Interview mit Monika Kolb

"Es geht um eine neue Führungskultur"

27. Januar 2025
Sabine Cronau

Was können Verlage tun, um die Generation Z für sich zu gewinnen – und sie zu halten? Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins, über den "Culture Clash" am Arbeitsplatz.

Monika Kolb

Monika Kolb ist seit 2007 Bildungsdirektorin des Börsenvereins und Geschäftsführerin des Mediacampus Frankfurt. Davor hat sie fünf Jahre lang in Marketing und Vertrieb bei Provadis geleitet - einem Bildungsdienstleister für die Chemie- und Pharmabranche.

Dass junge Nachwuchskräfte aus der Branche abwandern und sich andere Berufsfelder jenseits von Verlagen ­suchen: Dieses Phänomen beschreibt das Börsenblatt in einem aktuellen Artikel. Beobachten Sie das als Bildungsdirektorin des Börsenvereins ebenfalls?

Zum erwähnten Börsenblatt-Artikel geht es hier.

Monika Kolb: Die Situation ist vielschichtiger als ein einfaches "Ja, sie wandern ab" oder "Nein, sie bleiben". Es fehlen uns branchenweite und belastbare Erhebungen zu konkreten Abwanderungszahlen aus der Verlagsbranche.

Was wir aber in der Praxis beobachten können, sind verschiedene Entwicklungen, die Teil eines grundlegenden Wandels sind – nicht nur in der Verlagsbranche, sondern auch in anderen wissensbasierten und kreativen Berufsfeldern wie der Rechtswissenschaft, der Medizin oder der Unternehmensberatung.
 

Wie schlägt sich dieser Wandel in der Verlagsbranche nieder?

Monika Kolb: In der Verlagsbranche zeigen sich verschiedene parallele Entwicklungen: Während einige junge Menschen die Branche verlassen – nicht aus mangelnder Begeisterung für das Buch, sondern weil sie ihre beruflichen und persönlichen Vorstellungen in anderen Bereichen besser verwirklichen können –, gibt es auch eine Gegenbewegung: Menschen mit Berufserfahrung aus anderen Branchen wechseln in die Verlagswelt und bringen neue Perspektiven, digitale Kompetenzen und alternative Arbeitsansätze mit.

Daneben gibt es eine wachsende Gruppe junger Verlagsmenschen, die sich bewusst für einen Verbleib in der Branche entscheidet und dabei aktiv den Dialog über zeitgemäße Arbeitsbedingungen sucht. Sie verbinden ihre Leidenschaft für das Buch mit klaren Vorstellungen von modernen Arbeitsstrukturen.

Junge Menschen wünschen sich einen ­offenen Dialog mit ihren Vorgesetzten über Arbeitsbelastung, Work-Life-Balance und berufliche Entwicklung. Dies ist keine Abwendung von der Branche, sondern der Wunsch nach einer Neugestaltung der Arbeitsbeziehungen.

Junge Menschen wünschen sich einen ­offenen Dialog mit ihren Vorgesetzten über Arbeitsbelastung, Work-Life-Balance und berufliche Entwicklung. Dies ist keine Abwendung von der Branche, sondern der Wunsch nach einer Neugestaltung der Arbeitsbeziehungen.

Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins

Glauben Sie, dass es Einzelstimmen sind, die sich in der Debatte zu Wort melden – oder gibt es auch systemische Probleme, etwa weil die Arbeit in der Branche oft eher als Berufung denn als Beruf gilt?

Monika Kolb: In meinen Gesprächen erfahre ich, dass es sich nicht um Einzelstimmen handelt. "Systemische Probleme" zu ­definieren, ist jedoch nicht möglich, weil die Verlagslandschaft sehr divers ist: Von kleinen, unabhängigen Verlagen über spezialisierte Wissenschafts- und Fachverlage bis hin zu großen Publikumsverlagen mit Konzernstruktur ist jede Unternehmensgröße vorhanden – mit eigenen wirtschaftlichen und strukturellen Herausforderungen. Die Ressourcen sind einfach sehr unterschiedlich.

Der aktuelle Wandel wird durch die Gleichzeitigkeit verschiedener gesellschaftlicher Herausforderungen verstärkt: Die Kombination aus geopolitischen Krisen, wirtschaftlichen Unsicherheiten, steigenden Lebenshaltungskosten und Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen führt dazu, dass berufliche Entscheidungen heute unter anderen Vorzeichen getroffen werden müssen als noch vor einigen Jahren.

Dies betrifft aber grundsätzlich alle mittelständischen Branchen.Das bedeutet also nicht, dass die Verlagsbranche per se ein systemisches Problem hätte. Gerade weil viele junge Menschen nach wie vor eine tiefe Überzeugung von der Bedeutung des Buchs und seiner vielfältigen Vermittlungsformen haben, setzen sie sich intensiv mit den Arbeitsbedingungen auseinander, die eben genau die Spezifika des Buchs betreffen. Denn sonst würden sie woanders arbeiten wollen.

Umso wichtiger ist es, im Dialog zu bleiben und gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie sich fachliche Expertise, Engagement für das Buch und moderne Vorstellungen von Arbeitskultur vereinbaren lassen.

Gerade weil viele junge Menschen nach wie vor eine tiefe Überzeugung von der Bedeutung des Buchs und seiner vielfältigen Vermittlungsformen haben, setzen sie sich intensiv mit den Arbeitsbedingungen auseinander.

Monika Kolb

Die Mieten in den Ballungszentren sind hoch. Familienarbeit wird heute stärker geteilt; ist auch das eine Erklärung, warum ein gutes Gehalt und Arbeitszeit, die sich klar eingrenzen lässt, bei der jungen Genera­tion eine größere Rolle spielen?

Monika Kolb: Diese Fragen berühren einen wichtigen Punkt, bei dem wir vorsichtig mit vorschnellen Generationszuschreibungen sein sollten. Das Bedürfnis nach einem auskömmlichen Gehalt, Zeit für Familie und bezahlbarem Wohnraum ist keine Erfindung der jungen Generation oder exklusiv auf die Buchbranche bezogen – das alles gehörte schon immer zu den grundlegenden Bedürfnissen von Arbeitnehmenden.

Auch frühere Generationen haben diese Themen verhandelt. Was sich heute allerdings verändert hat, ist die Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit, mit der sich Rahmenbedingungen wandeln. Dies macht die Planung der beruflichen und privaten Zukunft zu einer besonderen Herausforderung. Branchenübergreifend lässt sich feststellen, dass sich die Mobilität junger Arbeitnehmer:innen stark reduziert hat. Das Gehalt ist nur ein Parameter, zum überragenden Thema ist seit der Corona-Pandemie das mobile Arbeiten geworden.

Das Gehalt ist nur ein Parameter, zum überragenden Thema ist seit der Corona-Pandemie das mobile Arbeiten geworden.

Monika Kolb

Was verdienen Volontär:innen im Verlag? Hat der Börsenverein konkrete Zahlen?

Monika Kolb: Hier gibt es keine branchen­weiten Statistiken. Was wir aber sehen, ist ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung transparenter und fairer Arbeitsbedingungen. Ein Beispiel dafür sind Initiativen wie das Gütesiegel für Volontariate oder Ausbildung. Immer mehr Verlage und Buchhandlungen beteiligen sich daran und machen ihre Arbeitsbedingungen transparent, zu denen implizit auch die Angemessenheit von Gehältern zählt. Es gibt also positive Entwicklungen und das Bemühen, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen.
 

CultureClash@work: So heißt eine ­Tagung, die der Mediacampus Frankfurt im Februar anbietet. Dabei geht es um die Frage, wie Führungskräfte ein Team aus unterschiedlichen Generationen formen und Interessenkonflikte ausgleichen können. Was gab den Anstoß?

Monika Kolb: Die beschriebenen Entwicklungen in der Branche – der Wunsch nach transparenten Strukturen einerseits und die Notwendigkeit eines neuen Miteinanders andererseits – waren ein wichtiger Impuls. In meiner Rolle als Bildungsdirektorin beobachte ich dabei zwei grundlegende gesellschaftliche Strömungen: einerseits eine zunehmende Vulnerabilität in der Gesellschaft, vor allem in der jungen Generation, verbunden mit dem Wunsch nach noch stärkerer Regulierung. Andererseits eine abnehmende Bereitschaft oder vielleicht auch Fähigkeit, eigene Positionen zu ver­treten und konstruktive Diskurse zu führen. In diesem Spannungsfeld kommt Führungskräften eine besondere Rolle zu. Überholte Denkmuster wie "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" haben längst ausgedient. Stattdessen geht es um die Entwicklung einer neuen Führungskultur, die von Respekt und Dialog geprägt ist. 

"CultureClash@Work: Zwischen Unverwundbarkeit und Sensibilität"

Die digitale Kurzkonferenz des Mediacampus Frankfurt widmet sich am 19. Februar (9.30 bis 12.30 Uhr) den Anforderungen an eine neue Führungskultur - und zwar gerade unter dem Aspekt unterschiedlicher Generationen im Team. Mehr zum Programm erfahren Sie hier. Referent:innen:

  • Bernd Bürger (Generationenforscher, Polizist)
  • Konstantin Rößler (Psychotherapeut)
  • Frauke Rostalski (Autorin / Ethikrat)
  • Robert Duchstein (Geschäftsführer der Buchhandlung Reuffel).

Wie verändert sich Führung dadurch?

Monika Kolb: Führungskräfte müssen verstärkt als Coaches agieren, die nicht nur Aufgaben verteilen, sondern auch Ängste und Unsicherheiten ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen. Es gilt, eine Balance zu finden zwischen hierarchischer Verantwortung und Dialog auf Augenhöhe.

Führung bedeutet immer mehr, unterschiedliche Perspektiven und Bedürfnisse wahrzunehmen und in einem gemeinsamen Prozess nach Lösungen zu suchen. Es geht darum, wie wir die Diskurs- und Konfliktfähigkeit in Teams stärken können, ohne dabei die notwendigen Strukturen und Verantwortlichkeiten aufzugeben.

Dies ist keine einfache Aufgabe, aber eine notwendige: Nur, wenn es uns gelingt, einen echten Dialog zwischen den Generationen zu etablieren, können wir die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern. 

Was können Verlage tun, um den zum Teil ja sehr berechtigten Ansprüchen der jungen Generation entgegenzukommen?

Monika Kolb: Dabei geht es weniger um punktuelle Maßnahmen als um eine grundlegende Weiterentwicklung der Organisa-
tionskultur. Ein wichtiger Aspekt ist die Gestaltung eines offeneren Dialogs über finanzielle Modelle und Entwicklungsmöglichkeiten.

Im Bereich der Arbeitszeitgestaltung hat sich bereits einiges getan: Viele Verlage bieten inzwischen verschiedene Arbeitszeitoptionen an, die den unterschiedlichen Lebenssituationen der Mitarbeitenden Rechnung tragen.

Allerdings ist wichtig zu betonen: Nicht alle Verlage haben die gleichen Möglichkeiten und Ressourcen, solche Modelle anzubieten. Die Gestaltungsspielräume können je nach Größe und wirtschaftlicher Situation des Verlags sehr unterschiedlich sein. 

Neben diesen strukturellen Aspekten kommt der systematischen Entwicklung einer neuen Kommunikationskultur eine besondere Bedeutung zu. Verlage können hier konkrete Formate etablieren: strukturierte Feedbackgespräche, die über reine Leistungsbeurteilung hinausgehen, Mentoring-Programme für den generationen­übergreifenden Austausch und moderierte Dialogformate wie »Open Spaces« und »Lunch & Learn«.

Solche institutionalisierten Gesprächsräume schaffen die Basis für einen offenen Austausch über Erwartungen, Belastungen, Entwicklungsmöglichkeiten.

Wichtig ist: All diese Entwicklungen sollten nicht als Zugeständnisse verstanden werden, sondern als notwendige Schritte in einer sich wandelnden Arbeitswelt, von denen letztlich alle Mitarbeitenden und damit auch das Unternehmen profitieren. Dabei gilt es, realistische Erwartungen zu haben und anzuerkennen, dass es auch Grenzen in den Möglichkeiten geben wird – gerade in einer so diversen Verlagslandschaft wie der deutschen.

Inhaltliche Ansprüche an die Arbeit und die Gehaltsoptionen in einer Branche muss man auch mit sich selbst verhandeln.

Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins

Was können umgekehrt die Jüngeren zu einem gelungenen, glücklichen Arbeitsleben in der Buchwelt beitragen?

Monika Kolb: Ein gelungenes Arbeitsleben ist immer das Ergebnis eines gegenseitigen Gebens und Nehmens, bei dem beide Seiten ihre Perspektiven und Möglichkeiten offen einbringen.

Wie wichtig diese Heran­gehensweise ist, habe ich in meinem eigenen Berufsleben erfahren: Als ich aus der Pharmabranche, einem Bereich mit deutlich höherem Gehaltsniveau, in die Buchbranche als Bildungsdirektorin und Geschäftsführerin des Mediacampus Frankfurt wechselte, bedeutete das spürbare finanzielle Einbußen. Aber ich gewann die Chance, eine neue Rolle zu gestalten und ganz neu aufzubauen.

Die inhaltlichen Ansprüche an eine Arbeitsstelle und die gehaltlichen Möglichkeiten in einer Branche muss man auch mit sich selbst verhandeln. Ich habe sehr viel gewonnen, was mir eine große Jobzufriedenheit verschafft hat. Es zahlt sich aus, sich der eigenen Wünsche bewusst zu werden, diese dann konkret zu formulieren und dabei auch die Rahmenbedingungen des jeweiligen Arbeitsumfelds im Blick zu behalten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, sich Mentor:innen zu suchen – erfahrene Kolleg:innen, die einen auf diesem Weg begleiten und beraten können. Das eröffnet oft neue Perspektiven und hilft dabei, die eigenen Vorstellungen und die betrieblichen Möglichkeiten besser einzuordnen.

Haben Sie Tipps für eine gute ­Gehaltsverhandlung?

Monika Kolb: Am wichtigsten ist eine gründliche Vorbereitung, die mit ehrlicher Selbstreflexion beginnt. Gerade Berufseinsteiger unterschätzen oft, was sie alles in ein Verhandlungsgespräch einbringen können: Praktika, Werkstudententätigkeiten, ehrenamtliches Engagement oder Projekterfahrungen aus dem Studium können wichtige Pluspunkte sein – ebenso wie digitale Kompetenzen, Fremdsprachen oder der versierte Umgang mit sozialen Medien.

Darüber hinaus gilt es zu reflektieren: Welche fachlichen Kompetenzen bringe ich mit, welche Projekte habe ich erfolgreich gemeistert, wo liegen meine persönlichen Stärken? Bin ich wirklich bereit, auch mehr persönliche Verantwortung zu übernehmen?

Diese Bestandsaufnahme ist mehr als eine reine Vorbereitung – sie bildet die Grundlage für ein stimmiges Verhandlungspaket. Dabei sind die menschlichen Qualitäten, etwa Teamfähigkeit und Kommunika­tionsstärke, oft genauso wertvoll wie fachliche Expertise.

Entscheidend ist dabei das Match: Ein erfolgreiches Arbeitsverhältnis entsteht dort, wo die eigenen Kompetenzen und Stärken zu den Bedürfnissen des Unternehmens passen und beide Seiten ihre Vorstellungen verwirklichen können. Diese Passung sollte im Zentrum der Verhandlung stehen.

Dafür ist es wichtig, auch die richtigen Fragen zu stellen – nach konkreten Herausforderungen, nach der Unternehmenskultur und nach Entwicklungsmöglichkeiten.

Eine erfolgreiche Gehalts­verhandlung ist weniger eine Frage von Maximalpositionen als vielmehr das Ergebnis eines durchdachten Prozesses.

Monika Kolb

Ist es klug, mit Maximalforderungen in die Gehaltsverhandlung zu starten?

Monika Kolb: Eine erfolgreiche Gehalts­verhandlung ist weniger eine Frage von Maximalpositionen als vielmehr das Ergebnis eines durchdachten Prozesses. Es hat sich bewährt, in Etappen und Entwicklungsschritten zu denken. Manchmal gehört es auch dazu, Zumutungen auszuhalten und sie als Teil des Verhandlungsprozesses zu verstehen.

Wer die Chance bekommt, die eigenen Stärken zu entfalten und gute Ergebnisse zu erzielen, hat in der nächsten Verhandlungsrunde eine deutlich bessere Position. Der Fokus sollte also nicht nur auf dem aktuellen Gehalt liegen, sondern auch auf den Entwicklungsmöglichkeiten, die sich dadurch erschließen.

Eine Gehaltsverhandlung ist immer auch ein Dialog über beiderseitige Wertschätzung (keine Einbahnstraße!). Wer das versteht und entsprechend kommuniziert, schafft eine gute Basis für konstruktive Gespräche.