Eigentlich waren mit der süßen Anspielung ja die Inhalte gemeint. Es geht um Fantasy, Poesie, Kinderbücher, Märchen und Erzählungen. Aber nur weil der Stoff, mit dem wir arbeiten, so putzig ist, sollten wir diese Eigenschaft nicht auf uns übergehen lassen und uns und unser Können damit klein machen. Das Spielerische ist beim Firmennamen fehl am Platz. Oder würden Sie für die Montage Ihrer neuen Schrankwand »Das Schraubenmütterchen« bestellen? Wirken »PR-Prinz«, »Optik-Fee« oder »Dein Flugzeugträgerchen« seriös? Besser funktionieren neutrale, sachliche Namen. In unserem Fach so etwas wie »Lektoratsbüro«, »Textwerkstatt« oder »<Name> schreibt«. Damit bewegt man sich auf der sicheren, seriösen Seite. 

Der Firmenname ist wie ein formschönes leeres Gefäß, das nach und nach gefüllt werden kann – dann gern mit Kompetenzen wie Fantasie, bunter Vorstellungskraft und Leichtigkeit im Sprachgebrauch. 

UNSERE KOLUMNISTIN

Veronika Weiss (37) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung arbeitet sie in Hamburg als Lektorin in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) und nebenbei frei als Texterin. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance